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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 4.1910/​11

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Weise, Georg: Die ehemalige Abteikirche von St. Trond
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https://doi.org/10.11588/diglit.22224#0140
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128 Georg Weise.

Hauptapsis. Die Ausdehnung des ursprünglichen Chores nach Westen läßt sich aus
368, 5ff. ziemlich sicher feststellen.1 Er begann am westlichen Bogen der späteren Vierung
und erstreckte sich nach Westen bis einschließlich der eine Menschenlänge breiten «Ebene»,
die sich vor der Kapelle des hl. Trudo befand. Es entsteht die Frage, was mit dieser Ebene
gemeint ist. Wir erfahren 297, 87, daß man durch zwei Eingänge zu dem Grab der beiden
Heiligen Eucherius und Trudo gelangte, und daß zwei eiserne Türen vor dem Altare
das Volk von den Brüdern schieden.2 Ich möchte annehmen, daß sich zwischen diesen
Türen und den Stufen, die wohl sicherlich von dem chorus minor in das Schiff hinab-
führten, diese Ebene befand. Da der westliche Rand dieser vor dem chorus psallentium
gelegenen Ebene wohl zwischen dem zweiten Pfeilerpaare des Langhauses gelegen haben
wird, so dürften wir uns das ursprüngliche cancellum an der Stelle des späteren ersten
Langhausjoches zu denken haben.

Wir hören dann 368, 2 weiter von der ursprünglichen Anlage: Ibi (im cancellum)
ipse (der hl. Trudo) primum altare in honore sanctorum Quintini et Remigii consecratum
fundavit, post quod processu temporis psallentium choro constructo, reliqua pars structure
ordinata fuit, quo navis ecclesie cum sibi coherentibus absidis dici potuit. Es schloß
sich also auch in dem älteren Bau westlich an das cancellum ein chorus psallentium an.
Ein besonderer chorus stallatus fehlte hier noch. Über die Lage der beiden Apsiden,
die, wie oben erwähnt, von dem älteren Bau in den neuen übernommen wurden und
dort in ganz ungewöhnlicher Weise seitlich über die Seitenschiffe hinausragten, läßt
uns die Stelle im Unklaren. Es scheint so, als ob der Verfasser, der den ursprüng-
lichen Bau nicht mehr selbst gesehen hatte, keine genaue Vorstellung davon hatte, wie
sie dort angeordnet waren, und sie daher dort ebenfalls wie an dem späteren Bau
seitlich an dem Schiff der Kirche angebracht sein läßt. Das kann aber wohl schwerlich
bei dem ursprünglichen Bau ihre Lage gewesen sein. Es wäre dies eine Gestaltung
des Grundrisses, für den sich im ganzen abendländischen romanischen Kirchenbau
kein zweites Beispiel anführen ließe.

Suchen wir zunächst ihre Lage näher zu bestimmen. Wir haben bereits oben die
Stelle 385, 31 besprochen, in der berichtet wird, daß da, wo die beiden Apsiden an das
östliche Querhaus grenzten (ubi manicis anterioris crücis iungebantur), sich zwei Türme
befanden, die beiden westlichen Türme des östlichen Querhauses. Diese müssen in dem
Winkel zwischen Querhaus, Seitenschiffsmauer und jener Apsis gestanden haben, doch
darf man, wie ich glaube, den Wortlaut unserer Quelle hier nicht zu genau nehmen.

non incepit hanc ecclesiam edificare a cancello sanctuarii sub quo nunc continetur cripta, quam Obbertus
Leodiensis episcopus anno Domini 1101 consecravit, sed tantummodo ab illo loco, ubi nunc inter chorum
stallatum et beati Trudonis altare arcus supereminet, partem monasterii anteriorem tanquam caput erexit,
quam ecclesiastico more cancellum et sanctuarium appellavit.

1 368, 12. De loco prefati et veteris sanctuarii est sciendum, quod illud extenditur ab arcu, qui est
sursum retro capellam sancti Trudonis (dem westlichen Bogen der Vierung) usque ad planieiem, que est
ante ipsam capellain (ich lasse hier das Komma hinter capellam fort) ad longitudinem humane quasi stature.
inclusive. Der Chronist gebraucht hier zweimal retro im Sinne von «weiter östlich», obwohl sonst meist
mit post und posterior (vergl. 385, 31 und 385, 14) die weiter nach Westen gelegenen Bauteile bezeichnet
werden. Doch scheint aus der Angabe der Lage des ursprünglichen Chores (368, 5 ff.) deutlich hervor-
zugehen, daß hier mit retro nur eine östliche Lage gemeint sein kann.

2 Per duo utrimque ostiola introitus erat per minorem chorum ad altare et sepulchra sanctorum,
valvis duabus ferreis ante altare intercludentibus populum et fratres, si quando cantatum aut oratum procederc
vellent manifeste aut occulte ad altare et corpora sanctorum.
 
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