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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 4.1910/​11

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Stiehl, Otto: Das Rathaus zu Frankfurt an der Oder
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https://doi.org/10.11588/diglit.22224#0123
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Das Rathaus zu Frankfurt an der Oder. 111

wieder in den Teilungsbogen ganz streng gezeichnete Dreipaßformen zu kleineren
Rosen vereinigt.

Eine Erklärung für diese sonderbare Mischung von Formen verschiedener Zeit
ist am ehesten wohl so zu finden, daß man annimmt, diese Nordfront sei zunächst in
einem Zuge nach dem ursprünglichen Bauplan hochgeführt worden und in ihren
Maßwerken des ersten Obergeschosses schon vollendet gewesen, als man am Süd-
giebel sich zu veränderter Ausführung der Maßwerkteilungen entschloß. Dafür, daß
der Nordgiebel dem übrigen in der Ausführung etwas vorangegangen ist, spricht der
Umstand, daß mehrfach an ihm Werkstein als Baustoff verwendet wurde, der im
übrigen am Bau nicht vorkommt. Der Bau könnte dann so ausgesehen haben, wie
ihn unsere Abbildung 9 darstellt.
Die wesentlich großartigere und
schönere Wirkung der am Süd-
giebel gewählten Anordnung würde
dann die Veranlassung gegeben
haben, daß man etwa ein oder zwei
Menschenalter nach der .ersten
Bauzeit an unserem Nordgiebel die
kleinlichere Maßwerkteilung besei-
tigt und sie durch die am Südgiebel
erprobte Gliederung ersetzt hätte.
Ausgeschlossen wäre es nicht, daß
diese Änderung gleichzeitig mit dem
Umbau des Erdgeschosses und dem
Aufbau des ersten Glockentürm-
chens erfolgt ist.

Lange Ruhe hat aber der Bau
auch nach diesen wiederholten Ver-
änderungen nicht genossen. Auf
einer im städtischen Archiv erhal-
tenen Aufnahmezeichnung, die im
Jahre 1827 vom Regierungskon-
dukteur Benemann gefertigt wor- Abbildung 9. Nordgiebel. Versuch der Wiederherstellung

i • , , des ersten Bauzustandes.

den ist, sehen wir der ganzen

westlichen Langseite eine Reihe von Verkaufsbuden („Scharren") angelehnt,
die mit quer gegen den Hauptbau gerichteten Satteldächern abgedeckt und an
deren Vorderseite mit zierlichen Renaissancegiebelchen abgeschlossen waren. Vergl.
Abbildung 10. Vier ähnliche Giebelbauten befanden sich nebst einem Eingangstor
an der Nordseite. An. der Nordostecke schloß sich ein zweigeschossiger Anbau, im
Erdgeschoß weitere zwei Scharren enthaltend, an. Die Giebelformen gleichen ganz
denen des noch erhaltenen Archivanbaues; wir werden demnach nicht fehlgehen, wenn
wir annehmen, daß alle diese Teile gleichzeitig entstanden sind. Die Formen der in

dieser M.ißwerkreste die dort aus einigen Bruchstücken erschlossene Form der Rose nachträglich gerecht-
fertigt hat, denn sie zeigen ebenfalls die Abwechslung von Dreipässen und Vierpässen als Hauptmotiv am
Umfang des Ganzen entlang geführt.
 
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