Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Wischermann, Heinfried; Wischermann, Heinfried [Hrsg.]
Berichte und Forschungen zur Kunstgeschichte (Band 17): Die " figura in cima al baldacchino" in Verona: Bemerkungen zum Wanddenkmal der Familie Brenzoni in San Fermo Maggiore von 1435-1438 — Freiburg i. Br., 2023

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.66626#0021
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
17

Seinen ersten größeren Auftrag erhielt Nanni di Bartolo 1432 mit dem Hauptportal der
Mutterkirche der Augustiner-Eremiten in Tolentino/Marche108. Dessen Bestandteile aus
Kalkstein wurden 1435 nach Tolentino gebracht und dort von ihm zusammengesetzt. Zwei
lateinische Inschriften (Abb. 16) informieren ausführlich über die Portalrahmung, an der
Motive der Spätgotik und der Frührenaissance in kurioser Mischung aufeinander treffen.
Szenische Reliefs schuf Nanni für das Wanddenkmal des Beato Pacifico109, eines 1432 im
Ruf der Heiligkeit verstorbenen Franziskaners110, in der Frari-Kirche. Das bis 1436
vollendete, mit seiner aufwendigen Um- und Bemalung erhaltene Werk ist nicht zunächst für
seinen Auftraggeber, den Senator Scipione Bon, als Grabdenkmal geschaffen worden, wie
manche Autoren glauben, sondern für den Mönch, der am 21. Juli 1437 in den Sarkophag
gelegt wurde. Dafür spricht vor allem der Grabmaltyp mit einem reliefgeschmückten Sarg auf
Konsolen, der eher für hohe Geistliche reserviert war. Zudem hatte der Senator in seinem
Testament 1436 verfügt, ohne hohe Kosten und im Mönchsgewand bestattet zu werden, was
nach seinem vor 1439 erfolgten Tod unter einer zweitverwendeten Inschriftplatte im Boden
vor dem Wanddenkmal des „Beato“ geschah.
Die Figuren des Brenzoni-Monuments in Verona, von denen - wie erwähnt - wohl nur der
Prophet und die Soldaten von Nannis Hand stammen, dürften ebenfalls in Venedig ab 1435
geschaffen und bis 1438 in Verona in den von Nannis Werkstatt bis dahin errichteten
Bühnenraum der „Auferstehung Christi“ aus Felsboden, Sarkophag und Baldachin eingebaut
worden sein111. In dieser Zeit wird auch die Gruft der Familie des Francesco Brenzoni vor
dem Wanddenkmal entstanden sein.
IX.
Auch im Werk des Malers Antonio di Puccio oder Pisanello112, für den lediglich P1SANVS
PINSIT113 auf ein Marmortäfelchen (Abb. 5) gemeißelt wurde, das nachträglich am rechten
Bildrand eingesetzt wurde, muß das Brenzoni-Denkmal neu „verortet“ werden. Pisanello,
dessen Geburtsjahr „um 1493“ oder noch früher angesetzt werden sollte, hat nach Lehrjahren

108 Anne Markham Schulz 1997; Dies., Nanni di Bartolo, in: De Gruyter - Allgemeines Künstler-Lexikon 91
(2016) 506-508. Die Verfasserin nimmt an, das „Epitaph“ von 1426 gehöre zum von Nanni di Bartolo signierten
„Kenotaph“.
109 Wolters 1976, Nr. 221; Markham Schulz 1997, 53-60; Zuleika Murat: The tomb of Beato Pacifico in the
Basilica dei Frari - Personal devotion or public Propaganda? in: Hortus Artium Medievalium 20 (2014) 874-882.
110 Vgl. Karen E. McCluskey, New Saints in Late Mediaeval Venice, 1200-1500-A Typological Study
(Sanctity in global perspective), London-New York 2020, 164 ff.
111 Die Datierung des Brenzoni-Denkmals schwankt von 1430/40 (Biadego 1908/09) oder 1427/29 [Leo
Planiscig, Thieme-Becker 29 (1935) 59] bis zu 1424/26 (u. a. Cordellier 1995; Schmitt 1995; Markham Schulz
2016).
112 Nach A. Schmitt 1995 und den - nicht identischen - Katalogen der Pisanello-Ausstellungen von 1996 im
Pariser Louvre (Pisanello - Le peintre aux sept vertus) und in Veronas Castelvecchio (Pisanello) gab es keine
neuen Erkenntnisse zu Pisanellos Fresken in San Fermo Maggiore. Vgl. zuletzt Brigit Blass-Simmen, Pisanello,
in: de Gruyter — Allgemeines Künstlerlexikon 96 (2017) 45-48.
113 „Pinsit“ klingt venezianisch, ist als Wortform aber nicht auf das Veneto beschränkt. Man könnte untersuchen,
warum Pisanello, der fast alle Medaillen, an denen er beteiligt war, auffallend groß mit OPVS PISANI
PICTOR1S signierte, nur eine - verschwundene - Signatur an der Pellegrini-Kapelle unter dem hl. Eustachius
und eine einzige auf einem Gemälde hinterließ. Auf der um 1435-1441 entstandenen „Madonna tra i santi
Antonio Abate e Giorgio“ in der Londoner National Gallery entdeckt man ein verdächtig unsauber gemaltes
„PISANVS Pl(nsit)“, vgl. Luke Syson u. a., Pisanello - painter to the renaissance court (Kat. National Gallery),
London 2001, Abb. 4.4, bes. Abb. 4.3. Angeblich hat Pisanello auch eine Zeichnung mit drei Höflingen (Paris,
Louvre: Degenhart/Schmitt 2004, 118-119, Abb. 234) signiert, und zwar — sehr verdächtig — mit „PISANVS
F“.Gianni Peretti hat einen Brief von 1440 publiziert (Pisanello ä Marmirolo - Un document inedit, in:
Cordellier 1998, Bd. 1,31-39, Abb. 1), der mit „pisanus pictor“ unterzeichnet ist.
 
Annotationen