BEIGABENSITTE
1. ALLGEMEINES
Grabbau, Bestattungsritus und Beigabensitte der
Urnenfelderkultur Unterfrankens erwecken den
Eindruck großer Uneinheitlichkeit. Aufdas Neben-
einander von Körper- und Brandgräbern wurde
bereits hingewiesen. In Wollbach kommen beide
Riten auf dem gleichen Gräberfeld vor. Im Grabbau
unterscheiden sich große Steinsetzungen, annä-
hernd quadratische Steinpackungen, Brandschüt-
tungen mit und ohne Urne sowie reine Urnengrä-
ber. In der Beigabensitte fällt auf, daß relativ wenig
Gräber Bronzebeigaben enthalten. Auch bei diesen
Grabbronzen ist eine bestimmte Regel bislang nicht
erkennbar.
Diese scheinbare Uneinheitlichkeit möchten wir auf
Lücken in der Überlieferung zurückführen und
annehmen, daß gewisse Regeln befolgt wurden, die
für uns allerdings noch nicht faßbar sind.
Unterschiede im Beigabenreichtum werden vielfach
auf unterschiedlichen sozialen Rang oder Reichtum
des Bestatteten zurückgeführt. Eine entsprechende
vertikale Gliederung der Gesellschaft der Lebenden
in niedrige, mittlere, höhere und hohe Schichten ist
aus heutiger Sicht durchaus nachvollziehbar. Sie
reicht zur Erklärung bestehender Unterschiede aber
nicht aus. Auch eine Trennung nach Männer- und
Frauen- oder Krieger- und Nichtkriegergräbern
oder die Unterscheidung von Schwert- und Lanzen-
trägern bieten keine hinreichende Erklärung für die
Vielfalt von Beigabenkombinationen. Ethnologi-
sche Parallelen zeigen, daß für naturvolkliche
Gesellschaften mit einer weitergehenden horizonta-
len Schichtung der Gesellschaft etwa nach Fami-
lienverbänden oder Berufsgruppen zu rechnen ist
und daß Kult- und Rechtsbräuche streng eingehal-
ten werden. Ähnliche Verhältnisse könnten sich
auch in den Beigabensitten vorgeschichtlicher
Kulturen spiegeln413). Aus diesen Gründen und
wegen der außerordentlichen Seltenheit von Bronze-
beigaben in unterfränkischen Gräbern sind nur
wenige Aussagen zur Beigabensitte möglich.
Aufdie Trennung von Männer- und Frauengräbern
soll hier nicht weiter eingegangen werden. Anhalts-
punkte dafür liefern Waffen- und reiche Schmuck-
beigaben. Doch eine solche Aufteilung der wenigen
in Frage kommenden Gräber erlaubt keine Zu-
ordnung weiterer Formen zu Männer- oder
Frauengräbern, wie dies etwa in Kelheim versucht
wurde414).
2. RÜCKSCHLUSSE AUF KULT UND MAGIE
Aussagen zur Religion scheinen Gräber mit einer
Ton- bzw. Goldscheibe sowie vor allem das Kultwa-
gengrab von Acholshausen zu erlauben.
Bei einer Tonscheibe von Würzburg-Heidingsfeld
handelt es sich um einen unsicheren Befund, der
keine Hinweise zur Interpretation der Scheibe gibt.
Die Goldbacher Goldscheibe stammt zwar aus
einem gesicherten Grabfund, doch auch hier liegt
die Bedeutung im Dunkeln. Man hat an Verbindun-
gen dieser Kreisscheiben mit einem Sonnenkult
gedacht415). Die Tonscheiben, die häufiger in
Siedlungen gefunden wurden, scheinen, wenn man
oben erwähnte Tonstempel mit einbeziehen will, mit
dem Herd — vielleicht auch mit einem Herd-
kult — in Beziehung gestanden zu haben (vgl.
S. 41f.). Ob für die Goldscheibe eine ähnliche oder
eine andere (z. B. apotropäische) Bedeutung an-
genommen werden kann oder aber ob sie als
bloßes Zierstück zu betrachten ist, muß offen
bleiben.
413) Vgl. hierzu allgemein: M. Gebühr, Zeitschr. f. Ostforschung 24, 1975, 440ff.
414) H. Müller-Karpe, Kelheim 9ff. Karte 3. Tabelle 1.
415) z. B. H. Müller-Karpe, BVbl. 23, 1958, 30f. — Chr. Pescheck, Germania 50, 1972, 46.
