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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 4.1910/​11

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Pomtow, Hans: Die beiden Tholoi zu Delphi
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https://doi.org/10.11588/diglit.22224#0225
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Die beiden Tholoi zu Delphi. 213

dem die Reste der vollständigen Vorhalle eines abgebrochenen Prostylos, dessen fehlende
Wandquadern anderweitig verwendet sein müssen, da sie im jetzigen Sikyonfundament
weder zu sehen sind, noch vorhanden sein können.

9. Standort, Alter und Stifter des Prostylos.

Es wird sich in Teil IV herausstellen, daß die alte Tholos ein städtisches Gebäude
war, also weder von Kleisthenes von Sikyon noch von sonst jemand geweiht sein kann.
Andererseits war oben S. 174, Anm. 1, gezeigt, daß sie an dem Orte oder in seiner un-
mittelbaren Nachbarschaft gestanden hat, wo ihre Fundamente und Reste verbaut sind.
Beides wirkt auf unseren Rechteckbau zurück und legt folgende Vermutungen nahe. Keines
der zahlreichen Thesauros-Fundamente des Temenos kann unseren Prostylos getragen
haben, selbst wenn man ihm die sehr seltene ungerade Frontsäulenzahl zusprechen und
dadurch seine 4 Säulen auf 5 erhöhen wollte. Denn nirgends stimmen die Frontbreiten
4,13 (2 Architrave zu 1,43 -f- 1 Arcbitrav zu 1,27), bzw. 5,40 zu den Maßen der in Be-
tracht kommenden Unterbauten.1 Daher scheint es geboten, in Anknüpfung an die in
Bd. III, S. 122 gegebenen Erwägungen jetzt vielmehr zu folgern, daß bei der Errichtung
des späteren Sikyonhanses die Uberreste des alten städtischen Rundbaues, der ebendort
stand und gleichzeitig abgebrochen wurde, von der ttöXic; tojv AeXcpujv den Sikyoniern
zum Verbauen in ihre Fundamente überlassen wurden, daß also die Wahrscheinlichkeit
sikyonischer Herkunft von der Tholos übergeht auf die Überreste des Prostylos, und daß
seine ganz verschwundenen Wandquadern zu dem Neubau des Thesauros mitverwendet
worden sind.

Darnach wäre nicht die Tholos, sondern der alte Rechteckbau als Thesauros
des Tyrannen Kleisthenes zu betrachten und alle in Bd. III, S. 122 und 126 für
diesen Bauherrn zusammengestellten chronologischen und sonstigen Indizien behalten
ihre Gültigkeit, gelten aber dem kleinen, zierlichen Prostylos. Als er den späteren
Ansprüchen an Raum und Größe nicht mehr genügte, wurde er abgetragen, dasselbe
geschah mit der benachbarten Tholos und, wie an anderer Stelle gezeigt werden wird,

1 Besonders bedauerlich ist diese Unstimmigkeit für das sogenannte Th e b an er- Fundament; denn
da durch unsere neuen Untersuchungen bestätigt wird, daß der spätere Thebaner-Thesauros auf das sogen.
Liparaeer-Fundament gehört, wird ersteres herrenlos und war schon Bd. Iii, S. 122 mit unserem Rechteckbau
in Verbindung gebracht. Sein Material (gelblicher Porös) und die alten Graffiti seiner Quadern, die Wand-
dicke (50 cm) der Fundamentlagen, die relativ frühe Verschüttung der letzteren, die örtliche Nähe — alles
würde für unsem Prostylos vorzüglich passen, aber die Breite des in situ befindlichen Westfundaments be-
trägt 5,19, ist also für unsere 4 Säulen zu groß, für 5 zu klein. Auch scheint dieser Bau keinen Pronaos
gehabt zu haben, da kein Thürwandfundament zu erkennen ist. — Auch das von uns dem Knidierhause
zugewiesene Fundament würde zwar in der Breite seines älteren Porosteiles passen können; sie beträgt
ca. 4,20, während die später angefügte Kalkstein - Südwand sie auf 5,50 erhöht, also etwa auf 5 Säulen
wiese, — aber es kann unmöglich schon seit 400 v. Chr. verschüttet und unbenutzt gewesen sein, da die
Proxeniedekrete seiner Südwand (für Megarer) dem III. Jahrhundert angehören. Andererseits bleibt für den
Knidier-Thesauros kein anderer Grundbau verfügbar und jener wurde schon 545—540 errichtet. — Das
Potidaea-Fundament ist 4,48 breit, also für unsere 4 Säulen zu groß, für 5 zu klein, das von Caere-
Agylla mit 3,76 zu klein, der verschüttete Westbau (westlich der großen Polygonmauer) mit 6,11 zu groß,
desgleichen das Syrakusan er haus (6,05). Endlich ist das sehr alte Brockenfundament, südöstlich gegen-
über dem Athener-Sehatzhaus, mit 5,18 Breite für 5 Säulen zu klein, auch kann es wegen seiner lehm-
gefüllten Fugen keinen Quaderbau gelragen haben. Und so geht es bei den übrigen Fundamenten weiter,
die aufzuzählen unnötig erscheint.

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