Der Wuche rer.
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„Schaffens noch a Halbe," fragte Herrn Ehrlich hier der schlaf-
trunkene Aufwärtcr. Ehrlich schüttelte mit dem Kopfe, leistete Zahlung,
blieb aber nichts destoweniger neben den Kegclspielern stehen, und erwog,
ob sich für ihn nicht irgend ein Gewinn herausstelle.
„Hier ist etwas zu machen/ brummte er leise vor sich hin, und
als in diesem Augenblicke ein betrunkener Bauernbursche, der schon eine
beträchtliche Summe an seine lachenden Kameraden verloren hatte, rief:
„Fünf vom Ersten triff i no um a Guldenstückel!" warf Ehrlich einen
Gulden auf den Boden, und sagte: „Wenn es mir zu setzen erlaubt ist,
so gilt's."
„Ja wohl, alter Schmausler, du kannst dir setzen gnua," lallte der
Betrunkene, und fiel, während er sich nach der Kugel bückte, auf die
Kegelstatt.
„An Branester den hob i
Und der Branester der hot mi
Zwegen dessen schieb ich do nenne
So wahr i der schön Hies' bin"
Unter dieser in schnaderhüpfelmveise lallend abgesungenen Improvi-
sation erhob sich der Trunkenbold, faßte die Kugel, die an den Polen '
Antwort den Rücken zu, trank sein Bier aus, ließ den Braten, der ihm
nicht -sehr zu munden schien, zur Hälfte stehen, und verließ die Stube.
Lächelnd blickte ihm Ehrlich nach, schlich dann gleich einem Kater
nach -dem Tische hin, wo der Fremde geseffen, fuhr dort plötzlich mit
seiner magern Hand, deren lange dürre Finger mit den Krallen eines
Geiers --verglichen werden konnten, nach dem Teller hin, auf dem der
Braten :lag, und in der nächsten Sekunde war dieser in einer seiner
Taschen., .-die zu vielem Einpacken eingerichtet waren, verschwunden.
Darauf -trank auch er sein Bier aus und ging hinaus in's Freie, wo
sich einige.Burschen lärmend unter rohen Späffen auf der Kegelstatt
herumtumm eiten.
etwas abgeplattet war, legte, als sollte ein Meister-
schuß gcthan werden, den Zeigefinger der linken Hand
auf die Kugel, brachte den Arm maschinenmäßig in
Schwung, that den Wurf, und fehlte zur Belusti-
gung Aller nicht nur die Kegel, sondern auch das
Brett.
Ueber diesen so gar schlechten Fehlschub ärgerlich,
griff der Bursche in die Tasche, zog eine Hand voll
kleiner Münze, unter welchen sich auch einige Gulden-
stücke befanden, heraus, ließ sie mit prahlerischer Ge-
berde auf den Boden fallen und rief: „Weil ös glaubt's,
ös könnt's mir's khun, so hör i extra per se nit auf.
Setzt's ös Leimsieder, wenn's a Schneid habt's!"
„Hies' hör auf; schau wir mögen dir's Geldel net
abspielen; denn du siehst ja heut den Laden nimm«."
Als einer der Bauernburschen so zu dem Trunkenen
redete, warf ihm dieser einen verächtlichen Blick zu,
und als er sah, daß Ehrlich zu dem bereits gewonnenen
Gulden so viel dazu setzte als erforderlich war, um die
vor ihm auf den Boden geworfene Summe zu halten,
schrie er seinen Kameraden zu: „Schamt's enk, daß ös
weniger Schneid habt's wie der alt Schmausler da.
Bravo! da Hab i Respekt," sagte er dann zu Ehrlich
— dem das Schmausler galt, — klopfte ihm aus die
Schulter und suchte wieder nach der Kugel. Mißbilligend
schauten die Burschen auf den hohen Satz, und der,
welcher vorhin gesprochen, sagte zu Ehrlich: „I that
mi schäme, mit am Menschen z' setzen, der vor lauter
Rausch d'Kugelstatt nimm« sieht."
„Ja, a Schand ist's," und soetwas wie: „schmeißt's
'n außi!" drang zu Ehrlichs Gehör, der, einen bangen
Blick auf die nervigen Fäuste dieser derben Dorfjüng-
linge werfend, sichtbar zu zittern begann. Er fühlte
die in Aussicht stehenden Prügel schon in allen Gliedern,
und begriff, daß er nur durch List denselben werde
entgehen können. „Bringt sechs Maas Bier," rief er
daher dem phlegmatischen Dienstboten zu, und sagtö
dann zu den Burschen: „Meine Herrn, das Bier wer-
den Sie auf meine Gesundheit trinken; denn wenn Sie
glauben, daß ich aus Jntereffe mit Ihren: Kameraden
setzte, so sind Sie wahrlich im Jrrthum. Es macht
mir vielmehr Spaß, seine Courage und Geschicklichkeit
zu prüfen. Uebcrdies sah ich oft schon, wie Leute in
totaler Betrunkenheit mehr Kegel trafen, als in nüch-
ternem Zustande. Hiesel will nun ein Mal hoch spielen,
laßt ihn deßhalb gewähren; wahrscheinlich ist er der
Sohn reicher Leute, und ist er es nicht, so thut ihm
ein bedeutender Gewinn gut, wie ihm ein hoher Ver-
lust für die Zukunft als Warnung dienen wird."
In jeder Hand drei Maaskrüge haltend, eilte jetzt
der Aufwärter herbei, der seit Ehrlichs Bestellung
ungemein beweglich geworden war, und als dieser die
Burschen noch ein Mal aufforderte, seine Gesundheit
zu trinken, so wurden ihre noch erst so drohend blickenden
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„Schaffens noch a Halbe," fragte Herrn Ehrlich hier der schlaf-
trunkene Aufwärtcr. Ehrlich schüttelte mit dem Kopfe, leistete Zahlung,
blieb aber nichts destoweniger neben den Kegclspielern stehen, und erwog,
ob sich für ihn nicht irgend ein Gewinn herausstelle.
„Hier ist etwas zu machen/ brummte er leise vor sich hin, und
als in diesem Augenblicke ein betrunkener Bauernbursche, der schon eine
beträchtliche Summe an seine lachenden Kameraden verloren hatte, rief:
„Fünf vom Ersten triff i no um a Guldenstückel!" warf Ehrlich einen
Gulden auf den Boden, und sagte: „Wenn es mir zu setzen erlaubt ist,
so gilt's."
„Ja wohl, alter Schmausler, du kannst dir setzen gnua," lallte der
Betrunkene, und fiel, während er sich nach der Kugel bückte, auf die
Kegelstatt.
„An Branester den hob i
Und der Branester der hot mi
Zwegen dessen schieb ich do nenne
So wahr i der schön Hies' bin"
Unter dieser in schnaderhüpfelmveise lallend abgesungenen Improvi-
sation erhob sich der Trunkenbold, faßte die Kugel, die an den Polen '
Antwort den Rücken zu, trank sein Bier aus, ließ den Braten, der ihm
nicht -sehr zu munden schien, zur Hälfte stehen, und verließ die Stube.
Lächelnd blickte ihm Ehrlich nach, schlich dann gleich einem Kater
nach -dem Tische hin, wo der Fremde geseffen, fuhr dort plötzlich mit
seiner magern Hand, deren lange dürre Finger mit den Krallen eines
Geiers --verglichen werden konnten, nach dem Teller hin, auf dem der
Braten :lag, und in der nächsten Sekunde war dieser in einer seiner
Taschen., .-die zu vielem Einpacken eingerichtet waren, verschwunden.
Darauf -trank auch er sein Bier aus und ging hinaus in's Freie, wo
sich einige.Burschen lärmend unter rohen Späffen auf der Kegelstatt
herumtumm eiten.
etwas abgeplattet war, legte, als sollte ein Meister-
schuß gcthan werden, den Zeigefinger der linken Hand
auf die Kugel, brachte den Arm maschinenmäßig in
Schwung, that den Wurf, und fehlte zur Belusti-
gung Aller nicht nur die Kegel, sondern auch das
Brett.
Ueber diesen so gar schlechten Fehlschub ärgerlich,
griff der Bursche in die Tasche, zog eine Hand voll
kleiner Münze, unter welchen sich auch einige Gulden-
stücke befanden, heraus, ließ sie mit prahlerischer Ge-
berde auf den Boden fallen und rief: „Weil ös glaubt's,
ös könnt's mir's khun, so hör i extra per se nit auf.
Setzt's ös Leimsieder, wenn's a Schneid habt's!"
„Hies' hör auf; schau wir mögen dir's Geldel net
abspielen; denn du siehst ja heut den Laden nimm«."
Als einer der Bauernburschen so zu dem Trunkenen
redete, warf ihm dieser einen verächtlichen Blick zu,
und als er sah, daß Ehrlich zu dem bereits gewonnenen
Gulden so viel dazu setzte als erforderlich war, um die
vor ihm auf den Boden geworfene Summe zu halten,
schrie er seinen Kameraden zu: „Schamt's enk, daß ös
weniger Schneid habt's wie der alt Schmausler da.
Bravo! da Hab i Respekt," sagte er dann zu Ehrlich
— dem das Schmausler galt, — klopfte ihm aus die
Schulter und suchte wieder nach der Kugel. Mißbilligend
schauten die Burschen auf den hohen Satz, und der,
welcher vorhin gesprochen, sagte zu Ehrlich: „I that
mi schäme, mit am Menschen z' setzen, der vor lauter
Rausch d'Kugelstatt nimm« sieht."
„Ja, a Schand ist's," und soetwas wie: „schmeißt's
'n außi!" drang zu Ehrlichs Gehör, der, einen bangen
Blick auf die nervigen Fäuste dieser derben Dorfjüng-
linge werfend, sichtbar zu zittern begann. Er fühlte
die in Aussicht stehenden Prügel schon in allen Gliedern,
und begriff, daß er nur durch List denselben werde
entgehen können. „Bringt sechs Maas Bier," rief er
daher dem phlegmatischen Dienstboten zu, und sagtö
dann zu den Burschen: „Meine Herrn, das Bier wer-
den Sie auf meine Gesundheit trinken; denn wenn Sie
glauben, daß ich aus Jntereffe mit Ihren: Kameraden
setzte, so sind Sie wahrlich im Jrrthum. Es macht
mir vielmehr Spaß, seine Courage und Geschicklichkeit
zu prüfen. Uebcrdies sah ich oft schon, wie Leute in
totaler Betrunkenheit mehr Kegel trafen, als in nüch-
ternem Zustande. Hiesel will nun ein Mal hoch spielen,
laßt ihn deßhalb gewähren; wahrscheinlich ist er der
Sohn reicher Leute, und ist er es nicht, so thut ihm
ein bedeutender Gewinn gut, wie ihm ein hoher Ver-
lust für die Zukunft als Warnung dienen wird."
In jeder Hand drei Maaskrüge haltend, eilte jetzt
der Aufwärter herbei, der seit Ehrlichs Bestellung
ungemein beweglich geworden war, und als dieser die
Burschen noch ein Mal aufforderte, seine Gesundheit
zu trinken, so wurden ihre noch erst so drohend blickenden
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Wucherer"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 4.1846, Nr. 83, S. 83
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg