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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 2.1907

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Meyer, Richard M.: Bemperlein und Gemperlein
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https://doi.org/10.11588/diglit.3530#0375
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BEMPERLEIN UND GEMPERLEIN. 371

bar. Sie liegt darin, daß wir den Begriff der lautlichen Symbolik nicht
auf das geschriebene Wort anwenden, sondern, wie es sein muß, auf
das gesprochene. Hier wirken nun gleich Elemente von unzweifelhaft
symbolischer Art mit. So der Akzent: eine Silbe, die betont wird, soll
als wichtig hervorgehoben werden. So vielleicht auch der Rhythmus,
d. h. die Verleihung der Nebenakzente. Und in diesem Licht gesehen,
ist auch Pauls Einwand nicht ganz stichhaltig. Ja, unser germanischer
»Ablaut« beruht auf mechanischen Ursachen, nämlich Betonungsver-
hältnissen; konnten diese selbst aber nicht ursprünglich die Bedeutungs-
verschiedenheit der Formen symbolisieren? Konnte z. B. die wech-
selnde Betonung von Stammsilbe oder Suffix, oder die Betonung der
Reduplikationssilbe nicht unmittelbar lautsymbolisch gemeint sein?

Auf jeden Fall scheint es uns nötig, einmal den Gefahren auszu-
weichen, die hier (wie auf dem Gebiet der vergleichenden Mythologie
oder Kulturgeschichte!) aus der Überfülle ungeordneten Materials er-
wachsen. Belege lassen sich für jede Auffassung finden und häufen,
solange man wahllos in den Vorrat greifen darf. Hier scheint deshalb
ein noch so kleiner Versuch, auf engem Gebiet eine leidliche Voll-
ständigkeit des Materials zu erreichen, dankenswert.

Schon in jenem Aufsatz über »Künstliche Sprachen« habe ich ver-
sucht, der Wirksamkeit lautsymbolischer Verbindungen oder Verände-
rungen einigermaßen begrenzten Spielraum anzuweisen. Ich versuche
jetzt, die Wechselbeziehungen zwischen Laut und Bedeutung an der
deutschen Lautgruppe -mp- festzustellen.

Annähernd rein, d. h. ohne direkte Anlehnung an sonstiges Sprach-
gut, kann sich dies Lautgefühl fast nur bei einer Gelegenheit be-
tätigen: bei der seelischen Namengebung (vgl. a. a. O. S. 259). Vereinzelt
kommen ja Ausrufe oder selbst ganze »Redestücke« von völlig phan-
tastischer Erfindung vor (ebd. S. 262 f. und bes. S. 254 f.); aber eben
nur in Momenten wirklicher oder fingierter Erregung; sonst bietet nur
die Erfindung von Eigennamen (wobei wieder die Vornamen beinah
gänzlich ausscheiden) Gelegenheit zur Herstellung neuen Sprachstoffs.
(Der seltene Fall der Benennung neuer Produkte u. dgl. ist prinzipiell
von der poetischen Namengebung nicht verschieden, wird aber tat-
sächlich fast nur in unmittelbarer Fortbildung vorhandenen Sprach-
stoffs vollzogen; vgl. meinen Aufsatz »Zur Terminologie der Reklame«,
Zeitschr. f. deutsche Wortforschung 2, 288. Übrigens soll für das
vielbesprochene »einzige erfundene Appellativum«, van Helmonts no-
vutn nomen gas, jetzt auch der Ursprung aus chaos nachgewiesen sein;
vgl. Deutsche Literaturzeitung 1906, S. 2976.)

Eine systematische Durcharbeitung unserer poetischen Namen-
gebung auch unter diesem Gesichtspunkt (neben dem natürlich andere,
 
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