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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 4.1910/​11

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Haupt, Albrecht: Westgotische Baukunst in Spanien
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https://doi.org/10.11588/diglit.22224#0247
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233

Der hier und in den als rein westgotisch bezeichneten Verzierungen geübte klare
Flachstil ist aber auch an denen orientalischer Zeichnung ganz folgerichtig durchgeführt,
so daß die handwerkliche Ausführung aller Zieraten wohl in einer Hand gelegen haben
dürfte.

Die Kämpferkapitelle des Choreinganges und der Fries im Chor dagegen haben
wieder rein westgotische Kerbschnittverzierung mit Rosetten, Kreuzen, Wellenlinien,
Trauben, und an den Trapezseiten der Säulenkämpfer eine Hufeisen-Bogenstellung
(Abbildung 14).

Von besonderer Eigentümlichkeit ist noch die Umrahmung des Oberteiles der
Chorfenster, die ebenfalls innen den Hufeisenbogen (einerseits weggehauen) zeigen, mit
einem Gitterwerk im Relief, das uns unwillkürlich an arabische Zierweise erinnert; in-
dessen wird dies zufällige Ubereinstimmung sein, wenn nicht die Araber auch dies
Ziermotiv, wie viele andere, von den "Westgoten übernahmen.

Das ganze hoch bedeutsame Bauwerk wird jetzt von dem einzigen lebenden Spanier,
der es untersuchte (Moreno), für westgotisch gehalten, während es bisher als dem 9. oder
10. Jahrhundert angehörig bezeichnet wurde, allerdings von solchen, die nur die ein-
gangs erwähnten Abbildungen in den Monumentos arquitectonicos gesehen hatten.

Ist erstere Ansicht richtig, so haben wir hier das wertvollste noch übrige Bauwerk
jener Baukunst vor uns; schon weil es das eigenartigste und im ganzen auch best er-
haltene ist, während Bafios doch einige schwere Einbußen erlitten hat. —

Nach sorgfältigster Untersuchung des Monuments und nach den vergleichenden
Studien, die ich seit Jahren auf diesem Felde vornahm, bin ich, schon ehe ich Morenos
(resp. Lamperez') Urteil kannte, ebenfalls zu dieser Überzeugung gelangt; und zwar
aus folgenden Gründen:

1. Jene Gegend war nach 711, dem Arabereinfall, dauernd der Schauplatz
erbitterter Kämpfe und wurde erst gegen Anfang des 10. Jahrhunderts
wieder christlich. 902 unter Alfonso dem Großen wird der Ort zum ersten
Male erwähnt, und zwar als Benediktinerabtei. So später Zeit entspricht
der Stil des Bauwerkes aber ganz und gar nicht.

2. Während es sicher ist, daß die spanischen Westgoten bis zum Arabereinbruch
älteres germanisches, auch burgundisches Schnallenwerk, wie es oben ge-
schildert ist, noch im Gebrauch hatten1, so war das im 10. Jahrhundert
ganz ausgeschlossen. Der Schmuckstil hat sich inzwischen völlig geändert
(vergl. die Besitztümer der camara santa zu Oviedo).

3. Der Stil der Reliefs entspricht genau dem der merowingischen und langobar-
dischen des 7. und 8. Jahrhunderts, tritt zuletzt an nordspanischen Bauwerken
der 1. Hälfte des 9. Jahrhunderts auf. (S. Miguel de Lino.)

4. Die Inschrift des Reliefs beweist, daß man den Sinn der Schnallendarstellung
noch völlig verstand, nicht etwa ein zufällig gefundenes oder gerettetes Alter-
tum nachbildete, wie am Portal von S. Miguel de Lino.

5. Die Inschrift zeigt, wie auch Moreno bemerkt, rein westgotische Schriftzüge
ganz wie die von Banos, ist z. B. völlig frei von den Einschachtelungen und
Abkürzungen, die später üblich waren (vergl. die Inschrift Ramiros I. am
Altar zu Naranco von 848).

1 Niich Isidor v. Sevilla.
 
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