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Waldmann, Emil
Sammler und ihresgleichen — Berlin: Cassirer, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.52381#0231
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Amerikaner

Als vor einigen Jahren die Mona Lisa gestohlen wurde, konnte man
in deutschen Zeitungen gedruckt lesen, daß dahinter wohl irgendein Ame-
rikaner stecke, der »lbe most celebratecl pieture ok ltze Yorick« bei sich
im Hause oder auf seiner Segeljacht haben wollte. Das war natürlich
Nonsens. Leute, welche die Mona Lisa bezahlen können, sind auch in
Amerika nicht so häufig, daß man sie nicht kennte. Von den großen
Sammlern hätte sie überdies kein einziger genommen, nicht einmal ge-
schenkt..Als Pierpont Morgan einst erfuhr, daß ein von ihm erworbenes
Kirchengewand aus einer italienischen Sakristei gestohlen war, also un-
rechtes Gut sei, gab er es zurück und buchte den Verlust unter „kleinen
Spesen". Aber trotzdem, daß solche Ansicht über den Verbleib der Gio-
conda überhaupt laut werden konnte, zeigt, welch phantastische Dimen-
sionen das Schlagwort von der amerikanischen Gefahr in europäischen
Köpfen angenommen hat.
Im Jahre 1909 hob die Regierung der Vereinigten Staaten durch
ein Gesetz den Einfuhrzoll auf, der bisher auf alten Kunstwerken (d. h.
Kunstwerken, die nachweislich über hundert Jahre alt sind) geruht hatte.
Der Zoll war recht hoch gewesen, manchmal mehr als zwanzig Prozent,
und da war zu erwarten, daß die Einfuhr alter Kunstwerke fortan noch
steigen würde. Denn die Amerikaner rechnen genau, die reichsten am
genauesten, und die zwanzig Prozent waren ihnen so unangenehm, daß
Pierpont Morgan einen Teil seiner Sammlung nicht nach Amerika
brachte, sondern in London ließ. Die Erwartung täuschte auch nicht, die
Einfuhrziffer schnellte in die Höhe, und im Jahre 1909 schon gelangten
sechs holländische Gemälde im Werte von vier Millionen Mark nach
Neuyork. Und wenn dies auch kein ganz normaler Fall war (weil gerade
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