Literatur.
Es darf doch nicht vergessen werden, daß
jede Wissenschaft, auch diejenige der Philo-
logen und Archäologen, dem Gedankenflug ein-
zelner, die Schranken pedantischer Zunftgelehr-
samkeit durchbrechender Geister oft sehr viel zu
danken hat. Da nun aber Sturm und Drang als
Vorrecht der Jugend dieser nicht gepredigt wer-
den braucht und das Buch sich in erster Linie
an die Jugend wendet, so mag die eindringliche
Warnung vor uferlosen Hypothesen und die Mah-
nung zur Erforschung exakter Erkenntnisse für
ein Lehrbuch nicht unzweckmäßig sein. II.
Geschichte der christlichen Kunst von
Franz Xaver Kraus. Zweiter Band : Die Kunst
des Mittelalters und der italienischen Renaissance.
Zweite (Schluß-) Abteilung. Italienische Renais-
sance. Zweite Hälfte. Fortgesetzt und heraus-
gegeben von Joseph Sauer. S. 288—768.
Lex.-8° mit Titelbild in Farbendruck, 187 Ab-
bildungen und einem Register zum ganzen Werke.
Freiburg i. B. 1908. Herder'sche Verlagshandlung.
19 Mk.
Daß die Kunstwissenschaft ein so gewaltiges
Werk des zu früh Entrissenen nicht als Torso
liegen lassen durfte, ist selbstverständlich. Der
schwierigen Aufgabe hat sich der Nachfolger von
Kraus auf dem Freiburger Lehrstuhl mit Takt
und Geschick entledigt. Während die ersten Ka-
pitel im Manuskript vollendet und nur auf den
neuesten Stand der Literatur zu ergänzen waren,
standen für den Hauptteil nur flüchtige Skizzen
und für den Schlußteil, auch für die nordische
Renaissance, Barock und Rokoko und die Kunst
des 19. Jahrhunderts, nur eine die Kapitelüber-
schriften gebende Disposition zur Verfügung. Das
Weglassen dieser letzteren Kapitel, mit welchen
unter dem Namen von Kraus eine in jeder Hin-
sicht fremde Arbeit hätte geboten werden müssen,
scheint wohl begründet, so interessant es auch
gewesen wäre, gerade hier, trotzdem Kraus zu
diesen späteren Kunstschöpfungen nicht mehr
in einem inneren und näheren Verhältnis stand,
von seiner hohen Warte aus einen Rück in dieses
Neuland zu werfen. Das Vorwort zum vor-
liegenden Schlußband birgt einen warmempfun-
denen Nachruf für Kraus. II.
Der Garten. Eine Geschichte seiner künst-
lerischen Gestaltung von August Grisebach.
126 S. 8° mit 5 Abbildungen im Text und 88 Ab-
215
bildungen auf Tafeln. Leipzig o. J. Klinkhardt &
Biermann. Brosch. 10 Mk., geb. 12 Mk.
Es war ein zeitgemäßes Unternehmen, aus
dem wuchtigen Stamm der meist fremdsprachigen
älteren und neueren Literatur den zum Verständ-
nis der Gartenkunst notwendigen und für die ge-
samte Kunst- und Kulturgeschichte wertvollen Kern
herauszuschälen. Straffe Stoffanordnung und Be-
schränkung auf das Allernotwendigste sind Vor-
züge der auf gesundem ästhetischen Urteil be-
ruhenden hübsch ausgestatteten Arbeit. H.
Die Kirchenbauten der deutschen Je-
suiten. Ein Beitrag zur Kultur- und Kunst-
geschichte des 17. und 18. Jahrhunderts, von
Joseph Braun S. J. Erster Teil: Die Kirchen
der ungeteilten rheinischen und der niederrhei-
nischen Ordensprovinz. XII und 276 S. 8 °.
Mit 13 Tafeln und 22 Abbildungen im Text.
Freiburg 1908, Herdersche Verlagsbuchhandlung.
4,80 Mk.
Eine ganze Reihe zum Teil wenig bekannter
Ordenskirchen im Westen und Nordwesten
Deutschlands werden beschrieben und datiert.
In der Bereicherung des Denkmälerbestandes und
vielen den Ordensarchiven entnommenen neuen
Beiträgen zur Künstler- und Kulturgeschichte des
17. und 18. Jahrhunderts beruht der wissenschaft-
liche Wert dieser Arbeit. Besondere Beachtung
verdienen dann noch die anregenden Ausführun-
gen über das Knorpelornament. Nicht ganz glück-
lich erscheint mir die Einteilung des Stoffes in
gotische und nichtgolische Kirchen, da trotz des
erstaunlich langen Fortlebens gotischer Formen
das gotische Stilprinzip auch bei den als gotisch
bezeichneten Kirchen des ersten Abschnittes
durchbrochen ist. Eine eigene Sache ist es mit
der Tendenz des Buches. Wie schon in der
früheren Schrift über die belgischen Jesuiten-
kirchen (cf. Heft 6 des I. Jahrgangs der ZGA.)
tritt auch hier der Verfasser mit großer Ent-
schiedenheit der Berechtigung des Wortes «Je-
suitenstil» entgegen, das «ein Name ohne Inhalt,
ein Wort ohne Sinn», eine «Fabel» sei. Und
doch werden mit Nachdruck und mit Recht, aber
im Widerspruch mit dieser Tendenz die Weit-
räumigkeit des Mittelschiffes, das Emporenmotiv,
die Treppentürme mit den Aufgängen zu den
Emporen als architektonische Eigentümlichkeiten
an den behandelten Jesuitenkirchen hervorgeho-
Es darf doch nicht vergessen werden, daß
jede Wissenschaft, auch diejenige der Philo-
logen und Archäologen, dem Gedankenflug ein-
zelner, die Schranken pedantischer Zunftgelehr-
samkeit durchbrechender Geister oft sehr viel zu
danken hat. Da nun aber Sturm und Drang als
Vorrecht der Jugend dieser nicht gepredigt wer-
den braucht und das Buch sich in erster Linie
an die Jugend wendet, so mag die eindringliche
Warnung vor uferlosen Hypothesen und die Mah-
nung zur Erforschung exakter Erkenntnisse für
ein Lehrbuch nicht unzweckmäßig sein. II.
