Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
116

Der legte Virtuose.

ten sich, und die Andern traten förmlich zu den Musikern
von Fach über.

Sechs Wochen waren vorübergegangen, seitdem Vater
Dampf seinen Sohn verlasien hatte, und Lokomotiv saß eines
I schönen Abends tief sinnend auf einem Gipfel des Tawalagiri,
wo er sein Riesenperspektiv aufgestellt hatte, und schaute her-
über nach Europa, sehnsüchtig auf die Rückkehr seines-Vaters
harrend. Wegen der Runde der Erde reichte sein Blick aber
nicht weiter als bis nach Constantinopel, dessen Minarets im
; Golde der untergehenden Sonne blitzten. Hoch über der
schönen Stadt schwebte aber ein Ballon nach Asien herüber,
den er bald für den seinigen erkannte.

Zwei Tage daraus lag Vater Dampf in seinen Armen
und brachte die besten Nachrichten aus der Heimath. Darauf
hin beschloß Lokomotiv an das große Werk zu gehen und verließ
bei ausgehender Sonne seinen jetzigen Wohnort. Alle Kräfte
des Ballons wurden in Bewegung gesetzt, so daß er mit der
Sonne säst gleichen Schritt hielt, und vor ihrem Untergang
im atlantischen Oeeane sich auf Sieilien herabsenkte.

3.

Das letzte Coneert.

Lokomotivs Plan bestand darin, den Aetna, der seit einem
Jahrhunderte sich ruhig verhalten hatte, abzugraben und mit
der Ebene gleich zu niachen, den Krater aber mit einem Ka-
mine zu umgeben und an diesen angelehnt eine große Halle
zu erbauen, in welcher das Coneert stattfinden sollte; denn da
die Feier jedenfalls am 17. Januar sein sollte, so war eine
gleichmäßige Erwärmung des Coneertsaales nothwendig, denn
selbst in Sieilien ftiert es Manchen um diese Zeit an die
Finger. Die Wälder waren aber uin jene Zeit rar geworden
in Europa, und es war daher pure Menschenliebe, daß Loko-
motiv den Vulkan als Kamin benützen wollte; denn die Heiz-
ung der eine Quadratmeile großen Halle auch nur für Einen
Tag, hätte unendlich viel Holz gekostet.

Von Sieilien aus erließ Lokomotiv ein Ausschreiben an
alle Baumeister der Erde, und lud sie ein, in kürzester Frist
ihre Pläne für diese Halle einzusenden und sich sodann bei ihm

persönlich einzufinden. Nach sechs Wochen schon wimmelte es
auf der Insel von Bauleuten aller Art, und Lokomotiv nahm
die tüchtigsten Meister in seinen Sold. Dazu niiethete er
hunderttausend Arbeiter, die mit Hilfe von einigen tausend
Dampfmaschinen den Aetna der Erde gleich machten. Nach
acht Monaten war dieser Theil der Arbeit vollendet, nun
galt es aber den zweiten und schwierigern Theil des Baues
in Angriff zu nehmen. Noch fehlte es ihm nicht an Reich-
thümern, um auch ihn zu vollenden.

Mit der Erbauung des Kamins rings um den qualmenden
Krater fing man das Werk an; derselbe wurde aus sechs
Schuh dickem klar durchsichtigen Krystall aufgeführt. Biele
Arbeiter erlagen dem Rauche und der Hitze und fanden ihren
Tod in der unergründlichen Tiefe des Kessels. Der Tod der ,
Arbeiter hindert aber bekanntlich keinen unternehmenden Mann
an der Ausführung eines Vorhabens, durch das man reich
oder berühmt werden kann. Lokomotiv sorgte wenigstens für
die Wittwen und Waisen der Verstorben; es ist zwar auch
Etwas, aber sehr wenig für ein Leben.

Der krystallene Kamin wurde 800 Schuh hoch und reichte
um mehr als 200 Schuh über das übrige Gebäude hinaus,
das rings um denselben in der Form einer Rotunda gebaut
wurde. Das Dach ruhte auf 1000 Säulen, die außerhalb
der Mauer standen. In der Wand waren keine Fenster, die
schon deswegen unnöthig waren, iveil genug Licht durch das
Dach, das ebenfalls Krystall war, in die Halle fiel.

Binnen Jahr und Tag war endlich der kolossale Bau voll-
endet, und Lokomotiv konnte für die Ausstattung sorgen.
Biel Sorge machte ihm noch der Dirigent, der in der meilen-
langen Halle unmöglich von allen gesehen werden konnte. Er
hatte seinem Vater das Direktorium des Coneerts überlassen,
und wollte ihm anfänglich einen Platz hoch oben an der
Decke nächst dem Kamine erbauen; aber er sah bald ein, daß
auch das nicht hinreichend wäre, ihn allen Künstlern sichtbar
zu niachen. Nach vielem Hin- und Hersinnen kam er endlich
auf den Gedanken, einen hundert Schuh hohen Automaten
als Kapellmeister zu benützen, der durch eine Uhr zu allen j
nothwendigen Bewegungen und Andeutungen aufgezogen werden
konnte. Und so geschah es denn auch.
Image description

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der letzte Virtuose."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Kommentar
Signatur

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Musiker <Motiv>
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 2.1846, Nr. 39, S. 116

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
 
Annotationen