Der Soldatenbrief.
und die Gretl, die d'rauf saß und in süßen Gedanken war,
wurde recht arg dabei geschüttelt. Freilich, so ein Schütteln
und Hopsen ließe man sich gern gefallen, wenn Ein's nur das
Lesen gelernt hätte. Zum Versterben war's fast, hat man seinen
Brief in der Hand und weiß nicht, was er einem schreibt.
Sie war schon dort, wo der Wald aushört und die Wiese
anhebt — nun that sie auf einmal einen Juchschrei und sprang
vom Karren. Sie hatte die Christl erblickt, die über dem Zaun
Eschenlaub sammelte.
„Bist auch da, Christl!" schrie sie hinüber, „geh' magst
nicht ein Eichtl herüberhnpsen zu mir, ich zieh' Dir zwei Stangen
aus." Aber die Stangen waren störrig und die Lücke in dem
Zaun nicht so leicht gemacht. So lehnten sich Beide nur so
daran und ließen die Stangen und Stecken, wie sie waren,
dazwischen. „Wirst es nicht meinen, was ich Neues bei mir Hab'",
sagte die Gretl freudestrahlend, „einen Soldatcnbrief vom Hanns,
hörst wohl, vom Hanns, und sein Pnltree (Portrait) ist auch
dabei, und für mich, für die Margaretha Krautwascherin, ge-
hört er, der Brief da." — Die Christl hatte mit beiden j
Händen emporgezuckt: „Geh', laß' schauen!"
Sie sahen den gemalten Krieger an. Sie steckten die Köpfe
zusammen; Christls Hände zitterten fast und wollten der Ander'n
das Papier ans den Fingern zerren: „Nein, Du, auslaß' ich
ihn nicht!" sagte Gretl, aber um das bitt' ich Dich, lesen ihn'
mir ihn; kannst dafür wissen, was d'rin steht. Gelt, Christl,
lesen, das wirst mir nicht versagen, gelt nit?"
Da versetzte die Andere: „Weißt, Gretl, das ist halt so,
sagen will ich Dir's wohl, wie's ist. Sichst, Drucklesen, das-
sclb' kann ich, aber Schriftlesen, weißt, das Hab' ich halt nicht
gelernt. Vom Herzen gern, daß ich's thät'."
(Schluß folgt.)
Sonderbare Logik.
Frau (zu ihrem Zimmerherrn): „Ach Gott, ach Gott, Herr
Professor, das Unglück! Fällt heute Morgen ein Kind vom dritten
Stockwerk. . ." — Professor: „Trösten Sie sich! Viel bc'sscr,
fällt ein Kind vom dritten Stock, als drei vom ersten!"
S ch l a u.
Gin Gerichtsvollzieher pfändet einem Bauern ein fettes Schwein
vmdct den Pfandzettel an den Schwanz des Thieres und tvill cs
Schlau. 139
in vier Tagen abholen lassen. „Heul' net, Alte", sagt der Bauer,
„die Sau fressen wir, — 's Schwanz! kann er b'halt'n!"
Aus dem Gerichtssaal.
Präsident: „Was hat Sie zu dem Diebstahl veranlaßt?" -
Angeklagter: „Wissen S', Herr Präsident, mein Vater hat mich
von Kindheit auf zur strengen Ordnung angehaltcn und da kann
ich halt nichts — herumliegen sehen!"
Oeffentliche Abbitte.
Ich erkläre, daß meine jüngst coram publico über Herrn Bäckerei-
bcsitzcr Christian Teigkneter gemachte Bemerkung: derselbe sei ein
Saukerl und liefere unter dem Normalgewichte kleine Semmeln,
„unrichtig" ist, und daß diese Bemerkung nur in der Hitze des
Wortgefechtes gemacht wurde, und nehme ich hiemit den „Saukerl",
sowie die „kleinen Semmeln" öffentlich zurück.
A. Laibl,
... bürgerl. Bäckermeister.
Das verlassene Haus.
tf||ort sind sie All', die einst in schön'reu Tagen
'f’i? Hier heiter wohnten; von dem Zahn der Zeit
Benagt sicht man den morschen Giebel ragen
In trauriger und öder Einsamkeit.
Der Epheu nur umschlingt in alter Treue
Die Mauer, die verwittert und verweht.
Und deckt, damit das Auge sich nicht scheue.
Den tiefen Riß, der bis in's Jnn're geht.
Wenn dann des Nachts unheimlich und mit Sauscit
Der Wind durch die gebroch'nen Scheiben streicht.
Da fühlt das morsche Haus des Todes Grausen
Und ahnt, daß bald die letzte Stütze weicht.
Doch kommt am Tag der Sonnenschein, der milde.
So regt sich's >vie ein Sehnen wunderbar.
Als fragte bang das schwankende Gebilde:
Kommt Keiner wieder, der hier glücklich war?
