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Wiegand, Theodor
Die Denkmäler als Hilfsmittel der Altertumsforschung (Sonderdruck aus dem Handbuch der Archäologie) — München, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.1803#0032
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Die Denkmäler als Hilfsmittel

sten Fällen, z. B. bei hoher Sandverwehung, zulässig. Der Leiter einer Aus-
grabung muß sich mit größter Gewissenhaftigkeit beständig erinnern, daß
seine Ausgrabungsstätte eine wissenschaftliche Urkunde ist, die teilweise
zugrunde geht, indem sie uns Erkenntnis schenkt. Nur einmal kann be-
obachtet werden, dann ist der Tatbestand verändert. Man hat daher die
schwere Verpflichtung, im Drange der Grabungsarbeit die Urkunde er-
schöpfend zu lesen, ihr alles abzugewinnen.

Damit ein solches, die Kräfte eines einzelnen meist übersteigendes Unter-
nehmen gelingt, muß der Leiter der Arbeit eine zweckmäßige Wahl in
der Zusammensetzung des wissenschaftlichen Personals treffen, je nach
dem Charakter der Aufgabe. Er selbst soll nicht nur das wissenschaftliche
Gebiet völlig beherrschen, sondern auch eine starke Vorstellungskraft be-
sitzen, mit der er die Rekonstruktion des zu erhoffenden Ertrags als Histo-
riker im weitesten Sinne geistig vor Augen hat und gleichzeitig an den
Funden kontrolliert: „Phantasie genug, um Erscheinungen zum Ganzen zu
verbinden und Charaktere verschiedener Zeiten in Bauten und Bildwerk
zu unterscheiden" (Welcker). Ein gutes Stilgefühl muß ihm bei der Be-
gutachtung des historischen und künstlerischen Wertes zur Seite stehen.
Er soll eine rasche Kombinationsgabe mit praktischem Blick, möglichst
großer Erfahrung und der Fähigkeit verbinden, mit einer Menge der ver-
schiedenartigsten Menschen leicht umzugehen. Dazu muß er eine Haupt-
tugend für solche Unternehmungen: Geduld besitzen, die Momente größter
Spannung und Zeiten des Abwartens gleichmäßig ertragen können. Am
Schlüsse des Ganzen muß er alle gewonnenen Einzelzüge kritisch zusammen-
fassen und das wissenschaftliche Gesamtbild zu zeichnen wissen; denn er
soll „nicht nur als Handlanger der Geschichte Rohstoff aus der Erde för-
dern, sondern selbst Werte aus ihm schaffen" (R. Herzog, Klio VI, 1906,
S. 532).

Die Ökonomie der Expedition, soweit sie den Haushalt und die mit der
Grabung verbundenen technischen Ausführungsarbeiten betrifft (Kassen-
führung, Buchführung über die Ausgaben, Lohnlisten), obliegt zumeist dem
Ausgrabungsleiter. Sehr wichtig ist die richtige Verteilung der Arbeiten.
Von Anfang an muß die Expedition von einem oder mehreren historisch
gebildeten Architekten begleitet sein1 sowie bei allen Ausgrabungen im
Bereich des Mittelmeerkreises von einem archäologisch geschulten Epi-
graphiker, wenn der Leiter nicht selbst diesen Teil übernimmt; der Epi-
graphiker findet schon vor dem ersten Hackenschlag genügend Arbeit an
den in der ganzen Gegend verstreuten oder verbauten inschriftlichen Resten.

Grundlage für den Beginn jeder Grabung bildet eine schriftliche Er-
laubnis der betreffenden Landesregierung, welche einen besonderen Kom-
missar zu delegieren pflegt, der die Aufgaben des Grabenden zu erleichtern

1 Vgl. dazu den vorzüglichen Aufsatz grabungsarchitekt sein kann, technische

von Julius Jordan, „Bauforschung" in Fähigkeit allein genügt nicht. In gleicher

den Mitteilungen des Verbandes der deut- Weise darf der archäologische Leiter der

sehen Hochschulen VI Heft 7/8 1926. Der Ausgrabung nicht bloß ein gelehrter Hi-

Verfasser betont dabei, daß nur ein Mann storiker oder Epigraphiker sein, sondern

mit besonderer Veranlagung und Empfin- er muß einen besonderen Sinn für die

dung für Tradition der geeignete Aus- technische Seite besitzen.
 
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