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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 29.1935

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Eibl, Hans: Religion, Weltanschauung, Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.14176#0111
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Religion, Weltanschauung, Kunst.

Von
Hans Eibl.

Über Religion, Weltanschauung und Kunst ist schon so viel unüber-
trefflich Gescheites gesagt worden, daß eine neuerliche Erörterung dieser
Dinge und ihrer Zusammenhänge gerechtfertigt werden muß. Man darf
und soll sie wagen, wenn einschneidende Wandlungen in den Lebens-
umständen und damit auch im Lebensgefühl großer Menschengruppen
vielen einzelnen die Problematik des menschlichen Daseins nahegerückt
und so neuerdings die Frage nach dem Sinn der Welt, des Lebens, der
Geschichte auf die Lippen gelegt haben. In Zeiten der Wandlung, nament-
lich der raschen, stürmischen Wandlung fragen die Menschen eben wie-
der nach den Grundlagen und Zielen ihres Daseins, und es nützt gar
nichts, wenn die Vorfahren in müderen und resignierten Zeiten die
angebliche Aussichtslosigkeit solchen Rätselfragespieles nachgewiesen
haben wollen.

Ich beginne mit einigen Begriffsbestimmungen und allgemeinen Aus-
einandersetzungen über Religion, Weltanschauung, Kunst und die Be-
ziehungen zwischen diesen geistigen Gebilden, um mich sodann den Er-
eignissen und Umständen zuzuwenden, welche geeignet erscheinen, auf
weltanschaulichem und damit auch auf künstlerischem Gebiete aufzurüt-
teln und zu neuem Schaffen aufzurufen.

Mit dem Worte Weltanschauung bezeichnet man je nach dem laxeren
oder strengeren Sprachgebrauche bald eine allgemeine Lebensstimmung,
die von der Reflexion noch nicht begrifflich verarbeitet worden ist, aber
doch den Ablauf der Vorstellungen, die Richtung der Phantasie, damit
auch der Entschlüsse zu beeinflussen vermag, bald eine bestimmte sitt-
liche Haltung, die von klaren Maximen des Handelns gelenkt wird, wenn
auch das theoretische Bedürfnis nicht so stark ist, daß es zu einer um-
fassenden Rechtfertigung der sittlichen Entscheidungen aus einem Ge-
samturteil über das Seiende drängte, endlich ein systematisches Ganzes
von solchen theoretischen Urteilen über das Gesamt des Seienden, also
über das Verhältnis von Gott und Welt, von Gott und den Menschen, von
den Menschen zur Welt und zu ihresgleichen. Aus der Weltanschauung
in diesem strengen und umfassenden Sinne ergibt sich, wenigstens grund-

Zeitschr. f. Ästhetik u. allg. Kunstwissenschaft. XXIX. 7
 
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