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Die Kleidung

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Das Alltagsleben
Die Kleidung
n etwas zu wörtlicher Auffassung der römischen Zeugenaussagen
stellt man sich gern die Germanen der ersten Jahrhunderte als
wilde Barbaren vor, die ihre nackten, muskelkräftigen Körper nur not-
dürftig mit Tierfellen bedecken, wir erinnern uns an die sinnfällige Be-
schreibung bei Läsar: wie die Germanen, nackt bis zur Hüfte, sich in
den Lamps stürzten und trotzdem durch die schrankenlose Wut ihres
Angriffs über die Lraft der ausgezeichnet ausgerüsteten römischen Le-
gionssoldaten den Sieg davontrugen. An einer Stelle erzählt derselbe
Autor von den Sueven: diese schützten sich selbst bei strengster Lälte
nur durch Tierhäute, die einen großen Teil des Lörpers unbedeckt
ließen. Tiefsten Eindruck machten auf die Römer die Kampfreihen der
Gaesaten in der Schlacht bei Telamon, wie sie jeden Schutz ihrer
kraftvollen Lörpcr verschmähten und, nur mit funkelnden goldenen
Arm- und Beinringen geschmückt, dem Feind entgegengingen. Die
frühesten Zeugnisse der römischen Autoren, die die Germanen mit
eigenen Augen sehen konnten, sind jedenfalls geeignet, uns in der
Meinung zu bestärken, daß die äußere Erscheinung dieses Volks auf
eine nur geringe Kulturstufe schließen ließ.
Und doch bedarf dieses Bild einer Korrektur. Schon Tacitus be-
lehrt uns in seiner markigen Darstellungsweise, daß die Männer ein
viereckiges Wollkleid trugen. Dieses wurde so um den Körper ge-
schlagen, daß es die Gliedmaßen eng umschloß. Daneben wurden Tier-
felle getragen, und zwar waren diese bei den im Innern des Landes
wohnenden Stämmen kostbarer als bei der Grenzbevölkerung. Die
Tracht der Frauen ähnelte der der Männer, nur verwandten jene man-
nigfaltigere Leinenstoffe, die aber Hals und Arme und selbst einen
Teil der Brust unbedeckt ließen.
Dieses Zeugnis aus der römischen Kaiserzeit erfährt nun seine Be-
stätigung und Ergänzung durch Grabfunde, die bis in die Bronzezeit
Zurückreichen. Es ergibt sich, daß die germanischen Stämme in Jüt-
land schon damals, also ungefähr tausend Jahre vor unserer Zeit-
rechnung, eine Kleidung trugen, die der Schilderung des Tacitus un-


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