Fünftes Kapitel. Tagebuch der Reise in die Niederlande. 163
ihm mein weißes Tuch aufgegeben. Der zuvor gedingte Fuhrmann
hat mich nicht geführt, ich bin mit ihm uneins geworden. Gerhard
hat mir geschenkt etliche welsche Samen. Ich habe dem Vikarius^)
gegeben heimzuführen den großen Schildkrötrücken und den Fischer-
schild, die lange Pfeife, die lange WehrZ und Fischflossen und die
2 Fäßlein mit den Limonen und Kapern an Unserer Frauen Tag
Heimsuchung (2. Juli) 1521.
Und am anderen Tag (3. Juli) fuhren wir nach Brüssel, auf des
Königs von Dänemark Befehl. Und ich dingte einen Fuhrmann,
dem gab ich 2 fl. Ich habe dem König von Dänemark geschenkt die
besten Stückech aus meinem ganzen Druck — ist wert 5 fl. Wieder
habe ich 2 fl zu Zehrung gewechselt. 1 Stüber für Schüssel und
Korb gegeben. Ich habe gesehen, wie das Volk von Antwerpen sich
sehr verwundert hat, da sie den König von Dänemark sahen, daß er
so ein männlich schöner Mann war und nur selbdritt durch seiner
Feinde LandU hergekommen sei. Ich habe auch gesehen, wie ihm
der Kaiser von Brüssel entgegengeritten und ihn empfangen hat,
ehrenvoll und mit großem Pompe. Darnach habe ich gesehen das
ehrenvolle, köstliche Bankett, das ihm der Kaiser und Frau Margarete
gehalten haben am andern Tage (4. Juli 1521). Ich habe 2 Stüber
3 Es gab Vikare an Dorn- und Stiftskirchen, sowie Pfarrvikare (Pfarreiverweser);
auch führte die Bezeichnung Vikar mancher (stellvertretende) Ordensvorsteher. Um
das angebliche Luthertum Dürers zu stützen, denkt Kalkoff an Wenzeslaus Link, welcher
am 28. August 1520 auf dem Kapitel zu Eisleben zum Generalvikar der deut-
schen Augustinerkongregation gewählt worden war. Aber Dürer hätte vom General-
vikar sprechen müssen. Dreimal Wehe über den Frevler, welcher einen General-
leutnant nur einfach Leutnant anreden würde! Daß jedoch der Generalvikar am
2. Juli 1521 in Antwerpen sich aufgehalten habe, ist nirgends beglaubigt, würde auch
nichts beweisen. Denn Link wollte „mildern und vermitteln" (Allgemeine deutsche
Biographie) und „erst nach längerem Schwanken" kam er im Jahre 1523 zur persön-
lichen Entscheidung, als ihm der Kurfürst Friedrich von Sachsen die gute Pfarrstelle
von Altenburg angeboten hatte. Überdies ist es unwahrscheinlich, das; Dürer einem
Ordensobern, der bald in diesem, bald in jenem Kloster der Visitation wegen länger
weilen muhte, unmittelbar vor seiner eigenen Abreise eine so große Last aufgebürdet
hätte. Näher liegt die Vermutung: ein Vikar reiste direkt nach Nürnberg, von da
Studien halber nach Wien oder Rom, und wünschte, daß er im Hause Pirkheimers, dem
Stelldichein gelehrter Männer, durch Dürer eingeführt werde; deshalb belastete er
sich mit dem Pakete, welches wohl ein oder das andere Stück für die Sammlung des
Patriziers enthielt. Doch sei dem wie ihm wolle; jedenfalls ist der Schluß Kalkoffs
vollständig verfehlt. Man besorgt oft Kommissionen, ohne in näheren Beziehungen
zu stehen; man scheut sich nur einen Korb zu geben.
-) Schild.
Ü Die Abdrücke befinden sich wohl jetzt im Kopenhagener Kupferstichkabinett.
ch Dürer bewährt sich hier nicht als Geograph; Dänemark grenzte an Deutschland;
beide Reiche hatten Frieden miteinander.
