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Curtis Brautfahrt.

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■ vom Wege ab in das Gebüsch hinein, stieg ab und begann
j jetzt, mit außerordentlicher Sorgfalt seine Toilette in Ordnung
! zu bringen.

Ein kleiner Spiegel wurde mit seinem spitzen Messer — das
' er in einer ledernen Scheide im Gürtel trug — an einem Baum
! befestigt, dann förderte er einen Kamm und eine kleine Bürste
- ebenfalls aus der Tiefe der fast unergründlichen Rocktasche zu
Tage und striegelte und bügelte nun das widerspenstige Haupt-
haar sorg- und aufmerksam.

Mr. Trumbell, auf dessen Land und unfern von dessen Haus
er stch jetzt befand, hatte zwei allerliebste Töchter, zwar noch
ein wenig jung für einen Mann in seinem Alter, denn die
älteste zählte erst achtzehn Jahr; leicht überredete er sich aber,
daß sein noch so rüstiges, jugendliches Aussehen, und sein
„kleiner neunjähriger Neger, wiedie hundertund fünfzig Dollars"
sehr zu seinen Gunsten sprechen würden, ja sprechen mußten,
und mit wirklichem Wohlgefallen nahm er jetzt den Spiegel
in die Hand und hielt ihn bald dicht vor die Augen, bald in
etwa Armeslänge von stch entfernt, um ungefähr den Eindruck
zu berechnen, den, wie er hoffte, sein erstes Erscheinen auf die
Mädchen hervorbringen sollte.

Aber gar nicht mit seinen Plänen harmonirend, stahlen stch
hie und da einzelne graue Haare sowohl aus dem Backenbart,
als auch an den Schläfen hervor, und emsig war er eben be-
müht, die unwillkommenen Boten eines ehrwürdigeren Zeitalters
mit sicherer Hand und spitzen Fingern zu erfassen und heraus-
zureißen, als plötzlich das helle Gelächter zweier silberreinen
Mädchenstimmen an sein Ohr schlug, und er, entsetzt sich wendend,

in die vor ausgelassener Freude funkelnden Augen eben dieser
beiden Schönen blickte, von denen er sich Eine zum ehelichen
Gemahl ausersehen.

Hätte daß ruhig neben ihm grasende Pferd ihn mit einem
fteundlichen „guten Morgen Mr. CurtiS" angeredet, oder der
Spiegel, der jetzt seiner zitternden Hand entfiel, ihm ein scheuß-

liches Fratzengestcht gezeigt, als er hineinfchaute und seine eigenen,
wohlgebildeten Züge darin zu finden erwartete, oder die alte
Eiche, unter der er stand, die Riesenarme über den Kopf zu-
sammengeschlagen und sich die Wurzeln selber, wie einen Zahn
ausgezogen, er würde nicht so starr vor Schrecken, so völlig
wie eine ungesalzene Madame Lot dagestanden haben. Nicht
einmal die unbedeutendste Begrüßungsformel wollte über die
Lippen, und mit weil aufgeriffenen Auge» und noch weiter
geöffneten Lippen blieb er in der einmal eingenommenen Stel- !
lung, und blickte bald auf diese, bald auf jene Schwester.

„Aber Mr. Curtis", begann jetzt die Aelteste der Beiden, ■
die sich zuerst wieder genug gesammelt hatte, um reden zu können,
„läßt Ihnen denn Nancy zu Hause gar keine Ruhe, daß Sie
soweit in den Wald hinein müssen, um Ihre Toilette zu machen?"

„Mr. Curtis will unter die Indianer gehen", fiel die Schwe-
ster, immer noch mit vom Lachen unterbrochener Stimme ein —
„er übte sich schon im Bartausraufen, und ich bin fest über-
zeugt, daß er in derselben Tasche, aus der er schon so viele
andere Sachen hervorgeholt hat, auch noch die Kriegsfarben trägt."

„Das ist möglich" kicherte Lucy — „dort im Baum steckt i
sein Scalpirmesser."

„Aber bester Mr. Curtis", sagte Bessy mit scheinbarer Be- !
sorgniß, „dann müssen Sie ja auch tanzen, und da Sie
doch jetzt erst zu den Methodisten —

„Miß Lucy — Miß Betsy stammelte, in höchster Verlegen-
heit der arme Curtis — „ich — ich habe einen kleinen Neger
und hundert fünfzig Dollar —"

„Ah Sie werden ein Häuptling!" jubelte Betsy, „ich sehe Sie
schon im Geist mit der Scalplocke und dem blutigen Tomahawk
im Gürtel — buntbemalt, wehende Adlersedern auf dem Haupte,
die ausgefranzten Leggins von dem flatternden Haarschmuck der
erlegten Feinde umweht — Brrrrr" fuhr sie schaudernd fort,
„was Sie schon für wilde Blicke nach uns schießen;' und
wiederum fingen die Mädchen an zu lachen, daß der Wald
tönend das helle Echo zurückgab.

Der arme Curtis aber, die Zielscheibe dieses unerbittlichen
Spottes, stand keineswegs mit wildem Blick, sondern mit höchst
kläglicher, erbarmenswerther Miene da, und überlegte eben, mit
welcher Wonne er in einen zwei hundert und fünfzig Fuß kie-
fen Brunnen oder in eine unergründliche Felsspalte hineinfahren
könne, um nur hier, von dieser für ihn zum Martcrpfahl ge-
wordenen Stelle fortzukommen, denn aller Mukh, auch nur
eine Sylbe über die Absicht seines Besuches laut werden zu
lassen, war ihm jetzt entfallen. Endlich aber faßte er stch ein
Herz, hob mit einer schnellen und geschickten Bewegung den
ihm vorhin entfallenen Spiegel wieder auf, ließ ihn in di«
Tasche gleiten, und frug jetzt, mit halb trotzigem halb kläglichen !
Gesicht die Schwestern, was sie um des Himmels willen im
Walde, hier an dieser einsamen Stelle allein zu thun hätten.

„Wenn wir nun grausam wären", sagte Lucy, „könnten
wir Ihnen das zu rathen aufgeben, so aber wollen wir Mit-
leiden mit Ihnen haben, und Sie in unser Geheimniß einwei-
hen. Sehen Sie den Waschkessel da unten? sehen Sie das
' freundliche Gesicht Iessina's?"

I» *
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Curtis Brautfahrt"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

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Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

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Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Wald <Motiv>
Schrecken <Motiv>
Älterer Mann
Karikatur
Spiegel <Motiv>
Junge Frau <Motiv>
Satirische Zeitschrift

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Digitales Bild
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Public Domain Mark 1.0
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Fliegende Blätter, 3.1846, Nr. 59, S. 83

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