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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 4.1910/​11

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Stiehl, Otto: Das Rathaus zu Frankfurt an der Oder
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https://doi.org/10.11588/diglit.22224#0133
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Formenpracht und Farbenwirkung des bis dahin ziemlich wohlerhaltenen Baues legten.
Dabei trat keinerlei eigener architektonischer Gedanke an die Stelle des Zerstörten,
sondern das Ganze wurde möglichst in die nüchterne platte Alltäglichkeit hinabge-
zogen, ein Denkmal der dummstolzen Überhebung, mit welcher ein wenig gebildeter
ausländischer Meister unter dem Einfluß antikisierender Bildungsgedanken den Werken
der heimischen mittelalterlichen Kunst gegenüberstand. Von guter Wirkung sind nur
die Strebepfeilerkrönungen. Sie verraten mit ihrer Häufung derber Putzgesimse sicht-
lich den Einfluß der Architekturauffassung, die sich unter dem Einfluß italienischer
Architekturen in slavisch-polnischen Landen ausgebildet hatte. Sie sind der Massen-
wirkung und dem Umriß des Ganzen so gut eingepaßt, daß sie aus der Trostlosig-
keit des übrigen angenehm herausfielen.

Eine weitere Schädigung erfuhr der Eindruck des Bathauses dann dadurch, daß
seiner ganzen Ostseite ein Baublock vorgelegt wurde, so daß es die stolze Selbstän-
digkeit der Erscheinung einbüßte. Die ganze Häuserreihe zeigt zum Teil in recht guter
Durchbildung die Formen der Zopfzeit. Neben zwei schmalen Zweifensterhäusern
umfaßt sie fünf etwas größere Häuser. Den Ursprung dieser Häuserreihe werden wir
nicht wie so oft in alten an das Bathaus angebauten Verkaufsständen sehen können,
dazu ist die Tiefe der Grundstücke mit 16 m zu bedeutend. Es liegt hier vielmehr
wahrscheinlich der Fall vor, daß man planmäßig einen Teil des übergroßen Markt-
platzes zu Hausstellen verkauft hat. Wann dies geschah, ist unbekannt, doch deutet
das Vorhandensein der schmalen Zweifensterhäuser darauf, daß dieser Vorgang sich
schon in mittelalterlichen Zeiten vollzogen hat.-

Trotz der erlittenen Verstümmelung und teilweisen Schädigung durch die Nachbar-
schaft hochgeführter Wohnhäuser muß das Bathaus doch besonders von Nord- und
Südwesten her mit den zierlichen Anbauten der niederen Verkaufsscharren einen
sehr malerischen Anblick gewährt haben. Leider ist auch hier durch den nüchternen
Geist des 19. Jahrhunderts gründlich aufgeräumt worden. Erst nach der Aufnahme
des in Abbildung 10 wiedergegebenen Blattes hat man kurzerhand diese Anbauten
des 16. Jahrhunderts bis auf den mehrgeschossigen Archivbau beseitigt, wahrschein-
lich um den Batskeller besser nutzbar zu machen. Nackt und kahl steht nun die
westliche Längsfront da. Die alte sinngemäße Gliederung der Kaufhausfront ist zer-
stört und durch die Wölbung des Inneren endgültig beseitigt, eine neue Architektur
kann sich wegen der planlos eingefügten Stützpfeiler nicht entwickeln, eine solche
Front ist reif dafür, mit Epheu oder wildem Wein berankt zu werden. Eine photo-
graphische Aufnahme aus der ersten Hälfte der sechziger Jahre vorigen Jahrhunderts,
die Herr Dr. Jung bei der Verzeichnung der Kunstdenkmäler letzthin aufgefunden hat,
liefert den Nachweis, daß diese Verstümmelung erst frühestens um 1865 erfolgt ist. Gleich-
zeitig damit hat man einen kraftlosen Versuch unternommen, das Gebäude zu «ver-
schönern», indem man das schlichte Untergeschoß des Südgiebels mit einer Fortsetzung
der an den Eckstreben vorhandenen Giebelstellung verzierte. Dazu wurde die Mittel-
öffnung zwischen den Eingängen, die bei der Wölbung des Inneren bereits in der hinteren
Flucht der Giebelmauer geschlossen worden war, nun auch bündig mit der Außen-
seite des Giebels vermauert, kleine Pfoilerchen wurden dem alten Mauerwerk vor-
geblendet und mit Zementabgüssen der am Nordgiebel vorhandenen Köpfe bekrönt,
auch das Maßwerk der kleinen Bosen, die man den Giebelfeldern einfügte, wurde in
 
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