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Briefe aus St. Petersburg von Rentier Dionysius Bitterte aus Munderkingen an der Donau

an seinen Vetter im Schwabenlande.

• (Fortsetzung.)

Den andern Tag ließ ich den Wirth kommen, und sagte
ihm: „Herr Kaisscr mit zwei s," sagte ich, (das war ein
Hieb) ich habe mich gestern geirrt, das ist aber nicht Ihre
Schuld und will's Ihnen also als gerechter Mann auch nicht
nachtragen, obschon ich nun meinthalbwegcnmeiner es als
Renthier und universalischer Erbe des Branntweinpächtcrs
Bntterloff" — ja das hätten Sie sehen sollen, so wie ich den
„Branntweinspächter" brachte, hat der Herr Kaisser ein Gesicht
g'macht, wie wenn er meinthalbwegcnmcincr nießen wollte, ich
dachte schon, es geht los, und wollte als gebildeter Mann
bereits „zur Genesung", sagen, als sich sein Gesicht wieder in
Ruhestand verschick und das gewöhnliche dippelmatische Lächeln
seinen Munde umspielte, — „cs wohl ausführen könnte, täglich
eine solche Summe zu verzehren, so muß ich Sie doch darauf
aufmerksam machen, daß mein Aufenthalt etwas länglich wer-
den könnte, und somit — —"

„Herr Rentier", sagte der Herr Kaisser, „Sie leben
hier in meinem Hause, wie es Ihnen gefällt und verzehren
— was Sie haben."

„Sie sind doch ein Deutscher, Herr Kaisser?"

„Bitte, ich bin ein Frankfurt am Mainer."

„Nun, das thnt nichts, ich Hab das doch gleich an Ih-
rem Daleckt gehört, aber, wie gesagt, das thnt nichts, Frank-
furt ist stellenweise auch eine recht „schöne Gegend". — Und
jetzt will ich mir einmal das Petersburg ordentlich besehe und
ihr könnt mcinthalbwegenmeiner alle mitkommen. Wann speist
man bei Ihnen zu Mittag, Herr Kaisser?"

„Um vier Uhr."

„Nein, verzeihen Sie, ich meine zu Mittag."

„Wie gesagt, Herr Bitterle, um vier Uhr."

12

Und so ist cs auch, geehrtester Herr Rotzwenik, beden-
ken Sie, um vier Uhr zu Mittag essen!!! Da kann man recht
sehen, daß in einem so fremden Lande auch die innere Einrich-
tung der Menschen anders sein muß.

Daß der Russe einen ganz anderen Magen wie unser-
eins hat, habe ich meinthalbwcgenmeiner schon dazumal g'merkt,
wo die Russen bei meinem Vater selig einqnartirt g'wese sind,
und daß so ein Ruß viel vertragen kann, ist 'ne alte Sach',
aber — daß er erst um vier Uhr zu Mittag ißt, das ist doch das
Allerärgste, was ich noch g'hört Hab'. Ich hoffe, daß Sie diese
Merkwürdigkeit meinen Anverwandten und Freunden in Mun-
dcrkingen ganz besonders mitthcilen.

Auf der Straße mit meiner Familie angekommen, Hab'
ich mir zum ersten Male so einen Russen recht in der Nähe
besehen, und kann Ihnen, verehrtester Herr Rotzwenik, ver-
sichern, daß es ein Mensch ist, der wenigstens von außen akkrat
wie ein anderer Mensch aussieht. Ganz genau könnet se sich so
einen Russen vorstellen, wenn Sie in Ihren Erinnerungen bis

>848 zurückgehen, und sich so einen Proletarier mit dem
großen Bart und verzausten Haar, in einen Schafspelz ein
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Briefe aus St. Petersburg von Rentier Dionysius Bitterle aus Munderkingen an der Donau an seinen Vetter im Schwabenlande"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Arbeiterklasse
Bart <Motiv>
Satirische Zeitschrift
Schwaben
Russland
Russen <Motiv>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 35.1861, Nr. 846, S. 89
 
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