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Ein Wunder.

bei sich habe, aber der grobe Portier ließ ihn gar nicht zu
Worte kommen, sondern machte das Schloßthor auf und —
warf den Gerichtsschreiber hinaus.

Der arme Knopf erwachte vor dem schweren Fall Und
rieb sich die Augen.

„Ein sonderbarer Traum," murmelte er noch schlaftrunken
vor sich hin. Aber was war denn das? Da unten an den
Füßen fühlte er ja doch, daß er an die Bettwand anstieß und
— hier oben mit dem Kopf stieß er ja wahrhaftig auch an!
Sollte dies wirklich nicht mit rechten Dingen zugehen? Und voll-
ständig munter war er ja auch, denn er fühlte es ganz deutlich,
wenn er sich an der Nase faßte, oder an den Haaren zog.

„Da ist wahrlich ein Wunder geschehen," jubelte Knopf,
indem er bald unten mit den Füßen, bald oben mit dem Kopfe
versuchsweise an die Bettwüude stieß. Dann aber rief er aus
Leibeskräften: „Matchen! Frau! Wach' auf!"

Mit dem Schreckensrufe: „Wo breunt's denn?" fuhr die
Frau Gerichtsschreiberin iu die Höhe.

„Nirgends breunt's," rief Knopf. „Aber, Frau, ich bitte
Dich, steh' rasch auf und zünde sogleich ein Licht an!"

„Aber weßhalb denn? Hast Du etwa zu viel getrunken
und fühlst Du Dich nun unwohl?" fragte die besorgte Gattin.

„Ach nein, mir ist im Gegentheil sehr wohl," jubelte
Knopf. „Und gewachsen bin ich durch ein Wunder mit einem
Male urn mehr als eine Elle; denn ich stoße in der langen
Bettstelle hier oben und unten an."

„Ich merke schon, betrunken bist Du, lüderlicher Mann!"
brummte jetzt Frau Knopf, die ungeduldig wurde.

„Herzensfrancheu!" schmeichelte der Gerichtsschreiber, „ich
bin niemals nüchterner gewesen; aber ich bitte Dich, zünde ein
Licht an und überzeuge Dich selbst vou dem Wunder."

Frau Knopf gab endlich den Bitten ihres Gatten nach,
der sich in fieberhafter Aufregung befand. Mit dem Lichte in
der Hand trat jetzt die Gattin näher, aber in demselben Augen-
blicke brach sic auch in ein schallendes Gelächter aus.

„Aber, Knopf," rief sie mit vor Lachen erstickter Stimme,


„was hast Du den» gemacht? Du liegst ja — hahahaha!

Du liegst ja über quer im Bett!"

Dieses Donnerwort stürzte den Gerichtsschreiber auf ent-
setzliche Weise aus seinem herrlichen Glauben.

„Und ich hatte schon gehofft, daß nun die Spötteleien
ein Ende haben sollten," seufzte der kleine Knopf, indem er sich
jetzt betrübt im Bett zurecht legte.

Seine Frau aber bat er, daß sie gegen keinen Menschen
von der Geschichte ein Wort erwähnen sollte. Die Frau Ge-
richtsschreiberin hat die Sache auch ganz geheim gehalten und
ich, ihr leiblicher Vetter, bin der Einzige, dem sie das nächt-
liche Abenteuer ihres Gatten erzählt hat. Von mir aber erfährt
es ganz gewiß kein Mensch, denn Verschwiegenheit ist meine
Haupttugend.

Ermahnt zur Tugend Dich ein Wicht
Mit Gründen, schwer und wichtig;
Bedenk', wo Dein Gewissen spricht,
Sind Argumente nichtig.

Liefst Du ein aufgeblähtes Blatt,

Sei sicher und bedächtig;

Bedenke, wo das Urtheil matt.

Sind Vorurtheile mächtig.

Verspricht die Katze Dir im Sack
Ein rechter Zungenwetzer,

Meilen steine.

Bedenk', das größte Lumpenpack
Gebiert die größten Schwätzer.

Und schenkt ein Dirnchen leicht geneigt
Dir tausend, tausend Küsse,

Miß', wo das Herz beim Herzen schweigt,
Sind Küsse taube Nüsse.

Viel weise Lehren könnt' ich noch
Dir auf die Reise geben,

Allein Dein Ranzel hat ein Loch —

Sie fielen doch daneben.

t

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Ein Wunder"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Oberländer, Adolf
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Irrtum
Gerichtsschreiber
Bett <Motiv>
Aufwachen
Ehefrau <Motiv>
Körpergröße
Spott
Karikatur
Wunder
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 53.1870, Nr. 1308, S. 43
 
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