S3
Querschiff hinzugefügt habe. — Schnaase1 hält die symbolische Beziehung für neben-
sächlich. — Otte folgert vornehmlich aus dem Grunde, weil die Anordnung des Quer-
schiffs kein strenges Bedürfnis gewesen, daß die Kreuzform schon ursprünglich symbolisch
gemeint gewesen sei. — Das kann natürlich erst von da an geschehen sein, seitdem das
Kreuz häufige symbolische Verwendung fand. Bezeugt ist, daß die Sitte des Sich-
bekreuzigens im dritten Jahrhundert aufkam, und seit Konstantin d. Gr., dem ersten christ-
lichen Kaiser (306—337), welcher die Anfangsbuchstaben Christi in seine Kriegsfahnen auf-
nahm, brachte man das Kreuz als Symbol des Inbegriffs des Christentums überall an;
seitdem auch erst erhielten Kirchen, wie die von Konstantin errichtete Apostelkirche zu
Konstantinopel, Kreuzesform.
Diese Einzelheiten werden aber in den Schatten gestellt durch das fast undurchdring-
liche Gestrüpp der Symbolik des Kirchengebäudes; allenfalls kann man einige Pfade
verfolgen, welche im ungewissen Zwielicht bemerkbar sind:
Der Alte Bund mit seinem Gedankeninhalt und den kultischen Vorschriften, Stifts-
hütte und salomonischer Tempel, ist zur Unterlage für die Symbolik des neuen Glaubens
geworden mit dem himmlischen Jerusalem als seinem Endziel.
Die in der Not der ersten Zeit auferzwungene symbolische Einhüllung der Lehre
hat sich in Liturgie und Kultus immer mehr vertieft und vergeistigt, sie hat in der
Kirchenkunst neue Ausdrucksweisen gefunden. Das Gleichnis von Christus als Grund-
und Eckstein ist von der architektonischen Deutung naturgemäß bis in die äußersten
Spitzfindigkeiten ausgebeutet worden. Das Kreuz wurde immer mehr zum Mittelpunkt
einer Gefühls- und Gedankenwelt, die unübersehbar genannt werden darf.
Die alte Zahlensymbolik wurde teils in überkommener Weise, teils in erneuter
Bedeutung architektonisch ausgenützt und ausgedeutet.
Dazu brachte der Gebrauch des Mittelalters, die Kirche als Museum und Kurio-
sitätensammlung zu benutzen, den Symbolikern reiches Material, und die Künstler fanden
in der Ikonographie der Heiligengeschichte ein großes Stoffgebiet, das vornehmlich alle-
gorisch zu bearbeiten war.
Nicht zu übersehen sind schließlich die verschiedenen Auslegungsmethoden der
Pleiligen Schrift, von denen man neben der wörtlichen die allegorische, tropologische
und anagogische als zu Becht bestehend anerkannte.
Alle diese verschiedenen Strömungen, welche sich kreuzen und vermischen, treten
in der Deutung der kirchlichen Bauteile zutage.
Mitten in der Zeit hoher symbolischer Blüte stehend, hat der Scholastiker Durandus,
gest. 1332, die Auslegungen, welche die Kirchenkunst fand, in großer Keichhaltigkeit
zusammengetragen, und Joseph Sauer2 gibt eine zusammenfassende Darstellung mit tieferer
Begründung und geschichtlicher Entwicklung. Ein kurzer Auszug aus den der sym-
bolischen Deutung unterworfenen Bauteilen dürfte die Vielseitigkeit des Stoffs erweisen:
Bauanlage, Himmelsrichtung, Längs- und Höhenrichtung, rechte und linke Seite, Chor
und Schiff, Grundstein, Baumaterialien, Balken, Decke, äußeres Dach, Türen, Portal,
Fußboden, Fenster, Gitter, Schranken, Krypten, Säulen, Kathedra, Chorstühle, Wendel-
treppe, Waschbecken, Turm und Glocke, Turmknopf, Glockenschlegel und -seil, Hahn,
1 Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter von Karl Schnaase, Düsseldorf 1869.
2 Symbolik des Kirchengebäudes und seiner Ausstattung in der Auffassung des Mittelalters von
Joseph Sauer 1902.
