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Diese Datierung des Typus findet auch in der Zahl der Wiederholungen ihre
Stütze. Von keinem Bildnis des Marcus Aurelius gibt es so viele Wiederholungen
wie von diesem; sie betragen ungefähr ein Viertel des gesamten Materials. Die
Wiederholungen sind recht ungleichwertig in der Arbeit. Unter den besseren
Stücken gehört die Panzerbüste im Museo Capitolino, Galleria 63, zu der früheren
Gruppe; später wurde der Kopf in Apsley House ausgeführt; die Altersmerkmale
der schlaffen, eingefallenen Haut um Wangen und Mund werden an dem Kopf im
Lateran besonders hervorgehoben. An Ausdruckskraft erreicht keine dieser Wieder-
holungen den Kopf im Thermenmuseum.
Nach dem Tode des Marcus Aurelius beschloß der Senat die Errichtung der Ehren-
säule auf Piazza Colonna, deren Ausführung sich über mehrere Jahre hinzog; 193
war das große Werk sicher vollendet. Der Relief schmuck enthält zahllose Bild-
nisse des verstorbenen Herrschers, unter denen ungefähr fünfundzwanzig besser
erhalten sind. Die Ausführung, die bei weitem nicht die Feinheit der Reliefs der
Trajansäule erreicht, ist ziemlich grob auf die Wirkung von Bohrtiefen und Bohr-
gängen eingestellt. Für die Kenntnis der Bildnisse des Marcus Aurelius sind die
Reliefköpfe unergiebig; sie sind allzu abhängig von dem „ungleichen Geschick der
ausführenden Hände“ (E. Petersen). Im Typus folgen sie eindeutig dem Spätbildnis
mit hochgekämmtem Stirnhaar und langem, unruhig wallendem Vollbart.
Das beste unter den Bildnissen des Marcus Aurelius, die nach seinem Tode im
Anschluß an die Wiederholungen des späten Typus geschaffen wurden, ist der
Kolossalkopf aus Acqua Traversa im Louvre (Taf. 29 b). Die Datierung ergibt
sich aus dem Vergleich dieses Werkes sowie des als Gegenstück gearbeiteten Lucius
Verus, ebenda, mit dem Commodus als Hercules im Konservatorenpalast; letzterer
ist um 190 entstanden. Gemeinsam ist diesen drei Werken die Unterscheidung der
Tonwerte von stumpfem Helldunkel des Haupt- und Barthaares und von bleicher,
schimmernder Haut. Auch die virtuose Marmortechnik rückt die Bildnisse in
nächste Nähe zueinander. Der Bohrer durchdringt die Massen bis zu unsichtbaren
Tiefen, aber die Bohrgänge wirken nicht als Selbstzweck, sondern steigern die
Formbestimmtheit der Einzelheiten, die überdies durch eine feine Strichführung
der Innenzeichnung verdeutlicht werden. Der Kolossalkopf des Marcus Aurelius
zeigt eine idealisierende Absicht, die sich sogar in einer Unterdrückung der Augen-
bohrung kundtut. Alle äußeren individuellen Formen sind zu allgemeinster Gültig-
keit erhoben und zeigen fast durchscheinend das innere geistige Gesicht dieses
ungewöhnlichen, von Weisheitsliebe und Güte geleiteten Menschen auf dem Herr-
scherthron des römischen Weltreiches. Züge von Erhabenheit und Seelengröße
sind eingefangen in das Bildnis des vergöttlichten Herrschers, wie es dauert in
jenem Bereich der Verklärung und des unendlichen Ausgleichs, in den er einging.

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