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und die Gretl, die d'rauf saß und in süßen Gedanken war,
wurde recht arg dabei geschüttelt. Freilich, so ein Schütteln
und Hopsen ließe man sich gern gefallen, wenn Ein's nur das
Lesen gelernt hätte. Zum Versterben war's fast, hat man seinen
Brief in der Hand und weiß nicht, was er einem schreibt.
Sie war schon dort, wo der Wald aushört und die Wiese
anhebt — nun that sie auf einmal einen Juchschrei und sprang
vom Karren. Sie hatte die Christl erblickt, die über dem Zaun
Eschenlaub sammelte.
„Bist auch da, Christl!" schrie sie hinüber, „geh' magst
nicht ein Eichtl herüberhnpsen zu mir, ich zieh' Dir zwei Stangen
aus." Aber die Stangen waren störrig und die Lücke in dem
Zaun nicht so leicht gemacht. So lehnten sich Beide nur so
daran und ließen die Stangen und Stecken, wie sie waren,
dazwischen. „Wirst es nicht meinen, was ich Neues bei mir Hab'",
sagte die Gretl freudestrahlend, „einen Soldatcnbrief vom Hanns,
hörst wohl, vom Hanns, und sein Pnltree (Portrait) ist auch
dabei, und für mich, für die Margaretha Krautwascherin, ge-
hört er, der Brief da." — Die Christl hatte mit beiden j
Händen emporgezuckt: „Geh', laß' schauen!"
Sie sahen den gemalten Krieger an. Sie steckten die Köpfe
zusammen; Christls Hände zitterten fast und wollten der Ander'n
das Papier ans den Fingern zerren: „Nein, Du, auslaß' ich
ihn nicht!" sagte Gretl, aber um das bitt' ich Dich, lesen ihn'
mir ihn; kannst dafür wissen, was d'rin steht. Gelt, Christl,
lesen, das wirst mir nicht versagen, gelt nit?"
Da versetzte die Andere: „Weißt, Gretl, das ist halt so,
sagen will ich Dir's wohl, wie's ist. Sichst, Drucklesen, das-
sclb' kann ich, aber Schriftlesen, weißt, das Hab' ich halt nicht
gelernt. Vom Herzen gern, daß ich's thät'."
(Schluß folgt.)
Sonderbare Logik.
Frau (zu ihrem Zimmerherrn): „Ach Gott, ach Gott, Herr
Professor, das Unglück! Fällt heute Morgen ein Kind vom dritten
Stockwerk. . ." — Professor: „Trösten Sie sich! Viel bc'sscr,
fällt ein Kind vom dritten Stock, als drei vom ersten!"
S ch l a u.
Gin Gerichtsvollzieher pfändet einem Bauern ein fettes Schwein
vmdct den Pfandzettel an den Schwanz des Thieres und tvill cs
Schlau. 139
in vier Tagen abholen lassen. „Heul' net, Alte", sagt der Bauer,
„die Sau fressen wir, — 's Schwanz! kann er b'halt'n!"
Aus dem Gerichtssaal.
Präsident: „Was hat Sie zu dem Diebstahl veranlaßt?" -
Angeklagter: „Wissen S', Herr Präsident, mein Vater hat mich
von Kindheit auf zur strengen Ordnung angehaltcn und da kann
ich halt nichts — herumliegen sehen!"
Oeffentliche Abbitte.
Ich erkläre, daß meine jüngst coram publico über Herrn Bäckerei-
bcsitzcr Christian Teigkneter gemachte Bemerkung: derselbe sei ein
Saukerl und liefere unter dem Normalgewichte kleine Semmeln,
„unrichtig" ist, und daß diese Bemerkung nur in der Hitze des
Wortgefechtes gemacht wurde, und nehme ich hiemit den „Saukerl",
sowie die „kleinen Semmeln" öffentlich zurück.
A. Laibl,
... bürgerl. Bäckermeister.
Das verlassene Haus.
tf||ort sind sie All', die einst in schön'reu Tagen
'f’i? Hier heiter wohnten; von dem Zahn der Zeit
Benagt sicht man den morschen Giebel ragen
In trauriger und öder Einsamkeit.
Der Epheu nur umschlingt in alter Treue
Die Mauer, die verwittert und verweht.
Und deckt, damit das Auge sich nicht scheue.
Den tiefen Riß, der bis in's Jnn're geht.
Wenn dann des Nachts unheimlich und mit Sauscit
Der Wind durch die gebroch'nen Scheiben streicht.
Da fühlt das morsche Haus des Todes Grausen
Und ahnt, daß bald die letzte Stütze weicht.
Doch kommt am Tag der Sonnenschein, der milde.
So regt sich's >vie ein Sehnen wunderbar.
Als fragte bang das schwankende Gebilde:
Kommt Keiner wieder, der hier glücklich war?
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Schlau"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsdatum
um 1885
Entstehungsdatum (normiert)
1880 - 1890
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 82.1885, Nr. 2075, S. 139
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg