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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 8.1922

DOI Heft:
VIII. 2
DOI Artikel:
Kinkel, Johann: Zur Frage der psychologischen Grundlagen und des Ursprungs der Religion, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.28550#0207

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Zur Frage der psychologischen Crundiagen und des Ursprungs der Reiigion 197

Zur Frage der psyAotogisAen Grundtagen und
des Ursprungs der Retigion.
Von Dr. JOHANN KINKEL,

IE.
In kurzer Zusammenfassung der hervorgehobenen religions-
psyAologisAen und religionshistorisAen TatsaAen und Momente
wäre darauf hinzuweisen, daß die moderne PsyAologie uns
wiAtige Stützpunkte liefert, um den Ursprung und die gesamte
EntwiAlung der Religionsvorstellungen bei der MensAheit tiefer,
als es bisher mögliA war, zu erfassen. Im Gegensatz zu den
älteren Grundprinzipien unserer Disziplin ist die PsyAologie heute
zu der Erkenntnis gelangt, daß neue Wahrnehmungen (respektive
Begriffe), die der MensA gewinnt, ein Ergebnis gewisser in der
Seele früher akkumulierter Vorstellungen seien. Es ist also jetzt
feststehend, daß wir in alle unsere neuen Wahrnehmungen alte
Vorstellungen, die dem betreffenden Gebiete nahestehen und ihm
verwandt sind, hineinlegen. Besonders deutliA tritt diese TatsaAe
in der infantilen PsyAologie hervor. Das Kind begreift die um-
gebende Welt vom GesiAtspunkte der Kinderstube, vom Stande
punkte der Familien-, respektive der Kinder^Blternbeziehungen
aus. Diejenigen BrsAeinungen nun, die im Gebiete seines infantil
besAränkten Denk*? und Gefühlskreises niAt untergebraAt werden
können, läßt das Kind beiseite, sie bleiben von ihm unbemerkt und
unverstanden, versAwinden völlig aus seinem Bewußtsein. Ganz
dasselbe beobaAten wir bei den primitiven Völkern, respektive
überhaupt der infantilen MensAheit. Die den MensAen besonders
frappierenden NaturersAeinungen — die Entstehung des MensAen,
den Sexualakt — überträgt er auf die Kosmogonie, auf den Welt-
ursprung, und die patriarAal-familiären Verhältnisse und Gestalten
* Siehe Imago, VIII. Jahrgang, Heft 1, S. 23.
 
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