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DER NEUE TEMPEL IX LOCK!

übrigens nicht wie Dörpfeld geglaubt hat (nach Petersen S. 174)
die Regel ist, denn die Tempel F und D in Selinus haben das
umgekehrte Verhältnis. Dagegen wäre es möglich, dass die Breite
des Peripteros darauf berechnet war, dass die Cellawand in die
Axe der zweiten Frontsäule fiele, so dass der Grrundriss etwa
in die Zeit des sog. Herculestempels in Akragas oder von G in
Seiiuns gehören würde; älter kann er schon wegen seiner un-
symmetrischen Anten kaum sein. Dass aber die ursprüngliche
Anlage „kaum nahe genug an das Ol. "24,2 (= 083 v. Chr.) an-
gesetzte Grründungsjahr von Locri heranzurücken" sei, wie Peter-
sen S. L75 meint, muss von ihm selbst verantwortet werden.

Was er von Pesten, die dem Oberbau der Cella zugeschrieben
werden könnton, anführt, geringe Bruchstücke von Thonplatten-
verkleidungen und von einer besonders altertümlichen Sima der
in Grela, Syrakus u. a. üblichen Art. weist nicht auf ionische
Formens])räche hin, noch erreicht es die Altertümlichkeif der
Gresimsbildung an dem Megaron der Demeter bei Selinus. Fin-
den (Jmbau fehlt es ganz und gar an Material (über rohe
Säulentrommeln von ca. 70 cm Durchmesser s. Petersen 17 1.
Orsi 260), es sei denn, dass man die Frage aufwerfe, ob nicht
Stücke wie das ionische Capitel] zu ihm und nicht zu dem neuen
Tempel gehörten (vergl. S. 8 r.i.

Der neue Tempel.

Andere Orientierung und aufserordentlieh sorgfältige Technik
unterscheiden den neuen Tempel von dem alten.

Die Fundamente reichen
verschieden tief hinab, am tiefsten
die der Peristase, weniger die
der Cella und am wenigsten die
der Fufsböden im Pteron, im
Pronaos und im Opisthodom. Sie
ruhen sämtlich auf einem dünnen
Bett von plastischem Thon, der
unmöglich, wie Petersen 177
meint, den Zweck gehabt haben
kann, den Stereobat vor Feuch-
tigkeit zu schützen; denn die
unterste Stereobatschicht ist
nach innen und aufsen in den

Stofsfugen geöffnet, ihre einseitige Anathyrose schliefst nur am
oberen Rand, so dass die Bodenfeuchtigkeit zur Seite unbe-
hindert eindringen kann. Es wird sich also vielmehr mir um
eine sorgfältige Einebnung der Baugrube handeln und das
plastisch zähe Material hätte dabei ganz ähnlich gewirkt wie
heutzutage eine Cementschicht. Die Thonschieht ist dank der
sorgfältigen Ausgrabung an vielen Stellen auch da noch sichtbar,
wo die Fundamente ganz verschwunden sind. Die Stellen, die
wir gesehen haben, sind im Plan schräge schraffiert: im (>st-
pteron, unter der östlichen Celläfront, im Pronaos und im Süd-
pteron. Von der Fufsbodenunterlage in der Cella ist ein Pest
auf einem stehen gebliebenen Erdblock neben den Säulenfunda-
menten der alten Cella erhalten geblieben. Puter den Cella-
West- und Ostwänden hat Dörpfeld die Thonschieht gemessen
und sein Mals ist in den Plan Taf. 1 aufgenommen worden,
aber Orsi giebt hierfür S. 258 ausdrücklich 3,60 an (seine an-
deren Cellamafse sind: Oststylobat und Weststylobat je 1,45,
Pronaos -13,00, Cella 19,25, Cellawestwand 0,90, Opisthodom 8,70,
so dass der Pronaos und der Opisthodom gleich grofs gewesen
sein müssten) und er schliefst daraus, dass auf der so breiten
Thonschieht aufser der Thürwand vielleicht auch Treppenhäuser
gestanden hätten.

Wo die Steinfundamente o-eraubt wurden, sind heutzutage
graben förmige geringe Vertiefungen sichtbar, die in der Natur

Abb. 4. Die Ruine des neuen Tempels von SO.
Rechts die beiden noch erhaltenen Stylobatplatten, links der Stylobat des Opisthodom

allerdings nicht, so regelmäfsig und bestimmt auftreten, wie
sie im Plan der Deutlichkeit halber angegeben sind.

Von dem Quaderbau ist im
wesentlichen der westliche Teil
~.-^ —-„, . erhalten. Aber auch hier liegen

vom Stylobat nur noch im Nor-
den zwei Quadern : eine Säulen-
plinthe und eine Zwischen-
plinthe. Doch lässt sich auch
daran noch die absolute und mit
grofser Genauigkeit durchge-
führte Fugenconcordanz bewun-
dern, welche den Stylobat, die
Ober-, die Unterstufe und die
Stereobatkrone nmtässt. Die
Stylobatplinthe ist etwas gröfser
(1.367) als die Zwischenplinthe (1.273). Heide Breiten zusammen
ergeben die Axweite zu 2.04, und dies Mafs wiederholt sich genau
gleichmäfsig in der Summe der beiden Quadern der Oberstufe
und in denen der Stereobatkrone, ebenso wie das Mals der
grofsen Säulenplinthe und der kleineren Zwischenplinthe je in
den Quadermafsen der Unterstufe wiederkehrt. Dasselbe System
absoluter Mafsentsprechung ist an der Front verwendet. Zwar
fehlt hier die Stylobatschicht selbst. Aber die abwechselnden
Längen ihrer Quadern sind an Stemmlöchern und Aufschnü-
rungen auf der Oberstufe zweifellos zu erkennen, und zum
Ueberfhiss ist auch der Fufsbodenbelag des Westpteron in den
Fugen absolut identisch mit dem Frontstylobat, und die Quader-
reihen dieses Belages zeigen abwechselnd dieselben Breitenmafse
wie die Plinthen des Stylobats (vgl. Abb. 6 auf S. 7).

Nimmt man das alles zusammen und wirft auch nur einen
Blick auf andere Tempel, bei denen eine ähnliche Fugencon-
cordanz mehr oder weniger genau durchgeführt ist wie bei A und E
in Selinus. bei dem Tempel in Segesta. der Kathedrale in Syrakus,
den sog. Tempeln der Juno, der Concordia, des Hercules in Akra-
gas, des Poseidon in Paestum, wo überall gerade die Quader-
einteilung des Stylobats von der Säulenstellung absolut ab-
hängig ist. d. h. auf jeder zweiten Plinthe auch eine Säule
steht, so kann kein Mensch daran zweifeln, dass auch bei dem

em

pe

in

Locri die Plinthen an der Westfront zu dem Zwecke
 
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