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Eine Luftfahrt.
keine Zeit zu verlieren war, so begab ich mich auf eigene Faust
daran, die übrigen Sandsäcke zu leeren.
Als Mstr. Blak so weit war, eS zu bemerken, nickte er
Beifall, unv deutete zugleich an, den übrigen edeln Ballast
auSzuwersen, und so flogen denn die Würste, der ChesterkäS,
die Gänsebrust, die Pastete, der Fasan hinab. WaS mögen
die Bauern unten für Augm gemacht haben, als ihnen ge-
wiffermaffen ein gebratener Fasan inS Maul flog. Ihnen
solgten Bordeaux, Champagner, Tokaier und Rheinwein.
Trotz aller Roth schnitt eS mir durch die Seele, als ich den
edlen Schloß - Johannisberger - Goldlack ungenoffen so den
Lüften preisgeben mußte.
Unterdessen war Mstr. Blak in die Gondel herabgestiegen.
Der Luftzug ging immer stärker aufwärts. Wir beiden war-
fen die Pelze, und was wir sonst an Kleidungsstücken leicht
los werden konnten, gleichfalls hinab.
Mstr. Blak verglich daS Steigen des Barometers mit dem
Gange seiner Sekundenuhr. Der kühne Mann wurde todten-
bleich. .Hundertfünfzig Fuß in der Sekunde,' rief er. Nach-
dem er seine beiden Passagiere einen Augenblick mit den
Augen gemessen hatte, kam er auf, mich zu— und sagte mit
unterdrückter Stimme: .Sie scheinen ein vernünftiger Mann
zu sein. Hier gilt eS ein Opfer, oder wir find alle drei
verloren.'
.Wie!' erwiederie ich, .und Sie verlangen, ich solle das
Opfer sein!' Dabei blickte ich in die grauenhafte Tiefe unter
mir, und die Haare stiegen mir zu Berge.
.Nicht doch! Es würde schwerlich reichen. Der da!' Dabei
deurete er rückwärts auf Goldmann. »Frisch angefaßt. Es
ist kein Augenblick zu verlieren.'
.Nimmermehr!' rief ich entsetzt.
.Wie, Sie wollen nicht?' sprach er mit einem grauenhaften
Lachen. .6o<! äsm, besser zwei als drei!' Nach diesen Worten
sprang er hinauf in den Ring, zog ein Messer, und machte
Miene die Gondel abzuschneiden.
.Ums Himmels Willen, halten Sie ein!' schrie ich. »Ich
will, ich will!'
.Nun denn, ohne Zögern!' damit sprang er wieder hinab.
Goldmann saß noch immer in seiner früheren Stellung.
AuS Furcht vor einer Gefahr, die kommen könnte, hatte er
gar nicht bemerkt, daß sie wirklich gekommen war. Wer be-
schreibt sein Entsetzen, als wir Miene machten, ihn aus der
Gondel zu werfen. So viele Mühe wir früher gehabt hatten,
ihn in der Gondel zu halten, so schwer fiel eS uns jetzt, ihn
hinaus zu bringen. Er klammerte sich überall an, jammerte
und flehte um Erbarmen. Aber der Trieb der Selbsterhal-
tung hatte uns zu wilden Thieren gemacht, wir waren taub
für sein Flehen. Unfern vereinten Kräften widerstand er nicht
lange. Noch einmal griff er nach dem Ankertaue, aber es
war ein trügerischer HoffnungSanker, er erreichte damit nichts
anderes als Tau und Anker mit sich in Tiefe zu ziehen. Er
— stürzte hinab.
Erschöpft sank ich aus seinen Sitz. Kalter Schweiß drang
mir aus allen Poren. Zum erstenmal hatte ich ein Menschen-
leben geendet.
Aber ungeachtet deS Opfers bemerkten wir noch immer keine
Aenderung im Fallen deS Ballons, trotzdem, daß wir in im-
mer dichtere und schwerere Luftschichten gerielhen. Mstr. Blak
warf einige Papierschnitzel auS. Sie schossen wie die Pfeile
aufwärts und waren wie der Blitz verschwunden.
Aufs Neue trat er mit der Sekundenuhr zu dem Baro-
meter. Ich lauerte mit Luchsaugen auf jede seiner Bewegun-
gen. Er schien unruhig, warf mir einen lauernden Blick zu,
und wollte rasch in den Ring steigen.
Ich errieth die Absicht, hing mich an seine Füße, und zog
ihn hinab. Dann klammerte ich mich um seine Brust und
Eine Luftfahrt.
keine Zeit zu verlieren war, so begab ich mich auf eigene Faust
daran, die übrigen Sandsäcke zu leeren.
Als Mstr. Blak so weit war, eS zu bemerken, nickte er
Beifall, unv deutete zugleich an, den übrigen edeln Ballast
auSzuwersen, und so flogen denn die Würste, der ChesterkäS,
die Gänsebrust, die Pastete, der Fasan hinab. WaS mögen
die Bauern unten für Augm gemacht haben, als ihnen ge-
wiffermaffen ein gebratener Fasan inS Maul flog. Ihnen
solgten Bordeaux, Champagner, Tokaier und Rheinwein.
Trotz aller Roth schnitt eS mir durch die Seele, als ich den
edlen Schloß - Johannisberger - Goldlack ungenoffen so den
Lüften preisgeben mußte.
Unterdessen war Mstr. Blak in die Gondel herabgestiegen.
Der Luftzug ging immer stärker aufwärts. Wir beiden war-
fen die Pelze, und was wir sonst an Kleidungsstücken leicht
los werden konnten, gleichfalls hinab.
Mstr. Blak verglich daS Steigen des Barometers mit dem
Gange seiner Sekundenuhr. Der kühne Mann wurde todten-
bleich. .Hundertfünfzig Fuß in der Sekunde,' rief er. Nach-
dem er seine beiden Passagiere einen Augenblick mit den
Augen gemessen hatte, kam er auf, mich zu— und sagte mit
unterdrückter Stimme: .Sie scheinen ein vernünftiger Mann
zu sein. Hier gilt eS ein Opfer, oder wir find alle drei
verloren.'
.Wie!' erwiederie ich, .und Sie verlangen, ich solle das
Opfer sein!' Dabei blickte ich in die grauenhafte Tiefe unter
mir, und die Haare stiegen mir zu Berge.
.Nicht doch! Es würde schwerlich reichen. Der da!' Dabei
deurete er rückwärts auf Goldmann. »Frisch angefaßt. Es
ist kein Augenblick zu verlieren.'
.Nimmermehr!' rief ich entsetzt.
.Wie, Sie wollen nicht?' sprach er mit einem grauenhaften
Lachen. .6o<! äsm, besser zwei als drei!' Nach diesen Worten
sprang er hinauf in den Ring, zog ein Messer, und machte
Miene die Gondel abzuschneiden.
.Ums Himmels Willen, halten Sie ein!' schrie ich. »Ich
will, ich will!'
.Nun denn, ohne Zögern!' damit sprang er wieder hinab.
Goldmann saß noch immer in seiner früheren Stellung.
AuS Furcht vor einer Gefahr, die kommen könnte, hatte er
gar nicht bemerkt, daß sie wirklich gekommen war. Wer be-
schreibt sein Entsetzen, als wir Miene machten, ihn aus der
Gondel zu werfen. So viele Mühe wir früher gehabt hatten,
ihn in der Gondel zu halten, so schwer fiel eS uns jetzt, ihn
hinaus zu bringen. Er klammerte sich überall an, jammerte
und flehte um Erbarmen. Aber der Trieb der Selbsterhal-
tung hatte uns zu wilden Thieren gemacht, wir waren taub
für sein Flehen. Unfern vereinten Kräften widerstand er nicht
lange. Noch einmal griff er nach dem Ankertaue, aber es
war ein trügerischer HoffnungSanker, er erreichte damit nichts
anderes als Tau und Anker mit sich in Tiefe zu ziehen. Er
— stürzte hinab.
Erschöpft sank ich aus seinen Sitz. Kalter Schweiß drang
mir aus allen Poren. Zum erstenmal hatte ich ein Menschen-
leben geendet.
Aber ungeachtet deS Opfers bemerkten wir noch immer keine
Aenderung im Fallen deS Ballons, trotzdem, daß wir in im-
mer dichtere und schwerere Luftschichten gerielhen. Mstr. Blak
warf einige Papierschnitzel auS. Sie schossen wie die Pfeile
aufwärts und waren wie der Blitz verschwunden.
Aufs Neue trat er mit der Sekundenuhr zu dem Baro-
meter. Ich lauerte mit Luchsaugen auf jede seiner Bewegun-
gen. Er schien unruhig, warf mir einen lauernden Blick zu,
und wollte rasch in den Ring steigen.
Ich errieth die Absicht, hing mich an seine Füße, und zog
ihn hinab. Dann klammerte ich mich um seine Brust und
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Eine Luftfahrt"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Thema/Bildinhalt (normiert)
Ballongondel <Motiv>
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 7.1848, Nr. 153, S. 66
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg