Lenardo und Blandine.
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Sarg anzufertigen, um Blandinen darin zu beerdigen. Unterdessen
sind die Furien regdowakpolkirend hereingetanzt und treiben den al-
ten König wild durch sein Schlafgemach, bis er erschöpft sich den
Reichsapfel an den Kopf wirft und den Geist aufgibt. — Die Fu-
rien verschwinden, die Geister Lenardos, Blandinens, des Königs
und des Molchs tanzen die Saragossa, uud die Musik spielt eine
entente cordiale-Slowanka, welche das Ende der Pantomine her-
beiführt und den Vorhang zum Fallen zwingt.
Ende der Pantomime.
Moderner Narrenspicgel.
(Fortsetzung).
3. Der Witzige.
Kurze Nachbemerkungen über das deutsche Bühncnwescn.
Allgemein hört nian, und zwar mit Recht, die Klage, daß die
deutsche Schaubühne ini Argen liege. Vielfach »nd leider vergeblich
! bemühte man sich, den Grund dieses Mißstandes zu erforschen,
i Der Verfasser vorstehender Pantomime glaubt endlich den Nagel auf
1 den Kopf getroffen zu haben, wenn er die Behauptung aufstellt, daß
der Mangel an guten Schauspielern auch auf die Produktion von
Bühnenstücken außerordentlich störend zurück wirke. Wanim haben
wir aber keine guten Schauspieler mehr? Warum? Die Ursache
liegt einzig in der schmählichen Vernachlässigung der Pantomime.
In der Pantomime allein ist dem Schauspieler Gelegenheit gege-
ben, die unendlich nüantzirte Darstellung menschlicher Leidenschaften
zu studiren, die Seele in ihrer geheimsten Werkstätte zu belauschen,
und sich daraus die Regeln für seine eigene Darstellungsweise ab-
zuziehen. Die Pantomime hat noch einen zweiten großen Nutzen,
nämlich es ist keine kleine Kunst, dieselbe in Scene zu setzen, und
hier können die Regisseure, Maschinisten, Flugwerkdirigenten rc., un-
endlich viel lernen, von dem, was sie bis jetzt noch nicht wissen.
Dem Kompositeur endlich bietet die Pantomime einen weit größeren
; Spielraum für seine Phantasie, als die Oper, zwingt ihn aber auf
der andern Seite wieder, eine wahre Musik zu schreiben, weil nir-
gends wie hier das Unnatürliche so auffallend hervortritt. — Obige
Pantomime ist im reinen Interesse für die deutsche Bühne geschrie- i
den. Der Stoff bietet dem Künstler hinlänglich Spielraum, um
I seine Vortrefflichkeil im schönsten Glanze erscheinen zu lassen, und
es ergeht hiemit an sänimtliche Direktionen Deutschlands die auf-
richtige Bitte, diese Pantomime so bald als möglich dem Publikum
vorzusühren, zumal, da der Verfasser weder Honorar, noch Tantie- '
men, ja nicht einmal freien Eintritt verlangt, uud der Anfang zur
Verbesserung nie früh genug gemacht werden kann.
Er hat die Verpflichtung, überall nach den Schlag- und
Witzworten umherzuspüren, welche die Tagesgeschichte liefert,
und bei oder nach der Tafel jede Gelegenheit zu benützen sie
der Reihe nach anzubringen. Die Virtuosität des Witzigen be-
steht in der höchstmöglichen Trockenheit des Vortrags, wodurch
auch der schlechteste Witz ergötzlich wirkt, und in einer gewissen
hingeworfenen Unabsichtlichkeit, so daß es den Anschein hat, als
wäre der Witz eben erst bei der gegenwärtigen Veranlassung ent-
standen. Seine Studien macht der Witznarr hauptsächlich bei
Commis Voyageurs, zumal Weinreisenden, welche zugleich auf
Witz und Anekdoten reisen, und wie
Kouriere die neuesten Erfindungen des
Witzes von Stadt zu Stadt tragen,
und in jedem Orte, den sie besuchen,
die neuesten Lokalwitze einsammeln.
Da hierbei der Wortwitz als der-
jenige, welcher sich am leichtesten ge-
wissen gelegentlichen Veranlassungen
fügt, eine Hauptrolle spielt, so sind
dem witzigen Tafelnarren die Schriften
und Journale Saphirs vorzüglich zu
empfehlen.
Haben die Hausfrau oder ihre Töchter einige Kenntniß
des Französischen, so mag der witzige Tafelnarr die neuesten
Nummern des französischen Charivari studiren, oder sich auch
sonst allbekannte französische Wortspiele und Calembourgs ein-
lernen. Es ist unglaublich, um wie viel Proeent über pari
sein Ansehen steigen wird!
Du lieber Himmel! Was fingen wohl so viele Tausende
in Deutschland mit ihrem Geistesmangel und ihrem Zeitüberfluß
an, wenn es nicht ein Frankreich, wenn es nicht französische
Trachten, französische Musik, französische Criminalgeschichten !
und — französische Grammatiken gäbe? Deutschland hat lei- !
der noch immer keine andere Hauptstadt als Paris, die ihm
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Sarg anzufertigen, um Blandinen darin zu beerdigen. Unterdessen
sind die Furien regdowakpolkirend hereingetanzt und treiben den al-
ten König wild durch sein Schlafgemach, bis er erschöpft sich den
Reichsapfel an den Kopf wirft und den Geist aufgibt. — Die Fu-
rien verschwinden, die Geister Lenardos, Blandinens, des Königs
und des Molchs tanzen die Saragossa, uud die Musik spielt eine
entente cordiale-Slowanka, welche das Ende der Pantomine her-
beiführt und den Vorhang zum Fallen zwingt.
Ende der Pantomime.
Moderner Narrenspicgel.
(Fortsetzung).
3. Der Witzige.
Kurze Nachbemerkungen über das deutsche Bühncnwescn.
Allgemein hört nian, und zwar mit Recht, die Klage, daß die
deutsche Schaubühne ini Argen liege. Vielfach »nd leider vergeblich
! bemühte man sich, den Grund dieses Mißstandes zu erforschen,
i Der Verfasser vorstehender Pantomime glaubt endlich den Nagel auf
1 den Kopf getroffen zu haben, wenn er die Behauptung aufstellt, daß
der Mangel an guten Schauspielern auch auf die Produktion von
Bühnenstücken außerordentlich störend zurück wirke. Wanim haben
wir aber keine guten Schauspieler mehr? Warum? Die Ursache
liegt einzig in der schmählichen Vernachlässigung der Pantomime.
In der Pantomime allein ist dem Schauspieler Gelegenheit gege-
ben, die unendlich nüantzirte Darstellung menschlicher Leidenschaften
zu studiren, die Seele in ihrer geheimsten Werkstätte zu belauschen,
und sich daraus die Regeln für seine eigene Darstellungsweise ab-
zuziehen. Die Pantomime hat noch einen zweiten großen Nutzen,
nämlich es ist keine kleine Kunst, dieselbe in Scene zu setzen, und
hier können die Regisseure, Maschinisten, Flugwerkdirigenten rc., un-
endlich viel lernen, von dem, was sie bis jetzt noch nicht wissen.
Dem Kompositeur endlich bietet die Pantomime einen weit größeren
; Spielraum für seine Phantasie, als die Oper, zwingt ihn aber auf
der andern Seite wieder, eine wahre Musik zu schreiben, weil nir-
gends wie hier das Unnatürliche so auffallend hervortritt. — Obige
Pantomime ist im reinen Interesse für die deutsche Bühne geschrie- i
den. Der Stoff bietet dem Künstler hinlänglich Spielraum, um
I seine Vortrefflichkeil im schönsten Glanze erscheinen zu lassen, und
es ergeht hiemit an sänimtliche Direktionen Deutschlands die auf-
richtige Bitte, diese Pantomime so bald als möglich dem Publikum
vorzusühren, zumal, da der Verfasser weder Honorar, noch Tantie- '
men, ja nicht einmal freien Eintritt verlangt, uud der Anfang zur
Verbesserung nie früh genug gemacht werden kann.
Er hat die Verpflichtung, überall nach den Schlag- und
Witzworten umherzuspüren, welche die Tagesgeschichte liefert,
und bei oder nach der Tafel jede Gelegenheit zu benützen sie
der Reihe nach anzubringen. Die Virtuosität des Witzigen be-
steht in der höchstmöglichen Trockenheit des Vortrags, wodurch
auch der schlechteste Witz ergötzlich wirkt, und in einer gewissen
hingeworfenen Unabsichtlichkeit, so daß es den Anschein hat, als
wäre der Witz eben erst bei der gegenwärtigen Veranlassung ent-
standen. Seine Studien macht der Witznarr hauptsächlich bei
Commis Voyageurs, zumal Weinreisenden, welche zugleich auf
Witz und Anekdoten reisen, und wie
Kouriere die neuesten Erfindungen des
Witzes von Stadt zu Stadt tragen,
und in jedem Orte, den sie besuchen,
die neuesten Lokalwitze einsammeln.
Da hierbei der Wortwitz als der-
jenige, welcher sich am leichtesten ge-
wissen gelegentlichen Veranlassungen
fügt, eine Hauptrolle spielt, so sind
dem witzigen Tafelnarren die Schriften
und Journale Saphirs vorzüglich zu
empfehlen.
Haben die Hausfrau oder ihre Töchter einige Kenntniß
des Französischen, so mag der witzige Tafelnarr die neuesten
Nummern des französischen Charivari studiren, oder sich auch
sonst allbekannte französische Wortspiele und Calembourgs ein-
lernen. Es ist unglaublich, um wie viel Proeent über pari
sein Ansehen steigen wird!
Du lieber Himmel! Was fingen wohl so viele Tausende
in Deutschland mit ihrem Geistesmangel und ihrem Zeitüberfluß
an, wenn es nicht ein Frankreich, wenn es nicht französische
Trachten, französische Musik, französische Criminalgeschichten !
und — französische Grammatiken gäbe? Deutschland hat lei- !
der noch immer keine andere Hauptstadt als Paris, die ihm
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Lenardo und Blandine" "Moderner Narrenspiegel"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 2.1846, Nr. 29, S. 35
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg