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beide nahezu gerade; nur leicht krümmt sich die Nase zur Spitze. Die eiförmige
Gesamtwirkung des Kopfes wird erhöht durch volle, fleischige Wangen. Die
Fettleibigkeit zeigt sich vor allem an dem feisten Hals und dem seichten, bogigen
Übergang vom Kinn her. Dieses ist nach oben, unten und den Seiten leicht
abgekehlt.
Der Ausdruck ist unangenehm. Im Vergleich mit der feinsinnigen Verwandt-
schaft des Trajan wirkt diese Frau geistlos und dummdreist. Die Augenbildung
läßt einen trüben Blick ahnen. Der fleischigen Nase mangelt jeder feinere Spür-
sinn. Dem gewöhnlichen Mund mit der hängenden Schrägfurche an den Winkeln
scheint üble Nachrede vertraut. Und das Kinn, nach den Physiognomischen
Fragmenten von Lavater der Maßstab für Grad und Art der Sinnlichkeit, zeigt
in seiner fetten Weichheit die Merkmale der Wohllebigkeit; aufgeschwemmt
wie das ganze Gesicht, verrät es die Ausschweifungen träger Wollust.
Wenig über dreißig unzweifelhafte Bildnisse der älteren Faustina sind bekannt.
Sie werden in ihrer Mehrzahl von stadtrömischen Fundorten stammen, auch
wenn heute der genaue Hinweis fehlt. Gesicherte Herkunftsangaben weisen
überdies nach Timgad, Athen, Olympia, Ephesos und Sardes.
Überwiegend ist auch die Zahl gebrochener Köpfe, deren ehemalige Zugehörig-
keit ungewiß bleibt. Erhalten sind nur eine einzige Büste und vier Statuen mit
zugehörigem Kopf, und zwar in Olympia; Rom, Museo Capitolino, Atrio 23;
Timgad und Wilton House. Von ihnen zeigen zwei, nämlich diejenigen in
Olympia und Wilton House, den Typus der großen Herkulanerin. Die als
Gegenstück zu einer jüngeren Faustina aufgestellte Statue in Timgad wiederholt
den Typus einer frühhellenistischen Gewandfigur, der seit trajanischer Zeit mit
Vorliebe für römische Porträtstatuen Verwendung fand; er wird gelegentlich
als Demeter ergänzt mit Ähren und Mohn in der Linken. Die Statue im Museo
Capitolino, Atrio 23, stellt die ältere Faustina als Abundantia dar; das Gewand-
motiv ist klassischen Vorbildern des fünften Jahrhunderts nachgebildet; der
Formenvortrag zeigt die Nachwirkung des hadrianischen Klassizismus.
Die Büste im Konservatorenpalast, Orti Mecenaziani 12, mit ergänztem Büsten-
fuß, ist ohne Untergewand, nur mit einem Mantel aus dickem Stoff bekleidet.
Der gewählte Abschnitt ist kürzer als ihn die volleren Büsten der jüngeren
Faustina zeigen. Älterem Brauch hadrianischer Bildnisse folgend, sind die
Brüste unter dem Gewand angedeutet. Bei einem zweiten Stück derselben Samm-
lung, Monumenti Arcaici 30, gehören Kopf und Schulter trotz Bruch zusammen;
aber die Form der Büste kann im gegenwärtigen Zustand nicht mehr ursprüng-
lich sein; sie ist irgendwann für eine museale Aufstellung hergerichtet worden,
wie der breite untere Rand der jetzigen Büste beweist.

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