Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 29.1935

DOI Artikel:
Besprechungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14176#0195
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
BESPRECHUNGEN

181

Albert Verwey: Rhythmus und Metrum. Max Niemeyer, Halle. 1934.
82 S.

Verf. sucht weniger durch Begriffsbestimmungen als durch „einsichtsvolle Be-
sprechung von Beispielen" (1) das Verhältnis von Rhythmus und Metrum in der
dichterischen Praxis zu klären. Als Zweck der Untersuchung betrachtet er die Frage,
„welche Bedeutung traditionelle Faktoren, vor allem die metrischen, für die heutige
Verskunst haben" (4). Im Unterschied zu E. W. Scripture, der in einem Aufsatz
„Das Wesen des Verses" (1925) die Meinung vertritt, daß „der (moderne) Dichter
nie an die verschiedenen Versformen der Metrik denkt" und „daß Versform und
Versinhalt Erzeugnisse des Unbewußten, nicht des Bewußtseins sind", vertritt Verf.,
der selbst Dichter ist, die Ansicht, „daß der Rhythmus, der in einem Dichter empor-
steigt, in seinem Unterbewußtsein schon in Verbindung mit Metren ist und sich mit
ihnen vereinigt" (68), und daß, wenn ein Dichter Schemata wie Sonett, Terzine, Ale-
xandriner verwendet, „er schwerlich wird behaupten können, daß der Gedanke an
Maß für ihn nicht besteht. Derselbe existierte nicht für ihn als er dichtete, aber er
existierte früher für ihn, und die Versform mußte sich in sein Unterbewußtsein
herabgelassen haben, ehe sie ihm im Gedicht wieder erscheinen konnte" (29). Verf.
hätte ruhig behaupten können, daß selbst während des Dichtens solch künstliche
Schemata notwendig im Bewußtsein des Dichters vorhanden sein müssen, da es nicht
verständlich wäre, auf welche Weise sie ohne bewußtes Zutun sich hätten bilden
sollen, vorausgesetzt, daß er sie nicht bereits automatisch beherrschte, wie z. B. ein-
fachere Metren. Es dürfte sich wohl so verhalten: je kunstvoller eine Versform ist,
desto mehr muß sie während des Schaffens im Bewußtsein vorhanden sein, wenn
auch nicht zentral. Moderne Verse auf ihren Gehalt an Amphibrachien und dgl. zu
untersuchen, ist übrigens ein metrisch überwundener Standpunkt.

Die angestrebte theoretische Klärung der Titelbegriffe gelingt dem Verf. nur
unvollkommen. Unter Rhythmus versteht er im allgemeinen den „Lautkörper" (47)
eines Gedichts, unter Metrum das „allgemeine Schema". Rhythmus ist für ihn weiter-
hin „hauptsächlich Bewegung oder Strom" und außerdem „noch etwas anderes und
zwar regelmäßige Wiederkehr". „Metrum" sagt er, „ist aber auch regelmäßige Wie-
derkehr. Beim Rhythmus fällt der Nachdruck mehr auf die Bewegung, beim Metrum
mehr auf das Regelmäßige" (15). Das Moment Regelmäßigkeit ist aber nicht konsti-
tutiv für den Begriff des Metrums, da es Metren gibt, z. B. freie Rhythmen, für die
gerade die Unregelmäßigkeit charakteristisch ist. Andererseits geht es zu weit, den
verwickelten Sachverhalt Lautkörper mit Rhythmus ineinszusetzen, da Rhythmus nur
ein Teilfaktor desselben ist und sich als solcher auch in Vorgängen findet, die mit
einem Lautkörper nichts als das Rhythmische gemeinsam haben.

Berlin. Gotthilf Flik.

Günther Voigt: Die humoristische Figur bei Jean Paul. Nie-
meyer, Halle 1934. 97 Seiten.

Der humoristischen Figur im Werke Jean Paul Friedrich Richters, der viel-
leicht einzigartig an Überschwenglichkeit und an Unausgeglichenheit in unserer
deutschen Literatur dasteht, hat Günther Voigt eine ebenfalls noch recht unausgegli-
chene, aber durchaus lesenswerte Studie gewidmet. Zunächst dürfte es wohl erlaubt
sein, einmal denjenigen höchsten Wertmesser an diese Schrift zu legen, nach dem der
Verfasser selbst sie beurteilt wissen will; auch auf die Gefahr hin, daß sie diesem
höchsten Ansprüche nicht ganz standhalten sollte. In engem Anschluß an Rudolf
Unger und in Auseinandersetzung mit Volkelts Arbeiten über Jean Paul kommt
 
Annotationen