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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 4.1910/​11

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Mettler, Adolf: Die zweite Kirche in Cluni und die Kirchen in Hirsau nach den "Gewohnheiten" des XI. Jahrhundert, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22224#0018
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Mettler.

Hirsau knüpft. Nach guter Überlieferung besaß diese Kirche einen hölzernen Vierungs-
turm, der im Jahr 1566 abgebrochen und durch einen unbedeutenden steinernen Dach-
reiter ersetzt wurde.1 In den durch Ausgrabung festgestellten Fundamenten und unteren
aufgehenden Schichten sind aber über den letzten Jochen der Seitenschiffe, also rechts
und links vom kleinen Chor, Türme angelegt; die Außenmauern sind nämlich in diesen
Jochen um 40 cm verstärkt und die letzten Stützen des Langhauses sind nicht mehr
Säulen, sondern Pfeiler. Woher stammen diese Türme? hat Wilhelm sie erfunden oder
entlehnt? vielleicht von Cluni selbst? Die letztere Frage erklären Dehio und v. Bezold
(k. B. I, S. 577) für unbeantwortbar.2 Ich denke, die Autwort ist schon gegeben durch
den Nachweis, daß in Cluni alle Glocken im Vierungsturm vereinigt waren. Weitere
Türme in der Mönchshälfte der Kirche waren also kein Bedürfnis. (Denn um bloße

Treppentürme kann es sich ja
wegen der Lage über den Seiten-
schiffen nicht handeln.) In der
ITurm I B| Tat haben die von Odilo in den

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ITurm

ersten Jahrzehnten des 11. Jahr-
hunderts gebaute Kirche von Ro-
mainmötier und die um dieselbe
Zeit unter cluniazensischem Ein-
fluß entstandene Kirche von Lim-
burg a. H. nur einen Vierungsturm.

Umgekehrt läßt sich beob-
achten, daß, wo Türme über den
Enden der Seitenschiffe vorhan-
den sind, der Vierungsturm fehlt.
Die beiden Turmarten kommen
nicht in Gesellschaft vor. Zwar
,1,1! scheint gleich St. Peter in Hirsau

Abbildun» 5 ' selbst diese Behauptung zu wider-

Reichenbach an der Murg. legen. Allein Vierungsturm und

Seitentürme haben hier nicht
gleichzeitig bestanden; die letzteren kamen nicht zur Ausführung, wie nicht nur das
Schweigen der älteren Baubeschreibungen, sondern direkt eine Abbildung aus dem
18. Jahrhundert3 beweist, die im Hochwerk des Lang- und Querhauses romanische Fenster
an Stellen zeigt, wo sie durch die Türme ausgeschlossen gewesen wären.

In Hirsau während des Baus aufgegeben gelangte das seitliche Turmpaar zur Voll-
endung in dem mit St. Peter gleichzeitigen Reichenbach an der Murg (Klosterreichen-
bach, O.-A. Freudenstadt), gegründet 1082, geweiht 1085. Die ursprüngliche Gestalt dieser
Kirche ist durch Nachgrabungen ermittelt.4 Sie ist von höchstem Interesse deswegen,
weil sie uns Wilhelms liturgische und architektonische Idee in ihrer äußersten Reduk-

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1 K. Klaiber, Das Kloster Hirsau 1886, S. 36.

2 Viollet-le-Duc (dict. rais. I, S. 168) nennt zwar unter den Kirchen mit Türmen am Ostende der
Seitenschiffe auch Cluni, Beweise aber gibt er und gibt es hierfür nicht. Zweifellos ist ihm eine Ver-
wechselung mit den Türmen des neuen Münsters über den Enden der Querflügel untergelaufen.

s Württemb. Inventar If, S. 54. — 4 Württemb. Inventar II, S. 99 ff.
 
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