Die zweite Kirche in Cluni und die Kirchen in Hirsau.
0
kireben, ein Teil des Chors in das Langhaus vorgeschoben ist, geht dieser Einklang
verloren; die liturgische Grenze findet in der natürlichen Einteilung des Gebäudes keinen
Ausdruck mehr. Um diesem Mangel abzuhelfen, sind in St. Peter in Hirsau die Pfeiler
und Bögen, die das Querschiff vom Langhaus scheiden, eine Arkade weiter westlieh
wiederholt und so der kleine Chor und die beiden Endjoche der Seitenschiffe vom
Körper des Langhauses losgetrennt. Die hierzu nötigen ßauglieder sind in geschickter
Weise aus der Konstruktion der Chortürme abgeleitet.
Mit den älteren Bauten zusammengehalten stellt St. Peter eine fortgeschrittenere
Phase des cluniazensischen Kirchenbaus dar. In Romainmotier war schon durch die
weite Pfeilerstellung des Schiffs eine so augenfällige Abgrenzung des kleinen Chors aus-
geschlossen. In der Säulenbasilika Limburg a. H. fehlt mit dem Abscblußpfeiler auch
der Schwibbogen vor der Vierung; dasselbe ist von Cluni selbst vorauszusetzen, das in
der Turmanlage der Osthälfte ohne Zweifel mit Limburg übereinstimmte. Man könnte
auf die Vermutung kommen, daß am Anfang des 11. Jahrhunderts dem cluniazensischen
Kultus die Unterscheidung des großen und kleinen Chors noch fremd war, zumal da
sie in den CF noch nicht vorkommt, ein argumentum ex silentio, dem ich freilich an-
gesichts der in diesen Dingen sehr kurzen Fassung dieser Quelle nicht viel Gewicht bei-
legen möchte. Jedenfalls seit die Unterscheidung fest durchgeführt war und der kleine
Chor seinen regelmäßigen Platz im östlichen Langhaus hatte, war den cluniazensischen
Baumeistern die Aufgabe gestellt, aus dieser liturgischen Einrichtung die architekto-
nischen Konsequenzen zu ziehen und die Zugehörigkeit des kleinen Chors zur Mönchs-
kirche durch die bauliche Gestaltung auszudrücken. Die Lösung des Problems durch
seine Kombinierung mit der Glockenturmfrage1 wird im Stammland des Ordens gefunden
worden sein, wo die Anordnung eines Turmpaars zwischen Lang- und Querhaus schon
vorher üblich war. Aus Burgund wird dann Wilhelm die fertige Form auf sein neues
Münster übertragen haben.
Nun wird auch eine auffällige Erscheinung an vielen Werken der Hirsauer Schule
verständlich. Jener Langhauspfeiler statt der Säule oder in Pfeilerbasiliken der ver-
stärkte statt des gewöhnlichen Pfeilers, sowie der Schwibbogen und die Tonne treten
auch da auf, wo keine Seitentürme vorbanden waren, der Pfeiler also keine vermehrte
Last zu tragen, der Bogen und das Gewölbe nichts zur Festigkeit des Gebäudes bei-
zusteuern hatte. Und zwar finden sich diese scheinbar überflüssigen Elemente teils ver-
einzelt, teils vereinigt.2 Dehio3 führt diese Ungereimtheit auf Planänderungen während
des Baus zurück. Das mag hie und da zutreffen, im ganzen sind es der Fälle doch zu
viele, darunter solche wie Kleinkomburg4, das offensichtlich ein Werk aus einem Guß
ist. Bär (Hirs. Bauschule, S. 93 und 124) verzichtet eigentlich auf eine Erklärung, wenn
1 Data das keine einwandfreie Lösung war, leuchtet ein. Die Aufgabe war überhaupt unlösbar; der
Fehler lag am Übergreifen des Chors auf das Langhaus.
2 Z. B. Pfeiler statt Säule ohne Bogen in Alpirsbaeh, Kleinkomburg, Schaffhausen, Schwarzach. Ver-
stärkter Pfeiler mit Bogen in Petersberg bei Erfurt. Gleichartiger Pfeiler mit Bogen in St. Paul im Lavant.
Pfeiler statt Säule mit Bogen und Tonne in Heilsbronn und Kastel. Verstärkter Pfeiler mit Bogen und
Kreuzgewölbe in St. Michael in Bamberg.
3 Im Handbuch: Alpirsbaeh, Bamberg St. Michael, Heilsbronn.
4 Hager (rom. Kirchenbaukunst, Schwabens, S. 30) und Gradmann (Württemb. Inventar, Jagstkreis I,
S. «37) sagen, der Pfeiler vor der Vierung statt der Säule sei hier konstruktiv begründet, durch den Vie-
rungsturm. Ich kann diese Erklärung nicht für genügend halten.
Zeitschrift, für Geschichte der Architektur. IV, £
0
kireben, ein Teil des Chors in das Langhaus vorgeschoben ist, geht dieser Einklang
verloren; die liturgische Grenze findet in der natürlichen Einteilung des Gebäudes keinen
Ausdruck mehr. Um diesem Mangel abzuhelfen, sind in St. Peter in Hirsau die Pfeiler
und Bögen, die das Querschiff vom Langhaus scheiden, eine Arkade weiter westlieh
wiederholt und so der kleine Chor und die beiden Endjoche der Seitenschiffe vom
Körper des Langhauses losgetrennt. Die hierzu nötigen ßauglieder sind in geschickter
Weise aus der Konstruktion der Chortürme abgeleitet.
Mit den älteren Bauten zusammengehalten stellt St. Peter eine fortgeschrittenere
Phase des cluniazensischen Kirchenbaus dar. In Romainmotier war schon durch die
weite Pfeilerstellung des Schiffs eine so augenfällige Abgrenzung des kleinen Chors aus-
geschlossen. In der Säulenbasilika Limburg a. H. fehlt mit dem Abscblußpfeiler auch
der Schwibbogen vor der Vierung; dasselbe ist von Cluni selbst vorauszusetzen, das in
der Turmanlage der Osthälfte ohne Zweifel mit Limburg übereinstimmte. Man könnte
auf die Vermutung kommen, daß am Anfang des 11. Jahrhunderts dem cluniazensischen
Kultus die Unterscheidung des großen und kleinen Chors noch fremd war, zumal da
sie in den CF noch nicht vorkommt, ein argumentum ex silentio, dem ich freilich an-
gesichts der in diesen Dingen sehr kurzen Fassung dieser Quelle nicht viel Gewicht bei-
legen möchte. Jedenfalls seit die Unterscheidung fest durchgeführt war und der kleine
Chor seinen regelmäßigen Platz im östlichen Langhaus hatte, war den cluniazensischen
Baumeistern die Aufgabe gestellt, aus dieser liturgischen Einrichtung die architekto-
nischen Konsequenzen zu ziehen und die Zugehörigkeit des kleinen Chors zur Mönchs-
kirche durch die bauliche Gestaltung auszudrücken. Die Lösung des Problems durch
seine Kombinierung mit der Glockenturmfrage1 wird im Stammland des Ordens gefunden
worden sein, wo die Anordnung eines Turmpaars zwischen Lang- und Querhaus schon
vorher üblich war. Aus Burgund wird dann Wilhelm die fertige Form auf sein neues
Münster übertragen haben.
Nun wird auch eine auffällige Erscheinung an vielen Werken der Hirsauer Schule
verständlich. Jener Langhauspfeiler statt der Säule oder in Pfeilerbasiliken der ver-
stärkte statt des gewöhnlichen Pfeilers, sowie der Schwibbogen und die Tonne treten
auch da auf, wo keine Seitentürme vorbanden waren, der Pfeiler also keine vermehrte
Last zu tragen, der Bogen und das Gewölbe nichts zur Festigkeit des Gebäudes bei-
zusteuern hatte. Und zwar finden sich diese scheinbar überflüssigen Elemente teils ver-
einzelt, teils vereinigt.2 Dehio3 führt diese Ungereimtheit auf Planänderungen während
des Baus zurück. Das mag hie und da zutreffen, im ganzen sind es der Fälle doch zu
viele, darunter solche wie Kleinkomburg4, das offensichtlich ein Werk aus einem Guß
ist. Bär (Hirs. Bauschule, S. 93 und 124) verzichtet eigentlich auf eine Erklärung, wenn
1 Data das keine einwandfreie Lösung war, leuchtet ein. Die Aufgabe war überhaupt unlösbar; der
Fehler lag am Übergreifen des Chors auf das Langhaus.
2 Z. B. Pfeiler statt Säule ohne Bogen in Alpirsbaeh, Kleinkomburg, Schaffhausen, Schwarzach. Ver-
stärkter Pfeiler mit Bogen in Petersberg bei Erfurt. Gleichartiger Pfeiler mit Bogen in St. Paul im Lavant.
Pfeiler statt Säule mit Bogen und Tonne in Heilsbronn und Kastel. Verstärkter Pfeiler mit Bogen und
Kreuzgewölbe in St. Michael in Bamberg.
3 Im Handbuch: Alpirsbaeh, Bamberg St. Michael, Heilsbronn.
4 Hager (rom. Kirchenbaukunst, Schwabens, S. 30) und Gradmann (Württemb. Inventar, Jagstkreis I,
S. «37) sagen, der Pfeiler vor der Vierung statt der Säule sei hier konstruktiv begründet, durch den Vie-
rungsturm. Ich kann diese Erklärung nicht für genügend halten.
Zeitschrift, für Geschichte der Architektur. IV, £