11*
ihm mein weißes Tuch aufgegeben. Der zuvor gedingte Fuhrmann
hat mich nicht geführt, ich bin mit ihm uneins geworden. Gerhard
hat mir geschenkt etliche welsche Samen. Ich habe dem Vikarius^)
gegeben heimzuführen den großen Schildkrötrücken und den Fischer-
schild, die lange Pfeife, die lange WehrZ und Fischflossen und die
2 Fäßlein mit den Limonen und Kapern an Unserer Frauen Tag
Heimsuchung (2. Juli) 1521.
Und am anderen Tag (3. Juli) fuhren wir nach Brüssel, auf des
Königs von Dänemark Befehl. Und ich dingte einen Fuhrmann,
dem gab ich 2 fl. Ich habe dem König von Dänemark geschenkt die
besten Stückech aus meinem ganzen Druck — ist wert 5 fl. Wieder
habe ich 2 fl zu Zehrung gewechselt. 1 Stüber für Schüssel und
Korb gegeben. Ich habe gesehen, wie das Volk von Antwerpen sich
sehr verwundert hat, da sie den König von Dänemark sahen, daß er
so ein männlich schöner Mann war und nur selbdritt durch seiner
Feinde LandU hergekommen sei. Ich habe auch gesehen, wie ihm
der Kaiser von Brüssel entgegengeritten und ihn empfangen hat,
ehrenvoll und mit großem Pompe. Darnach habe ich gesehen das
ehrenvolle, köstliche Bankett, das ihm der Kaiser und Frau Margarete
gehalten haben am andern Tage (4. Juli 1521). Ich habe 2 Stüber
3 Es gab Vikare an Dorn- und Stiftskirchen, sowie Pfarrvikare (Pfarreiverweser);
auch führte die Bezeichnung Vikar mancher (stellvertretende) Ordensvorsteher. Um
das angebliche Luthertum Dürers zu stützen, denkt Kalkoff an Wenzeslaus Link, welcher
am 28. August 1520 auf dem Kapitel zu Eisleben zum Generalvikar der deut-
schen Augustinerkongregation gewählt worden war. Aber Dürer hätte vom General-
vikar sprechen müssen. Dreimal Wehe über den Frevler, welcher einen General-
leutnant nur einfach Leutnant anreden würde! Daß jedoch der Generalvikar am
2. Juli 1521 in Antwerpen sich aufgehalten habe, ist nirgends beglaubigt, würde auch
nichts beweisen. Denn Link wollte „mildern und vermitteln" (Allgemeine deutsche
Biographie) und „erst nach längerem Schwanken" kam er im Jahre 1523 zur persön-
lichen Entscheidung, als ihm der Kurfürst Friedrich von Sachsen die gute Pfarrstelle
von Altenburg angeboten hatte. Überdies ist es unwahrscheinlich, das; Dürer einem
Ordensobern, der bald in diesem, bald in jenem Kloster der Visitation wegen länger
weilen muhte, unmittelbar vor seiner eigenen Abreise eine so große Last aufgebürdet
hätte. Näher liegt die Vermutung: ein Vikar reiste direkt nach Nürnberg, von da
Studien halber nach Wien oder Rom, und wünschte, daß er im Hause Pirkheimers, dem
Stelldichein gelehrter Männer, durch Dürer eingeführt werde; deshalb belastete er
sich mit dem Pakete, welches wohl ein oder das andere Stück für die Sammlung des
Patriziers enthielt. Doch sei dem wie ihm wolle; jedenfalls ist der Schluß Kalkoffs
vollständig verfehlt. Man besorgt oft Kommissionen, ohne in näheren Beziehungen
zu stehen; man scheut sich nur einen Korb zu geben.
-) Schild.
Ü Die Abdrücke befinden sich wohl jetzt im Kopenhagener Kupferstichkabinett.
ch Dürer bewährt sich hier nicht als Geograph; Dänemark grenzte an Deutschland;
beide Reiche hatten Frieden miteinander.
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