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grenzen neu befestigt worden sind, ist be-
kannt. Eine dabin zielende Verordnung an
den Statthalter von Dacia ripensis steht im
Cod. Theod. 15, 1, 13: in limite ....
praeter eas turres, quas refici opiortet, si
forte indigeant refectione, turres administra-
tionis tempore quotannis locis oqiportunis
exstrue.
Die Ausführung dieser in grossartigem
Massstabe geplanten Grenzbefestigung be-
zeugen Inschriften, die der unsern ähnlich
sind, wie CIL. III, 10596, gefunden bei
Gran, aus der Zeit zwischen 365 und 367,
CIL. III, 3653 ebendaher vom Jahr 371,
CIL. III, 5670a aus Ips aus d. J. 370
und CIL. III, 88 aus Umm- el-Djemäl
(Arabien) aus dem J. 371. Auch Ammia-
nus erwähnt 29, 6, 2 die Anlage von Be-
festigungen „trans flumen Istrum in ipsis
Quadorum terris“ *). Speziell die Befesti-
gung der Rheinlinie ist bei Ammianus 28,
2, 1 (zum Jahre 369) erwähnt: At Valen-
tinianus . . . Bhenum omnem a Baetiaruni
cxordio adusque fretalem Oceanum magnis
molibus communiebat, castra extollens altius
et castella, turresque adsiduas per habiles
locos et opportunos, qua Galliarum extendi-
tur longitudo: nonnumquam etiam ultra
flumen aedificiis positis subradens barbaros
fines2). Symmachus sagt in der im Vor-
jahre unserer Inschrift gehaltenen (zweiten)
Lobrede auf Valentinian 1) castella ... ert-
guntur, 3) omnia adversus barbaros quae
patent („so wird zu lesen sein für patent
quae“ Mommsen), sunt munita pro nobis
woran er die Schilderung der Strombau-
ten bei Altripp anknüpft.
Nun hat Ferdinand Keller schon vor
mehr als zwanzig Jahren am schweizerischen
Rheinufer von Steckborn bis Basel eine
Reihe kleiner befestigter Anlagen aus rö-
mischer Zeit nachgewiesen3). Die nahe-
liegende Annahme, dass diese „Warten“
eben die von Ammian erwähnten Anlagen
Valentinians sind, hielt er aber nicht für
zulässig, unter andern, weil sich bei einigen
1) Vgl. Schiller, Gesch. d. röm. Kaiserzeit II
376 fg.
2) Kürzer erwähnt Ammian dasselbe 30, 7, 6
„utrobique Bhenum celsioribus castris munivit atgue
castellis.“
3) Anzeiger für Schweiz. Altertumskunde 4,
237—248.
derselben „eine ein- oder mehrmalige Aus-
besserung erkennen lässt“4). Indessen
schliesst die Stelle des Ammianus gar nicht
aus, dass ein Teil der Befestigungen schon
aus älterer Zeit stammte und jetzt nur
erneuert oder verstärkt wurde. Dass aber
andere, und wahrscheinlich die meisten,
erst unter Valentinian seit dem Jahre 369
erbaut worden sind, wird nicht zu bezwei-
feln sein5 6). Sicher ist es jetzt durch unsere
Inschrift, dass ein solches Bauwerk im
Jahre 371 hei Schwaderloch errichtet
worden ist. — Eben dort hat Keller eine
seiner Warten gefunden, die fünfzehnte,
die er so beschreibt: „Unterhalb des Dorfes
Schwaderloch befindet sich auf dem alten
Rheinbord, etwa 10' über dem Niveau des
Flusses, ein mit Gesträuch bewachsener
Mauerstock, Biirgli genannt0). Die Nord-
und Ostseite desselben stehen reclitwink-
lich zu einander, an der Süd- und West-
seite ist die Mauermasse jetzt abgerundet.“
Herr Wernly, der diese Angaben Kellers
nicht übersehen hat, macht allerdings da-
rauf aufmerksam, dass der Fundort der
Inschrift ziemlich weit vom „Bürgli“ ent-
fernt ist. Es muss also zunächst unent-
schieden bleiben, ob die Inschrift einst an
der Kellerschen Warte angebracht war,
oder ob bei Schwaderloch noch ein zweiter
Turm dieser Art stand, was auch nicht
unmöglich wäre; vielleicht lässt sich das
durch Untersuchung an Ort und Stelle
entscheiden.
Es sind nun noch einige Bemerkungen
über den Text der Inschrift hinzuzu-
fügen. Die Bezeichnung des Bauwerkes ist
burgus. Dieses Wort kommt als Ausdruck
für Beobachtungstürme schon im 2. und
3. Jahrhundert auf Inschriften vor7); spä-
ter scheint es hauptsächlich für kleine
4) Was Keller besonders hervorbebt, dass in
einem der Wachttürme bei Basel eine Münze des
Gallienus gefunden wurde, hat nichts zu bedeuten*
5) Vgl. den oben ;citierten Erlass des Valen-
tinian und Valeus im Cod. Theod. 15, 1, 13.
6) Diesen Namen Bürgli von dem Worte burgus
in der Inschrift herzuleiten, wäre aber gewiss ver-
fehlt, wenn auch dasselbe gemeint ist.
7) CIL. VIII 2494 (burgus speculatorum Anto~
ninianorum) und 2495 (burgus Commodianus specu-
latorius, inter duas vias ad salutem commeantium)v
beide in Africa. Ähnlich auch später noeh bei
Vegetius 4, 10.