Geschichte der christlichen Kunst von
Franz Xaver Kraus. Zweiter Band : Die Kunst
des Mittelalters und der italienischen Renaissance.
Zweite (Schluß-) Abteilung. Italienische Renais-
sance. Zweite Hälfte. Fortgesetzt und heraus-
gegeben von Joseph Sauer. S. 288—768.
Lex.-8° mit Titelbild in Farbendruck, 187 Ab-
bildungen und einem Register zum ganzen Werke.
Freiburg i. B. 1908. Herder'sche Verlagshandlung.
19 Mk.
Daß die Kunstwissenschaft ein so gewaltiges
Werk des zu früh Entrissenen nicht als Torso
liegen lassen durfte, ist selbstverständlich. Der
schwierigen Aufgabe hat sich der Nachfolger von
Kraus auf dem Freiburger Lehrstuhl mit Takt
und Geschick entledigt. Während die ersten Ka-
pitel im Manuskript vollendet und nur auf den
neuesten Stand der Literatur zu ergänzen waren,
standen für den Hauptteil nur flüchtige Skizzen
und für den Schlußteil, auch für die nordische
Renaissance, Barock und Rokoko und die Kunst
des 19. Jahrhunderts, nur eine die Kapitelüber-
schriften gebende Disposition zur Verfügung. Das
Weglassen dieser letzteren Kapitel, mit welchen
unter dem Namen von Kraus eine in jeder Hin-
sicht fremde Arbeit hätte geboten werden müssen,
scheint wohl begründet, so interessant es auch
gewesen wäre, gerade hier, trotzdem Kraus zu
diesen späteren Kunstschöpfungen nicht mehr
in einem inneren und näheren Verhältnis stand,
von seiner hohen Warte aus einen Rück in dieses
Neuland zu werfen. Das Vorwort zum vor-
liegenden Schlußband birgt einen warmempfun-
denen Nachruf für Kraus. II.
Der Garten. Eine Geschichte seiner künst-
lerischen Gestaltung von August Grisebach.
126 S. 8° mit 5 Abbildungen im Text und 88 Ab-
215
bildungen auf Tafeln. Leipzig o. J. Klinkhardt &
Biermann. Brosch. 10 Mk., geb. 12 Mk.
Es war ein zeitgemäßes Unternehmen, aus
dem wuchtigen Stamm der meist fremdsprachigen
älteren und neueren Literatur den zum Verständ-
nis der Gartenkunst notwendigen und für die ge-
samte Kunst- und Kulturgeschichte wertvollen Kern
herauszuschälen. Straffe Stoffanordnung und Be-
schränkung auf das Allernotwendigste sind Vor-
züge der auf gesundem ästhetischen Urteil be-
ruhenden hübsch ausgestatteten Arbeit. H.
Die Kirchenbauten der deutschen Je-
suiten. Ein Beitrag zur Kultur- und Kunst-
geschichte des 17. und 18. Jahrhunderts, von
Joseph Braun S. J. Erster Teil: Die Kirchen
der ungeteilten rheinischen und der niederrhei-
nischen Ordensprovinz. XII und 276 S. 8 °.
Mit 13 Tafeln und 22 Abbildungen im Text.
Freiburg 1908, Herdersche Verlagsbuchhandlung.
4,80 Mk.
Eine ganze Reihe zum Teil wenig bekannter
Ordenskirchen im Westen und Nordwesten
Deutschlands werden beschrieben und datiert.
In der Bereicherung des Denkmälerbestandes und
vielen den Ordensarchiven entnommenen neuen
Beiträgen zur Künstler- und Kulturgeschichte des
17. und 18. Jahrhunderts beruht der wissenschaft-
liche Wert dieser Arbeit. Besondere Beachtung
verdienen dann noch die anregenden Ausführun-
gen über das Knorpelornament. Nicht ganz glück-
lich erscheint mir die Einteilung des Stoffes in
gotische und nichtgolische Kirchen, da trotz des
erstaunlich langen Fortlebens gotischer Formen
das gotische Stilprinzip auch bei den als gotisch
bezeichneten Kirchen des ersten Abschnittes
durchbrochen ist. Eine eigene Sache ist es mit
der Tendenz des Buches. Wie schon in der
früheren Schrift über die belgischen Jesuiten-
kirchen (cf. Heft 6 des I. Jahrgangs der ZGA.)
tritt auch hier der Verfasser mit großer Ent-
schiedenheit der Berechtigung des Wortes «Je-
suitenstil» entgegen, das «ein Name ohne Inhalt,
ein Wort ohne Sinn», eine «Fabel» sei. Und
doch werden mit Nachdruck und mit Recht, aber
im Widerspruch mit dieser Tendenz die Weit-
räumigkeit des Mittelschiffes, das Emporenmotiv,
die Treppentürme mit den Aufgängen zu den
Emporen als architektonische Eigentümlichkeiten
an den behandelten Jesuitenkirchen hervorgeho-