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Wischermann, Heinfried; Wischermann, Heinfried [Editor]
Berichte und Forschungen zur Kunstgeschichte (Band 17): Die " figura in cima al baldacchino" in Verona: Bemerkungen zum Wanddenkmal der Familie Brenzoni in San Fermo Maggiore von 1435-1438 — Freiburg i. Br., 2023

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https://doi.org/10.11588/diglit.66626#0036
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32

XIV.
Hat man erkannt, daß es sich bei dem Brenzoni-Denkmal um ein Grabaltarbild handelt,
dann ist die Erläuterung des Programms nicht mehr schwierig. Die Vorstellung, die der
Programmschreiber von der „Auferstehung Christi“237 hatte, läßt sich mit wenigen Worten
zusammenfassen: Auf der Grundlage der biblischen Texte (1 Kor 15,3-11 / Mk 16,1-8 / Mt
28,1-10 / Lk 24,51-9 / Apg 1,21-22 / Jo 20,1-18 / Eph 4,8-10 /1 Petr 3,19) hat er mit
Phantasie und Bildvorlagen, auf die ich hier nicht eingehen kann, einen Zustand geschildert,
den es so nie gegeben hat: Christus ist nie in einem Steinsarkophag beigesetzt worden, und
dessen Front ist sicher nicht mit dem Trigramm des Bemhardin von Siena dekoriert gewesen.
Ein Engel, der sich mit der Deckplatte müht, ist so sinnfrei wie die Leuchterengel bei einer
Auferstehung Christi. Wen soll der über dem Sarkophag schwebende Christus segnen oder
wem eine Kreuzfahne als Siegeszeichen über den Tod zeigen? Die spätmittelalterlich
gerüsteten238 Grabwächter sind besinnungslos und damit als Zeugen des Ereignisses
unbrauchbar. Die Szene ist ein extrem fiktives Ereignisbild. Es dokumentiert vor allem die
Auferstehungserwartung der Mitglieder der Familie Brenzoni, vielleicht ihre
Auferstehungshoffnung oder sogar ihre Auferstehungsgewißheit! Mit der „Auferstehung“ war
das Erlösungswerk abgeschlossen, das mit der „Verkündigung an Maria“ nach dem Ratschluß
der Dreifaltigkeit begonnen hatte. Mit ihr waren die neutestamentlichen Bilderkreise und die
zahllosen christologischen und mariologischen Bildzyklen eröffnet worden, die mit der
Auferstehung des Gottessohnes ein Ende fanden. Der Sinn einer Darstellung der
„Auferstehung Christi“ an Grabdenkmälern ist naheliegend, doch ist sie an ihnen viel seltener
als eine „Verkündigung an Maria“. Bekannte Beispiele für eine gemalte oder skulptierte
„Auferstehung“ an monumentalen Wanddenkmälern sind die bereits genannten für Riccardo
Petroni und Gastone della Torre. Hinzufügen sollte ich die gemalte „Auferstehung“ für Nero
Corsini (f 1377), einen Bischof von Fiesoie, in Santo Spirito in Florenz239 und die an der
Sarkophagfront des schon erwähnten Wanddenkmals für den Patrizier Scipione Bon (t 1437)
in der Frari-Kirche, das 1436, als dieser sein Testament diktierte, fertig war240.
Heilsgeschichtlich ist die „Verkündigung“, die Maria E. Gössmann241 in drei
Zeitabschnitten in ihrer vorzüglichen „Zusammenschau von Theologie, geistlicher Dichtung
und Bildkunst“ erläutert hat, genauso bedeutend wie die „Auferstehung“. Während
Darstellungen der „Verkündigung“ im italienischen Tre- und Quattrocento zu den häufigsten
Themen der Wand-, Tafel und Buchmalerei zählen242, sind sie gemalt auf oder an Grabmälern
237Zur „Auferstehung Christi“ vgl.LCI 1 (1968) 201-218; Schiller 3 (1971) 68-88, Abb. 175-235.
238 Die Rüstungen der Wächter sind so auffallend modern wie die von Pisanello gezeichneten Tumierteilnehmer
im Palazzo Ducale in Mantua, vgl. Degenhart/Schmitt 1995, Abb. 218. Waffen- und kostümkundlich hilfreich
sind die Bücher von Ulrich Lehnart, Kleidung und Waffen der Spätgotik - Teil II, 1370-1420, Wald-Michelbach
2003 und Teil III, 1420-1480, ebda. 2005.
239 Rosenauer 1975, Abb. 27.
240 Murat 2014, 874 ff; Karen E. McCluskey, New Saints in Late-Medieval Venice, 1200-1500 - A typological
study, Abingdon/Oxon-New York 2020, Abb. 43.
241 Maria Elisabeth Gössmann (1927-2019), Die Verkündigung an Maria im dogmatischen Verständnis des
Mittelalters (Diss. theol. München 1954), München 1957, 281. Noch 1963 hat die universitäre Theologie der
Autorin die Habilitation wegen des „Geburtsfehlers weiblich“ verweigert!
242 Neben nützlichen Bildbänden [Hanna Egger (1942-2000), Verkündigung, Mödling 1987; Daniel Arasse
(1944-2003), L’annonciation italienne - Une histoire de perspective, Paris 1999; Phaidon-Verlag (Hg.),
Verkündigung, Berlin 2004] gibt es vom Ende des 20. Jh.s. eine Häufung von z. T. wenig empfehlenswerten
Untersuchungen zu diesem Thema: Stefanie Renner, Die Darstellung der Verkündigung an Maria in der
florentinischen Malerei - Von ihrer Monumentalisierung durch Andrea Orcagna (1346) bis Lorenzo Monaco
(1425) (Diss. Bonn 1995), Bonn 1996; Julia Liebrich, Die Verkündigung an Maria - Die Ikonographie der
italienischen Darstellungen von den Anfängen bis 1500 (Diss. Frankfurt a. M. o. J.), Köln u. a. 1997; Sven
Lüken, Die Verkündigung an Maria im 15. und frühen 16. Jahrhundert - Historische und kunsthistorische
Untersuchungen (Diss. theol. Göttingen 1996), Göttingen 2000.
 
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