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grenzen neu befestigt worden sind, ist be-
kannt. Eine dabin zielende Verordnung an
den Statthalter von Dacia ripensis steht im
Cod. Theod. 15, 1, 13: in limite ....
praeter eas turres, quas refici opiortet, si
forte indigeant refectione, turres administra-
tionis tempore quotannis locis oqiportunis
exstrue.
Die Ausführung dieser in grossartigem
Massstabe geplanten Grenzbefestigung be-
zeugen Inschriften, die der unsern ähnlich
sind, wie CIL. III, 10596, gefunden bei
Gran, aus der Zeit zwischen 365 und 367,
CIL. III, 3653 ebendaher vom Jahr 371,
CIL. III, 5670a aus Ips aus d. J. 370
und CIL. III, 88 aus Umm- el-Djemäl
(Arabien) aus dem J. 371. Auch Ammia-
nus erwähnt 29, 6, 2 die Anlage von Be-
festigungen „trans flumen Istrum in ipsis
Quadorum terris“ *). Speziell die Befesti-
gung der Rheinlinie ist bei Ammianus 28,
2, 1 (zum Jahre 369) erwähnt: At Valen-
tinianus . . . Bhenum omnem a Baetiaruni
cxordio adusque fretalem Oceanum magnis
molibus communiebat, castra extollens altius
et castella, turresque adsiduas per habiles
locos et opportunos, qua Galliarum extendi-
tur longitudo: nonnumquam etiam ultra
flumen aedificiis positis subradens barbaros
fines2). Symmachus sagt in der im Vor-
jahre unserer Inschrift gehaltenen (zweiten)
Lobrede auf Valentinian 1) castella ... ert-
guntur, 3) omnia adversus barbaros quae
patent („so wird zu lesen sein für patent
quae“ Mommsen), sunt munita pro nobis
woran er die Schilderung der Strombau-
ten bei Altripp anknüpft.
Nun hat Ferdinand Keller schon vor
mehr als zwanzig Jahren am schweizerischen
Rheinufer von Steckborn bis Basel eine
Reihe kleiner befestigter Anlagen aus rö-
mischer Zeit nachgewiesen3). Die nahe-
liegende Annahme, dass diese „Warten“
eben die von Ammian erwähnten Anlagen
Valentinians sind, hielt er aber nicht für
zulässig, unter andern, weil sich bei einigen
1) Vgl. Schiller, Gesch. d. röm. Kaiserzeit II
376 fg.
2) Kürzer erwähnt Ammian dasselbe 30, 7, 6
„utrobique Bhenum celsioribus castris munivit atgue
castellis.“
3) Anzeiger für Schweiz. Altertumskunde 4,
237—248.
derselben „eine ein- oder mehrmalige Aus-
besserung erkennen lässt“4). Indessen
schliesst die Stelle des Ammianus gar nicht
aus, dass ein Teil der Befestigungen schon
aus älterer Zeit stammte und jetzt nur
erneuert oder verstärkt wurde. Dass aber
andere, und wahrscheinlich die meisten,
erst unter Valentinian seit dem Jahre 369
erbaut worden sind, wird nicht zu bezwei-
feln sein5 6). Sicher ist es jetzt durch unsere
Inschrift, dass ein solches Bauwerk im
Jahre 371 hei Schwaderloch errichtet
worden ist. — Eben dort hat Keller eine
seiner Warten gefunden, die fünfzehnte,
die er so beschreibt: „Unterhalb des Dorfes
Schwaderloch befindet sich auf dem alten
Rheinbord, etwa 10' über dem Niveau des
Flusses, ein mit Gesträuch bewachsener
Mauerstock, Biirgli genannt0). Die Nord-
und Ostseite desselben stehen reclitwink-
lich zu einander, an der Süd- und West-
seite ist die Mauermasse jetzt abgerundet.“
Herr Wernly, der diese Angaben Kellers
nicht übersehen hat, macht allerdings da-
rauf aufmerksam, dass der Fundort der
Inschrift ziemlich weit vom „Bürgli“ ent-
fernt ist. Es muss also zunächst unent-
schieden bleiben, ob die Inschrift einst an
der Kellerschen Warte angebracht war,
oder ob bei Schwaderloch noch ein zweiter
Turm dieser Art stand, was auch nicht
unmöglich wäre; vielleicht lässt sich das
durch Untersuchung an Ort und Stelle
entscheiden.
Es sind nun noch einige Bemerkungen
über den Text der Inschrift hinzuzu-
fügen. Die Bezeichnung des Bauwerkes ist
burgus. Dieses Wort kommt als Ausdruck
für Beobachtungstürme schon im 2. und
3. Jahrhundert auf Inschriften vor7); spä-
ter scheint es hauptsächlich für kleine
4) Was Keller besonders hervorbebt, dass in
einem der Wachttürme bei Basel eine Münze des
Gallienus gefunden wurde, hat nichts zu bedeuten*
5) Vgl. den oben ;citierten Erlass des Valen-
tinian und Valeus im Cod. Theod. 15, 1, 13.
6) Diesen Namen Bürgli von dem Worte burgus
in der Inschrift herzuleiten, wäre aber gewiss ver-
fehlt, wenn auch dasselbe gemeint ist.
7) CIL. VIII 2494 (burgus speculatorum Anto~
ninianorum) und 2495 (burgus Commodianus specu-
latorius, inter duas vias ad salutem commeantium)v
beide in Africa. Ähnlich auch später noeh bei
Vegetius 4, 10.