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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 4.1910/​11

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https://doi.org/10.11588/diglit.22224#0158
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146

piteils aber, die der Verfasser im Abschnitt V
(S. 49) gibt, sind wir nicht einverstanden. Wir
können nicht an eine Komposition aus vier ur-
sprünglich gleichen Flächenbildern glauben, die
sich an den Ecken zu Diagonalvoluten vereinig-
ten. Der antike Künstler gebar ein Gebilde seiner
Phantasie körperlich wie der heutige. Und daher
scheint es uns richtiger, nicht die Voluten und
Spiralen als das Primäre anzusehen, sondern
Blattkranz und Voluten zusammen vom Künstler
zum Schmuck verwendet zu denken. Es muß
einmal einem Künstler des ausgehenden V. Jahr-
hunderts die schöpferische Tat gelungen sein, als
er im Drange nach gesteigerter Schönheit den
Versuch machte, die reichen Rankengebilde, die
sich aus Akanthusblättern und Kelchen an Stelen
und Akroterien (Parthenon; Juno Lacinia, Agri-
gent; Sunion) entwickelten, zur Verzierung eines
Säulenknaufs zu benutzen, wobei ihm vielleicht
eine alte Kelchform die beste Grundform abgab.
Es lag ja in der damaligen Zeit, naturalistische
Formen künstlerisch zu verwerten, im Gegensatz
zur archaischen Zeit, die von der Natur nur die
grolen Bewegungsmotive entnahm, aber das Ve-
getabilische nicht darstellen wollte. Im V. Jahr-
hundert erst begann dieses sich allmählich in
das Ornament einzuschleichen, bis es später zu
einem wichtigen Faktor desselben wurde.

Am korinthischen Kapitell behalten trotz des
Blattkranzes die Banken eine nicht vegetabilische
Form; ein Beweis für das starke Empfinden
griechischer Künstler für klare Bewegungsrich-
tung und Umrifilinie. Erst die Spätzeit verwischt
die scharfe Zeichnung und füllt mit Blattwerk und
anderm Zierat den Raum über dem Akanthuskranz.

Das jonische Diagonal- und das Komposit-
kapitell werden von Noack mit Unrecht sehr ge-
ring geschätzt; beide haben als Ausdruck ihrer
Zeit ihre künstlerischen Beize, und beide haben
bei spätem Neubildungen anregend weitergewirkt.

Noacks Geschichte der antiken Baukunst bietet
mit der Fülle des darin enthaltenen Stoffes viel
Anregung; die eigenartige Zusammenfassung in
geschlossene Abschnitte hat ihren besondern Beiz
für den Leser. Nur darf er nicht unter dem
Titel «Antike Baukunst» eine Darstellung aller

antiken Bauschöpfungen erwarten. Aber mit der
Beschreibung der griechischen und römischen
Architektur gibt uns der Verfasser das Schönste
und Beste, was die alte Welt auf diesem Gebiete
geleistet hat. Noch in unsere Zeit ragt es be-
deutungsvoll herein, und beeinflußt unser Emp-
finden durch seine Gesetze.

Wir begrüßen deshalb die vorzüglich ausge-
staltete und hervorragend vorgetragene Geschichte
der antiken Baukunst als ein willkommenes Ge-
schenk, das unsere Kenntnis und Anschauung
antiker Baukunst bereichert und vertieft. Möge
das schöne Werk viele Freunde gewinnen!

München, 16. Februar 1911. Fiechter.

Das niederländische Architekturbild von
Hans Jantzen. 188 S. 8° mit 65 Tafel-Ab-
bildungen. Leipzig, Klinkhardt & Biermann, 1910.
Brosch. M. 12, geb. M. 14.

Ein Spezialgebiet der niederländischen Malerei,
das Architekturbild als Baumproblem und inner-
halb dieses weiter gespannten Bahmens mit be-
sonderer Ausführlichkeit das Kirchenstück, wird
von Hans Vredeman de Vries bis Emanuel de
Witte systematisch behandelt. Der Wandel, der
sich hier in der Lösung der perspektivischen
Aufgaben vollzogen hat, ist gut beobachtet und
klar erläutert. Auf die in den Bildern darge-
stellte Architektur selbst ist nicht eingegangen. H.

Chronik.

Prof. Dr. Otto Puchstein, Generalsekretär
bei der Zentraldirektion des Kaiserl. Archäolog.
Instituts in Berlin, ist im 55. Lebensjahre ge-
storben. Auf sein Lebenswerk werden wir aus-
führlich zurückkommen. Zum Nachfolger Puch-
steins ist Prof. Dr. Dragendorff von Frankfurt
a. M. ausersehen. Ferner sind gestorben in Berlin
der Ordinarius der Archäologie Prof. Dr. Kekule
v. Stradonitz und in München der Ordinarius
für Kunstgeschichte Prof. Dr. Berthold Riehl.
In Marburg beabsichtigt der Archäologe Prof.
Dr. v. Sybel und in Göttingen der Kunsthistoriker
Prof. Dr. Robert Vischer vom Lehramt zurück-
zutreten.

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