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1. ALLGEMEINES
Grabbau, Bestattungsritus und Beigabensitte der
Urnenfelderkultur Unterfrankens erwecken den
Eindruck großer Uneinheitlichkeit. Aufdas Neben-
einander von Körper- und Brandgräbern wurde
bereits hingewiesen. In Wollbach kommen beide
Riten auf dem gleichen Gräberfeld vor. Im Grabbau
unterscheiden sich große Steinsetzungen, annä-
hernd quadratische Steinpackungen, Brandschüt-
tungen mit und ohne Urne sowie reine Urnengrä-
ber. In der Beigabensitte fällt auf, daß relativ wenig
Gräber Bronzebeigaben enthalten. Auch bei diesen
Grabbronzen ist eine bestimmte Regel bislang nicht
erkennbar.
Diese scheinbare Uneinheitlichkeit möchten wir auf
Lücken in der Überlieferung zurückführen und
annehmen, daß gewisse Regeln befolgt wurden, die
für uns allerdings noch nicht faßbar sind.
Unterschiede im Beigabenreichtum werden vielfach
auf unterschiedlichen sozialen Rang oder Reichtum
des Bestatteten zurückgeführt. Eine entsprechende
vertikale Gliederung der Gesellschaft der Lebenden
in niedrige, mittlere, höhere und hohe Schichten ist
aus heutiger Sicht durchaus nachvollziehbar. Sie
reicht zur Erklärung bestehender Unterschiede aber
nicht aus. Auch eine Trennung nach Männer- und
Frauen- oder Krieger- und Nichtkriegergräbern
oder die Unterscheidung von Schwert- und Lanzen-
trägern bieten keine hinreichende Erklärung für die
Vielfalt von Beigabenkombinationen. Ethnologi-
sche Parallelen zeigen, daß für naturvolkliche
Gesellschaften mit einer weitergehenden horizonta-
len Schichtung der Gesellschaft etwa nach Fami-
lienverbänden oder Berufsgruppen zu rechnen ist
und daß Kult- und Rechtsbräuche streng eingehal-
ten werden. Ähnliche Verhältnisse könnten sich
auch in den Beigabensitten vorgeschichtlicher
Kulturen spiegeln413). Aus diesen Gründen und
wegen der außerordentlichen Seltenheit von Bronze-
beigaben in unterfränkischen Gräbern sind nur
wenige Aussagen zur Beigabensitte möglich.
Aufdie Trennung von Männer- und Frauengräbern
soll hier nicht weiter eingegangen werden. Anhalts-
punkte dafür liefern Waffen- und reiche Schmuck-
beigaben. Doch eine solche Aufteilung der wenigen
in Frage kommenden Gräber erlaubt keine Zu-
ordnung weiterer Formen zu Männer- oder
Frauengräbern, wie dies etwa in Kelheim versucht
wurde414).
2. RÜCKSCHLUSSE AUF KULT UND MAGIE
Aussagen zur Religion scheinen Gräber mit einer
Ton- bzw. Goldscheibe sowie vor allem das Kultwa-
gengrab von Acholshausen zu erlauben.
Bei einer Tonscheibe von Würzburg-Heidingsfeld
handelt es sich um einen unsicheren Befund, der
keine Hinweise zur Interpretation der Scheibe gibt.
Die Goldbacher Goldscheibe stammt zwar aus
einem gesicherten Grabfund, doch auch hier liegt
die Bedeutung im Dunkeln. Man hat an Verbindun-
gen dieser Kreisscheiben mit einem Sonnenkult
gedacht415). Die Tonscheiben, die häufiger in
Siedlungen gefunden wurden, scheinen, wenn man
oben erwähnte Tonstempel mit einbeziehen will, mit
dem Herd — vielleicht auch mit einem Herd-
kult — in Beziehung gestanden zu haben (vgl.
S. 41f.). Ob für die Goldscheibe eine ähnliche oder
eine andere (z. B. apotropäische) Bedeutung an-
genommen werden kann oder aber ob sie als
bloßes Zierstück zu betrachten ist, muß offen
bleiben.
413) Vgl. hierzu allgemein: M. Gebühr, Zeitschr. f. Ostforschung 24, 1975, 440ff.
414) H. Müller-Karpe, Kelheim 9ff. Karte 3. Tabelle 1.
415) z. B. H. Müller-Karpe, BVbl. 23, 1958, 30f. — Chr. Pescheck, Germania 50, 1972, 46.
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