Ludwig Bnlifrij.
142 Böses Ende.
Eine Ballade.
Modeborschlag.
(Muff und Jaquet vereinigt.)
Ein schlauer Anwalt.
Es ist ein blauer, wolkenloser Sommertag.
Trotz des frühen Morgens brennt die Sonne
schon heiß herab auf die staubige Landstraße, die
nach Lentersheim, dem Sitz des Amtsgerichtes,
führt, wo heute in Sachen Müller gegen Schlucker
wegen Forderung Verhandlung anberaumt ist.
Ih'. Streiter, ein vielbeschäftigter, alter Anwalt,
der den reichen Müller vertritt, fährt zur Ver-
handlung bequem im eigenen Wagen, wahrend
Dr. Schlaumeier, der Anwalt des armen Beklag-
ten, ein junger Anfänger, schon um einige Stunden
früher aufbrechen mußte und zu Fuße geht. Ein
paar Stunden vor Lentersheim sieht Dr. Streiter
seinen College» im Staube wandeln, und während
er an demselben vorüberfahrt, ruft er ihm herab-
lassend, jedoch mit etwas höhnischem Tone zu:
„Guten Morgen, Herr Collega — guten Morgen!"
Dr. Schlaumeier erwidert den Gruß mit einer-
tiefen Verbeugung, im nächsten Augenblicke ver-
hüllen ihn die Staubwolken.
In Lentersheim angekommen, denkt sich
Dr. Streiter: „Bis mein Gegner nachkommt, ver-
geht mindestens eine gute Stunde, da kannst du
eine Flasche Wein zu dir nehmen, dann plaidirt
sich's besser." Er setzt sich im Gasthause zum
goldenen Ochsen in die Laube und thnt sich bvno.
Nach einer Stunde begibt er sich langsam zum
Amtsgerichte — aber wie er die Treppe empor-
steigt, begegnet ihm der College Schlaumeier und
Als das letzte Stündlein nahet
Dem erlauchten Herrn von Geier,
Sagt er seinem Erstgebornen:
„Hol' mir von der Wand die
Leier."
Und es faßt sie und cs rufet
Der erlauchte Herr von Geier:
„Nimm sie hin, mein Erstgebor'ner,
Nimm sie hin, die alte Leier!
Von dem Adel der Geburt nur
Klang sic laut bei jeder Feier
In das Ohr der Ebenbürt'gen.
Ja, das ist die alte Leier!
D'rum, wie meine stolzen Ahnen,
War sie mir sehr lieb und theuer;
Lieb und theuer dessentwegen
Sei auch Dir die alte Leier!"
So von Vätern aus die Söhne.
Im Geschlecht der Herrn von Geier
War als unvergleichlich Erbstück
Hochgeehrt die alte Leier.
Als jedoch der Geier Letztem
Sank auf's Aug' des Todes Schleier,
Kam zur Gant sein ganz Besitzthum,
Und das war die alte Leier.
Doch kein menschlich Wesen wollte
D'rauf nur bieten einen Dreier.
In der Rumpelkammer frißt der
Holzwurm jetzt die alte Leier.
Spricht's und schließt die Augen-
dcckcl.
Und der junge Graf von Geier
Läßt, wie die erlauchten Väter,
Hören stets die alte Leier.
142 Böses Ende.
Eine Ballade.
Modeborschlag.
(Muff und Jaquet vereinigt.)
Ein schlauer Anwalt.
Es ist ein blauer, wolkenloser Sommertag.
Trotz des frühen Morgens brennt die Sonne
schon heiß herab auf die staubige Landstraße, die
nach Lentersheim, dem Sitz des Amtsgerichtes,
führt, wo heute in Sachen Müller gegen Schlucker
wegen Forderung Verhandlung anberaumt ist.
Ih'. Streiter, ein vielbeschäftigter, alter Anwalt,
der den reichen Müller vertritt, fährt zur Ver-
handlung bequem im eigenen Wagen, wahrend
Dr. Schlaumeier, der Anwalt des armen Beklag-
ten, ein junger Anfänger, schon um einige Stunden
früher aufbrechen mußte und zu Fuße geht. Ein
paar Stunden vor Lentersheim sieht Dr. Streiter
seinen College» im Staube wandeln, und während
er an demselben vorüberfahrt, ruft er ihm herab-
lassend, jedoch mit etwas höhnischem Tone zu:
„Guten Morgen, Herr Collega — guten Morgen!"
Dr. Schlaumeier erwidert den Gruß mit einer-
tiefen Verbeugung, im nächsten Augenblicke ver-
hüllen ihn die Staubwolken.
In Lentersheim angekommen, denkt sich
Dr. Streiter: „Bis mein Gegner nachkommt, ver-
geht mindestens eine gute Stunde, da kannst du
eine Flasche Wein zu dir nehmen, dann plaidirt
sich's besser." Er setzt sich im Gasthause zum
goldenen Ochsen in die Laube und thnt sich bvno.
Nach einer Stunde begibt er sich langsam zum
Amtsgerichte — aber wie er die Treppe empor-
steigt, begegnet ihm der College Schlaumeier und
Als das letzte Stündlein nahet
Dem erlauchten Herrn von Geier,
Sagt er seinem Erstgebornen:
„Hol' mir von der Wand die
Leier."
Und es faßt sie und cs rufet
Der erlauchte Herr von Geier:
„Nimm sie hin, mein Erstgebor'ner,
Nimm sie hin, die alte Leier!
Von dem Adel der Geburt nur
Klang sic laut bei jeder Feier
In das Ohr der Ebenbürt'gen.
Ja, das ist die alte Leier!
D'rum, wie meine stolzen Ahnen,
War sie mir sehr lieb und theuer;
Lieb und theuer dessentwegen
Sei auch Dir die alte Leier!"
So von Vätern aus die Söhne.
Im Geschlecht der Herrn von Geier
War als unvergleichlich Erbstück
Hochgeehrt die alte Leier.
Als jedoch der Geier Letztem
Sank auf's Aug' des Todes Schleier,
Kam zur Gant sein ganz Besitzthum,
Und das war die alte Leier.
Doch kein menschlich Wesen wollte
D'rauf nur bieten einen Dreier.
In der Rumpelkammer frißt der
Holzwurm jetzt die alte Leier.
Spricht's und schließt die Augen-
dcckcl.
Und der junge Graf von Geier
Läßt, wie die erlauchten Väter,
Hören stets die alte Leier.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Böses Ende" "Modevorschlag"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 73.1880, Nr. 1840, S. 142
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg