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Ni ißve r st a n den.

Gasthause, i» Gesellschaft von Bekannten zuzubringcn; er saß
lieber bis tief in die Nacht hinein dort bei'in Kartenspiel, als
das; er, wie in den ersten Tagen seiner Verehelichung, sich's
zu Hanse bequem machte und in freundlichem Geplauder mit
seiner Gattin den Abend verbrachte.

Die junge Frau empfand es allerdings tief, wie sehr es
anders geworden war, als so, wie sic sich das Glück der Ehe
erwartet hatte; allein sie schwieg; sie liebte ihren Mann und
wollte ihm eine treue, sorgsame Hausfrau sein, ohne von ihm
irgend ein Opfer — das, wie sic meinte, seiner Neigung wider-
strebt hätte — zu verlangen. Ihr Schweigen aber schien dem
Gemahl immer noch mehr die Gleichgiltigkeit zu bestätigen, die
er an ihr nicht mehr bezweifeln konnte; und so war zwischen
Beiden die trennende Kluft eine solche geworden, daß über sie
keine Brücke mehr zu führen schien.

Der Jnspcctor Richter war jeder Zeit froh, wenn seine
Bcrufspflicht ihm auswärts zu schaffen machte; er ging mit Ver-
gnügen auf Reisen und suchte sich, wenn er vom Hanse abwesend
war, so viel als möglich Zerstreuung zu verschaffen; er wandte
Alles auf, um zu vergessen, daß er in der That nicht glücklich
war. Die Unordnung, welche hiedurch in seiner sonst so ge-
regelten Lebensweise entstand, wirkte indessen höchst nachtheilig
auf seine Gesundheit; es bemächtigte sich seiner eine krankhafte
Gereiztheit und als er sich ans einer seiner Reisen eines Tages
in Hafenstadt befand, fühlte er sich Morgens beim Erwachen
so unwohl, daß er cs nicht rathsam fand, länger vom Hause
wcgzubleibcn. Er entschloß sich, mit dem nächsten Bahn-
znge direct zurück zu fahren, und da dieser Zug erst in der
Nacht zwischen 11 und 12 Uhr in seiner Heimath anlangtc,
ein unvorbereitetes Nachhausekommen zu solcher Stunde leicht
Unannehmlichkeiten verursachen konnte, beschloß er, seine Ankunft
der Gattin in möglichster Kürze telegraphisch anzuzeigen.

Der Kellner besorgte das Telegramm ganz pünktlich und als
nach etlichen Munden der Bahnzug abging, lehnte der Jnspcctor

Richter zwar gemächlich, aber doch mit einem sehr verdrießlichen
Gesichte in der Ecke eines der dahin rollenden Wagen.

Es war ein unfreundliches, kaltes und regnerisches Wetter-,
wer nicht reisen mußte, hätte sich gciviß diesen Tag zur Fahrt
nicht ansersehen; und dieses Wetter paßte ganz zu der Stimmung
Richters. Er hatte wenig Gesellschaft im Wagen; er sprach keine
Silbe und nur von Zeit zu Zeit warf er einmal einen Blick durch
das Fenster in's Freie hinaus; dann saß er wieder still dort
und brütete vor sich hin. So hatte er schon von Station zu
Station die Hälfte des Weges znrückgclegt, als wieder einmal
aus dem dumpfen Schweigen der grelle Pfiff der Locomotivc ihn
anfschreckte. Ein entgegenkommender Zug brauste heran. Richter
blickte, als dieser ans dem nahen Geleise pfeilschnell vorübcrrollte,
hinaus und — hatte er recht gesehen? — war es nicht seine Frau,
die er dort in einem der vorüberfliegendcn Wägen gesehen?' —
Er konnte sich nicht getäuscht haben: Ihr Gesicht war es, das
er im Fluge erblickt hatte, und es war auch ihr Hut mit den
blauen Bändern, den sie trug — sie war cs! Nur einen Herrn,
sonst Niemand hatte er im Conpv bei ihr gesehen. Wo konnte
sie hin wollen? — Wer war der Herr, der mit ihr reiste? —
Sie war doch sonst so ängstlich; das Reisen war ihr etwas so
Ungewohntes; dazu noch das unfreundliche Wetter — und doch
war ihr das Reisen eingefallen! — Sic mußte sein Telegramm
erhalten haben und was konnte sic, wenn sie in den Besitz seiner
Nachricht gekommen, mit ihrer Fahrt beabsichtigen? — Nichts, gar
nichts Anderes, als nur das Eine — nur ihm, ihrem Gemahl, aus
dem Wege zu gehen! _ (Schluß folgt.)

Unverschuldet.

Er: „Behüt' Dich Gott, Lein, meine Dienstzeit ist ans; ich
: gehe jetzt in meine Heimath und Du bist wieder frei." — Sie:
„Was? Du ivillst mich verlassen — jetzt nach drei Jahren?"
— Er: „Ja — was kann denn ich dafür, daß die Dienst-
zeit gerade nur drei Jahr' dauert?"

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

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Titel/Objekt
"Mißverstanden" "Unverschuldet"
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Fliegende Blätter
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

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Entstehungsort (GND)
München

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Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
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Wortspiel
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Dienstmädchen <Motiv>
Bediensteter
Nachdenklichkeit
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Abschied <Motiv>
Eisenbahnwagen
Karikatur
Reise <Motiv>
Ehemann <Motiv>
Kirchturm <Motiv>
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Fliegende Blätter, 66.1877, Nr. 1652, S. 91

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