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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 8.1922

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VIII. 3
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Pfister, Oskar Robert: Die Religionspsychologie am Scheideweg
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368

Dr. Oskar Pfister

Die RetigionspsyAotogie am Scheidewege.
Von Dr. OSKAR PFISTER. Zürich.
^"'Mn seltsamer Unstern sdreint über der Religionspsychologie
^ ' zu walten. Soll das Schidcsal des Vieldulders Odysseus
sich an ihr wiederholen? Sie setzte ein mit einer Großtat,
die gewaltige Folgen nach sich zog und das Denken aufs na&-
haltigste beeinflußte: Sddeierma&ers psydroiogische Bearbeitung
des Religionsbegriffes bedeutet einen Wendepunkt der protestanti-
schen Theologie. Allein sie blieb in Allgemeinheiten stecken und
ihre Wandlungen verrieten die stärkste Unsicherheit. Die Nach-
folger schütteten nidit wenig Wasser in den Wein ihrer genialen
Einseitigkeit, und gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts war
man in rührender Einhelligkeit gfüddich bei der Binsenwahrheit
angelangt, daß nicht nur das Gefühl, sondern auch Wille und
Intellekt am religiösen Leben beteiligt seien, wie übrigens an jedem
überhaupt vorkommenden psychischen Phänomen. An dieser Selbst-
verständlidikeit ging das religionspsy&ologisdrelnteresse vorderhand
zugrunde.
Stanley Hall entriß die eingeschlafene Wissenschaft ihrer
Lethargie, indem er nicht mehr nur die Religion im allgemeinen,
sondern die konkreten Frömmigkeitserscheinungen empi-
risch zu erforschen unternahm. Es war ein ungeheurer Fort-
schritt. Allein die allgemeine PsyAologie leistete wenig Hilfe, da
sie mit dem zentralen Geistesleben wenig anzufangen wußte.
Immerhin besaßen Stanley Hall und seine Nachfolger Einsicht
genug, um die Annahme eines schaffenden Unbewußten als
unerläßlich für das Verständnis der Frömmigkeitsäußerungen an^
zuerkennen. Die angewandte Methode der Enquete mit Hilfe von
Fragebogen verhinderte zwar das tiefere entwickiungsgeschi<ht-
liehe Erkennen, doA erwies si& die ganze Richtung als höchst
empfänglich für neue Anregungen, so daß von ihr noch viel zu
erwarten ist.
 
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