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Der wiedergefundcnc Gelehrte.

(Eine Räubergeschichte.)

Professor De. Hüringsbrill war von allen deutschen
Gelehrten einer der Zerstreutesten. Diese üble Eigenschaft hatte
ihm schon viele schlimme Streiche gespielt, so daß er schließlich
zum Papier seine Zuflucht nahm und iiber Alles genau Buch
führte. Er notirte sich, was er zu besorgen hatte, wo er etwas
hinlegte, etwas wegnahm, so daß zuletzt, besonders immer, ehe
er zu Bette ging. Alles genau im Notizbuch verzeichnet stand,
was sich in seiner Stube befand, damit er es am andern
Morgen wieder an Ort und Stelle zu finden im Stande war.

Voll kummervoller Sorge und sorgenvollem Kummer kommt
er nun eines Abends nach Hause, will eben sich zur Ruhe be-
geben und seufzt tief auf über die noch zu besorgenden Notizen.
Wollte er das unterlassen, das wußte er, so würde er am
andern Tage eine zehnfache Arbeit durch da-:- Suchen haben.

Also nolöus volsns setzte er sich hin, nahm die Feder und
fing zu schreiben an: „Stiefelbürsten auf dem Juvenal, Juvenal
auf dem rechten Bücherbrette, Wichse links daneben. Steucr-
mahnzettel (da seufzte er wieder tief auf) unter dem Tinten-
faß auf dem Tische, Federn und Tinte auf dem Steuer-
zettcl, Schreibetisch am Fenster." So ging er immer weiter,
bis er zu den Stiefeln und Strümpfen kam. Nun hieß es:
„Stiefelknecht unter'm Stuhl, Stuhl neben dem Bette;" und
im Bett, setzte er noch weiter fort: „Bett neben dem Nachttisch,
Nachttisch unter der Lampe," und schließlich: „Dr. Häringsbrill

in den Unterhosen, Unterhosen im Bett." Und - damit
Gott befohlen! schlief er ein.

Am andern Morgen sehen wir den Professor in bester
Laune aufstchcn, das Notizbuch nehmen, zu den Stiefelbürsten
und zum Juvenal schreiten, um sich zu überzeugen, ob Alles
noch auf dem rechten Platze ist. Doch welcher Gelehrte kann den
Juvenal sehen, ohne danach zu greifen, ohne sich mindestens eine
halbe Stunde in den Inhalt zu vertiefen. Auch Dr. Härings-
brill konnte cs nicht und trank mit begierigen Zügen einige
Satpren aus und setzte hernach seine Untersuchung weiter fort.
Von einem Gegenstände zum andern geht er, und Alles ist in
bester Ordnung, und nun kommt er auch nn's Bett. Doch
was bot sich ihm dar? Sollte er seinen Augen trauen? Ganz
deutlich, Schwarz auf Weiß, steht: „Dr. Häringsbrill in den
Unterhosen, Unterhosen im Bett." Urgo folgert er: Dr. Härings-

brill im Bett, und nun, o Schrecken! das Bett ist leer! Da
bleibt nur das Einzige übrig, die Polizei in Kenntnis; zu setzen.

Alsbald kommt an die Polizei die schriftliche Anzeige, daß
Professor Dr. Häringsbrill in der Nacht vom 12. zum 13. Irusus
plötzlich verschwunden sei, daß alle Haussuchungen erfolglos
geblieben wären, daß man ein Verbrechen vermuthe. Man
bitte daher um baldige Nachforschungen.

Den ganzen Tag verbrachte der Professor in banger Er-
wartung in seiner Wohnung, ohne Speise und Trank zu sich
zu nehmen. Voller Gram und an Leib und Seele geschlagen,
ging er Abends zu Bette. Die verschiedensten Ahnungen und die
buntesten Vermuthungen durchflogen den gelehrten Hirnkasten,
bis der Schlaf sich seiner bemächtigt hatte. Ruhig schlief er die
ganze Nacht. Er träumte nicht. Sein ganzes Leben glich ja
einem Traum; sollte er noch den Schlaf dem Traume widmen? —
Wir finden ihn am andern Morgen im tiefen Schlummer,
als es stark an seiner Thürc klopfte und die Criminalbcamten
um Einlaß begehrten. Aber Häringsbrill schlief fest.

Sic versuchten die Thüre aufzumachcn und es gelang
ihnen mit Leichtigkeit, denn Häringsbrill hatte am letzten Abend
vergessen, die Thüre zuzuriegeln. Doch was mußten sie scheu!
S>c wollten die Verbrechens-Stätte in Augenschein nehmen und

finden den Verschollenen in den weichen, warmen Federn! Er
wird geweckt, sieht erstaunt die Beamten um sich — da geht
ihm ein Licht auf und er findet sich mit einem freudigen
Aufschrei wieder in seinem Bette. Carl ziobiiiso».
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der wiedergefundene Gelehrte"
Weitere Titel/Paralleltitel
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Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

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Werktitel/Werkverzeichnis

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Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

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Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

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Digitales Bild
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Fliegende Blätter, 73.1880, Nr. 1844, S. 171

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