O Kanonier!
Tisch, auf dem das brennende Talglicht in einem Handlenchter steht,
ist in der Mitte des Zimmers und von: Bett ans unerreichbar.
Auf dem Tische liegen viele Papierschnitzeln, ein Pulverhorn und
eine Schachtel mit Knallsilber. Die Gefährlichkeit der Situation
ist beiden Brüdern sofort klar, aber jeder hofft auf den Andern
und Keiner rührt sich. Die Bettwärme wird immer behaglicher,
das Licht immer kürzer. Der Polytechniker erwägt die zerstörende
Wirkung des Knallsilbers, der Staatsdienstadspirant die straf-
rechtlichen und civilrechtlichen Folgen einer fahrlässigen Brand-
stiftung — aber sie rühren sich nicht. Endlich ergreift
Otto, der Staatsdienstadspirant das Wort, indem er in
möglichst gleichgiltigem Tone sagt: „Hypolit, Du hast das
Licht nuszulöschen vergessen!"
„Ich?" entgegnet der Polytechniker rasch. „Inder
Regel löschest Du das Licht aus, also hast Du's vergessen!"
„Ich Hab' cs heute angezündet," erwidert der
Staatsdienstadspirant, „also trifft Dich das Auslöschen!"
„Umgekehrt! Wer anzündet, muß auch auslöschen.
I ch lösche das Licht nicht aus!" brummt der Poly-
techniker und kehrt sein Gesicht der Wand zu.
Otto, der keinen schlagenden Einwand mehr weiß,
wirst sich gleichfalls ans die andere Seite und spricht im
Umdrehen bestimmt und laut: „Ich auch nicht!"
Lange Pause. — Der dicke Docht des Lichtes entwickelt
einen bedenklichen Räuber. Nun beginnt die Phantasie
der beiden Brüder ihr schauerliches Spiel. Der Poly-
techniker sieht sich schon mit zerstückelten Gliedern durch die
Lust fliegen, der Staatsdienstadspirant erblickt sich auf der An-
klagebank und besinnt sich, ob er seine Vcrtheidignng selbst führen
oder einem Anwalt übertragen soll.
Jetzt dreht sich Otto, der ältere, wieder um. Das Licht
flackert bereits bedenklich und läuft ab. „Lieber Hypolit," be-
ginnt Otto gelassen, „Du wirst einsehen, Einer muß das Licht
Wer löscht 's Licht aus?
Zwei Brüder, Hypolit, ein Polytechniker, und Otto, ein
Staatsdienstadspirant, sind später als gewöhnlich heimgekommen,
und da cs in ihrer großen, von der übrigen Wohnung getrennten
Jnnggesellcnstnbe bitter kalt ist, rasch zu Bette gegangen. Kalt
schlafen ist gesund, hat aber auch sein Unangenehmes, besonders
wenn man in einer eisigen Winternacht sich in die Bettdecke ver-
graben hat und dann erst bemerkt, daß man das Licht hat brennen
lassen. In dieser Lage befinden sich die beiden Brüder. Der
O Kanonier, o Kanonier,
O wären doch vcrch'licht wir!
Wie müßt' cs dann in unscrm Kämmerlein
So traulich, so gcmüthlich sein.
O Kanonier, o Kanonier,
Ich süß' dann immer neben Dir.
O Kanonier, o Kanonier,
lind hätten wir der Buben vier!
War' jeder dann gereift zum Mann,
Müßt' jeder werden mir alsdann
Ein Kanonier, ein Kanonier,
Dein Ebenbild, so ganz nach Dir!"
£. Meggen-orfer.
Tisch, auf dem das brennende Talglicht in einem Handlenchter steht,
ist in der Mitte des Zimmers und von: Bett ans unerreichbar.
Auf dem Tische liegen viele Papierschnitzeln, ein Pulverhorn und
eine Schachtel mit Knallsilber. Die Gefährlichkeit der Situation
ist beiden Brüdern sofort klar, aber jeder hofft auf den Andern
und Keiner rührt sich. Die Bettwärme wird immer behaglicher,
das Licht immer kürzer. Der Polytechniker erwägt die zerstörende
Wirkung des Knallsilbers, der Staatsdienstadspirant die straf-
rechtlichen und civilrechtlichen Folgen einer fahrlässigen Brand-
stiftung — aber sie rühren sich nicht. Endlich ergreift
Otto, der Staatsdienstadspirant das Wort, indem er in
möglichst gleichgiltigem Tone sagt: „Hypolit, Du hast das
Licht nuszulöschen vergessen!"
„Ich?" entgegnet der Polytechniker rasch. „Inder
Regel löschest Du das Licht aus, also hast Du's vergessen!"
„Ich Hab' cs heute angezündet," erwidert der
Staatsdienstadspirant, „also trifft Dich das Auslöschen!"
„Umgekehrt! Wer anzündet, muß auch auslöschen.
I ch lösche das Licht nicht aus!" brummt der Poly-
techniker und kehrt sein Gesicht der Wand zu.
Otto, der keinen schlagenden Einwand mehr weiß,
wirst sich gleichfalls ans die andere Seite und spricht im
Umdrehen bestimmt und laut: „Ich auch nicht!"
Lange Pause. — Der dicke Docht des Lichtes entwickelt
einen bedenklichen Räuber. Nun beginnt die Phantasie
der beiden Brüder ihr schauerliches Spiel. Der Poly-
techniker sieht sich schon mit zerstückelten Gliedern durch die
Lust fliegen, der Staatsdienstadspirant erblickt sich auf der An-
klagebank und besinnt sich, ob er seine Vcrtheidignng selbst führen
oder einem Anwalt übertragen soll.
Jetzt dreht sich Otto, der ältere, wieder um. Das Licht
flackert bereits bedenklich und läuft ab. „Lieber Hypolit," be-
ginnt Otto gelassen, „Du wirst einsehen, Einer muß das Licht
Wer löscht 's Licht aus?
Zwei Brüder, Hypolit, ein Polytechniker, und Otto, ein
Staatsdienstadspirant, sind später als gewöhnlich heimgekommen,
und da cs in ihrer großen, von der übrigen Wohnung getrennten
Jnnggesellcnstnbe bitter kalt ist, rasch zu Bette gegangen. Kalt
schlafen ist gesund, hat aber auch sein Unangenehmes, besonders
wenn man in einer eisigen Winternacht sich in die Bettdecke ver-
graben hat und dann erst bemerkt, daß man das Licht hat brennen
lassen. In dieser Lage befinden sich die beiden Brüder. Der
O Kanonier, o Kanonier,
O wären doch vcrch'licht wir!
Wie müßt' cs dann in unscrm Kämmerlein
So traulich, so gcmüthlich sein.
O Kanonier, o Kanonier,
Ich süß' dann immer neben Dir.
O Kanonier, o Kanonier,
lind hätten wir der Buben vier!
War' jeder dann gereift zum Mann,
Müßt' jeder werden mir alsdann
Ein Kanonier, ein Kanonier,
Dein Ebenbild, so ganz nach Dir!"
£. Meggen-orfer.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"O Kanonier!" "Wer löscht's Licht aus?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 66.1877, Nr. 1644, S. 26
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg