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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 4.1910/​11

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https://doi.org/10.11588/diglit.22224#0050
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38 Literatur.

bauten, und hier würden wir eine sorgfältige und gewaltige, plumpe Steinbalken des dorischen

abschließende Untersuchung der in Frage kom- Baues!

menden Stylobate den ergebnislosen Debatten wohl Der Abschnitt über Stadtmauern leidet be-
vorziehen. — Recht sonderbar mutet es uns an, sonders unter dem geschichtlichen Durcheinander
wenn heute noch an dieser Stelle (S. 123) in und ist völlig ungeeignet, einen klaren Überblick
einem ernsten wissenschaftlichen Werk die alte über die Entwicklung, oder auch nur über eine
Redensart: «die drei gewöhnlichen Feinde der Phase des griechischen Mauerbaues zu geben,
antiken Kunst: Türken, Engländer (?) und Schieß- Es ist durchaus nicht wenig, was hier an Mate-
pulver», wenn auch als Zitat, wiederholt wird, rial gebracht wird, aber alles geht verloren in-
Wir haben längst eingesehen, daß wir gerade Lord folge der ungeordneten Zusammenstellung. Zu
Elgin die Erhaltung der herrlichsten griechischen betonen ist, daß weitaus der größte Teil der hier
Tempelskulpturen zu verdanken haben, und wenn erwähnten Maueranlagen der hellenistischen Zeit
er dabei nicht mit der heute selbstverständlichen angehört, auch Magnesia am Mäander, Priene,
Vorsicht zu Werke gegangen ist, so liegt es an Pästum und Assos; wohl auch der größte Teil
der Anschauung der damaligen Zeit, in der ein der akarnanischen und ätolischen Mauern dürfte
jeder Andere wohl ebenso gehandelt haben würde. aus dieser Epoche stammen, wo diese Völker-
Ein auffallender logischer Fehler unterläuft gruppen eigentlich erst in das politische Leben
dem Verfasser bei der Besprechung der Eng- und eintraten. Architektonisch ausgebildet (S. 208)
Weitstellung der Säulen und der sich daraus er- sind hellenistische Mauern und Türme, vielleicht
gebenden Architravspannweiten (S. 159 fg.). Es mit alleiniger Ausnahme von Perge, ebensowenig,
kommt ja durchaus nicht nur auf die absolute wie die älteren, und an Gurt- und Giebelgesimse,
Länge der Architrave von Stoß zu Stoß an, son- Kämpferprofile und dergleichen ist gar nicht zu
dem auf das Verhältnis ihrer lichten Spannweite denken; die vorhandenen Reste beweisen im
zu den übrigen Abmessungen. Ein Blick auf die Gegenteil, daß die Befestigungsanlagen reine Nutz-
Abbildung 133 erklärt das zur Genüge: bei glei- bauten waren, höchstens daß das eine oder das
chem Achsenabstand sind die weitgestellten Säulen andere besonders wichtige Straßentor architekto-
scblanker, die Architrave entsprechend niedriger nische Zierglieder aufweist. Ein Wehrgang ist
und schmaler, die Auflager kleiner, seine Trag- dagegen ein unbedingtes Erfordernis einer jeden
fähigkeit ist infolgedessen in ganz anderem Maße Mauer (S. 209), aber Zinnen sind meines Wissens
in Anspruch genommen, und man ist sehr wohl bei griechischen Mauern bisher nur in Messene
dazu berechtigt, in diesem Falle von einer große- nachgewiesen; in Tirynth (Abbildung 184) sind
ren Kühnheit der Konstruktion zu sprechen. — sie nicht erhalten und beruhen lediglich auf Er-
Derselbe Fehler läßt sich auch bei dem später gänzung. Ihre Stelle vertritt vielmehr in helle-
durchgeführten Vergleich zwischen der dorischen nistischer Zeit überall, wo noch etwas vom Ober-
und jonischen Säulen Stellung (S. 291) feststellen. bau der Mauer erhalten ist, auch bereits in der
Selbstverständlich hat nicht eine jede jonische Messene zeitlich am nächsten stehenden Tendenz
Säulenstellung entferntere Stützen und leichtere Eleutherä, eine durchgehende Schutzmauer mit
Epistylia als ein beliebiger dorischer Bau, und Schießscharten. — Zum Teil beruhen die hier
das Gebälke des mittleren Durchgangs der athe- vorkommenden Inkorrektheiten auf mangelhaften
nischen Propyläen ist eine Ausnahme, die sich Beobachtungen der Gewährsleute: die von Texier
jeglicher jonischer Architektur, was Malerialbe- abhängige Beschreibung der Stadtmauer von Assos
anspruchung anbetrifft, unbedingt an die Seite (S. 21 l)enthält eine ganze ReiheUngenauigkeiten.
stellen kann. Hingegen lehrt gerade die zuge- Die Stärke der Mauer, die sich übrigens durchaus
hörige Abbildung 262, worauf es ankommt: die von den übrigen hellenistischen Mauern unter-
Säulen vom Apollontempel in Korinth und die scheidet, beträgt nicht 385, sondern 220 m; die
Innensäulen der Akropolispropyiäen haben zwar Füllung zwischen den Schalen aus Bruchstein
fast genau den gleichen Achsenabstand, doch um mit Lehmmörlel ist gerade das übliche bei Stadt-
wieviel kühner und leichter überspannt der joni- mauern, wie es auch an anderer Stelle (S. 209)
sehe Architrav das Interkolumnium, als der ausdrücklich gesagt ist (S. 211, ist die Stelle Thu-
 
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