12*
Querschiff hinzugefügt habe. — Schnaase1 hält die symbolische Beziehung für neben-
sächlich. — Otte folgert vornehmlich aus dem Grunde, weil die Anordnung des Quer-
schiffs kein strenges Bedürfnis gewesen, daß die Kreuzform schon ursprünglich symbolisch
gemeint gewesen sei. — Das kann natürlich erst von da an geschehen sein, seitdem das
Kreuz häufige symbolische Verwendung fand. Bezeugt ist, daß die Sitte des Sich-
bekreuzigens im dritten Jahrhundert aufkam, und seit Konstantin d. Gr., dem ersten christ-
lichen Kaiser (306—337), welcher die Anfangsbuchstaben Christi in seine Kriegsfahnen auf-
nahm, brachte man das Kreuz als Symbol des Inbegriffs des Christentums überall an;
seitdem auch erst erhielten Kirchen, wie die von Konstantin errichtete Apostelkirche zu
Konstantinopel, Kreuzesform.
Diese Einzelheiten werden aber in den Schatten gestellt durch das fast undurchdring-
liche Gestrüpp der Symbolik des Kirchengebäudes; allenfalls kann man einige Pfade
verfolgen, welche im ungewissen Zwielicht bemerkbar sind:
Der Alte Bund mit seinem Gedankeninhalt und den kultischen Vorschriften, Stifts-
hütte und salomonischer Tempel, ist zur Unterlage für die Symbolik des neuen Glaubens
geworden mit dem himmlischen Jerusalem als seinem Endziel.
Die in der Not der ersten Zeit auferzwungene symbolische Einhüllung der Lehre
hat sich in Liturgie und Kultus immer mehr vertieft und vergeistigt, sie hat in der
Kirchenkunst neue Ausdrucksweisen gefunden. Das Gleichnis von Christus als Grund-
und Eckstein ist von der architektonischen Deutung naturgemäß bis in die äußersten
Spitzfindigkeiten ausgebeutet worden. Das Kreuz wurde immer mehr zum Mittelpunkt
einer Gefühls- und Gedankenwelt, die unübersehbar genannt werden darf.
Die alte Zahlensymbolik wurde teils in überkommener Weise, teils in erneuter
Bedeutung architektonisch ausgenützt und ausgedeutet.
Dazu brachte der Gebrauch des Mittelalters, die Kirche als Museum und Kurio-
sitätensammlung zu benutzen, den Symbolikern reiches Material, und die Künstler fanden
in der Ikonographie der Heiligengeschichte ein großes Stoffgebiet, das vornehmlich alle-
gorisch zu bearbeiten war.
Nicht zu übersehen sind schließlich die verschiedenen Auslegungsmethoden der
Pleiligen Schrift, von denen man neben der wörtlichen die allegorische, tropologische
und anagogische als zu Becht bestehend anerkannte.
Alle diese verschiedenen Strömungen, welche sich kreuzen und vermischen, treten
in der Deutung der kirchlichen Bauteile zutage.
Mitten in der Zeit hoher symbolischer Blüte stehend, hat der Scholastiker Durandus,
gest. 1332, die Auslegungen, welche die Kirchenkunst fand, in großer Keichhaltigkeit
zusammengetragen, und Joseph Sauer2 gibt eine zusammenfassende Darstellung mit tieferer
Begründung und geschichtlicher Entwicklung. Ein kurzer Auszug aus den der sym-
bolischen Deutung unterworfenen Bauteilen dürfte die Vielseitigkeit des Stoffs erweisen:
Bauanlage, Himmelsrichtung, Längs- und Höhenrichtung, rechte und linke Seite, Chor
und Schiff, Grundstein, Baumaterialien, Balken, Decke, äußeres Dach, Türen, Portal,
Fußboden, Fenster, Gitter, Schranken, Krypten, Säulen, Kathedra, Chorstühle, Wendel-
treppe, Waschbecken, Turm und Glocke, Turmknopf, Glockenschlegel und -seil, Hahn,
1 Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter von Karl Schnaase, Düsseldorf 1869.
2 Symbolik des Kirchengebäudes und seiner Ausstattung in der Auffassung des Mittelalters von
Joseph Sauer 1902.
12*