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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 2.1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.3530#0420
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Besprechungen.

Theodor Lipps, Ästhetik. Psychologie des Schönen und der Kunst.
II. Teil: Die ästhetische Betrachtung und die bildende Kunst. Ham-
burg und Leipzig, Verlag von Leopold Voß, 1906. gr. 8°. VIII u. 645 S.

Die hohen Erwartungen, die der erste 1903 erschienene Band der Lippsschen
Ästhetik erregt hatte, werden durch den vorliegenden zweiten Teil durchaus erfüllt.
Mit der an dem Verfasser bekannten umsichtigen, eindringlichen und treffenden
Weise führt er den Leser in die Tiefen des Gegenstandes. Die Methode der Selbst-
beobachtung und Analyse der ästhetischen Wirkungen ist meisterhaft gehandhabt.
Das Buch erbringt den Beweis der großen Tragweite und Fruchtbarkeit des Haupt-
gedankens der Lippsschen Ästhetik, der Einfühlungslehre, für die Kunstwissenschaft.
Es rückt Bekanntes in neue und hellere Beleuchtung und legt bisher verborgene
Zusammenhänge bloß. Das letztere gilt besonders von den Erörterungen über die
Raumästhetik, das erstere von der Ableitung der Formen des telefonischen Kunst-
werks aus dem Wesen und der Funktion des Materials, und von der ästhetischen
Charakteristik des Materials und der Technik in den verschiedenen Künsten, wobei
sich der Begriff der ästhetischen Negation als äußerst aufklärend erweist. Das Werk
vermag so in förderlicher Weise beizutragen zur Vereinheitlichung der Forschung,
die sich an der Philosophie und Psychologie orientiert, und der vom Tatsachengebiet
der Kunst ausgehenden. — Im folgenden will ich die leitenden Gedanken des Lipps-
schen Werkes angeben und dabei Bemerkungen und Bedenken, die mir bei der
Lektüre gekommen sind, an den betreffenden Stellen einflechten.

Das Buch ist in sechs Abschnitte gegliedert. Der III. und IV. (»Ein Stück Raum-
ästhetik« und »Formen der Raumkünste«) bilden eine sachliche Einheit. Dabei will
ich gleich bemerken, daß es für den Leser, der mit der psychologischen Ästhetik
und insbesondere mit den Lippsschen Anschauungen nicht bekannt ist, doch besser
gewesen wäre, den III. Abschnitt nicht vorauszunehmen, der Leser wäre dann auf
die schwierigen Darlegungen desselben besser vorbereitet gewesen. Der II. Ab-
schnitt behandelt die Bildkünste, der V. das technische Kunstwerk und der VI. das
Ornament und die dekorative Bildkunst.

Im I. Abschnitt kommt Lipps auf Veranlassung der seit dem Erscheinen des
ersten Bandes erfolgten Erörterungen auf den Begriff der ästhetischen Einfühlung
zurück. Er legt zunächst das Verhältnis der Einfühlung zu den logischen Akten
dar (wie schon vor kurzem im Archiv für die gesamte Psychologie, VII. Bd., 1. Heft).
Die logischen Akte werden einfach erlebt, sind passiver Natur und haben als solche
mit Lust und Unlust nichts zu tun. Dagegen ist das Material der Einfühlung
jederzeit das lust- oder unlustgefärbte Tätigkeitsgefühl. Verfasser bezeichnet des-
halb auch den Ausdruck von Urteilen u. s. w. in Sätzen nicht mehr wie im ersten
Bande als »intellektuelle Einfühlung«. Dabei hat der Begriff Tätigkeit den weitesten
Sinn und umfaßt sowohl die Phantasie- und die Auffassungs- als die Willenstätig-
keit, sowohl die aktive als die passive, und nicht nur die aktuelle, sondern auch
die potentielle Tätigkeit. Nach Lipps sind wir nun in jedem Moment unseres Lebens
 
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