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DIE TEMPEL VON AKRAGAS

A kragas war die letzte grofse Gründung der Griechen auf
/ \ Sicilien. Geloer hatten es 581 v. Chr. unter der im
.X -V. Altertum üblichen Beteiligung ihrer Mutterstadt.
Rhodos, mitten in der weiten Strecke zwischen Gela und Se-
linus angelegt, um auch diesen Teil der Küste den Griechen
zu sichern, und die neue Colonie war schnell zur Blüte gelangt.
Trotz vielfacher Belagerungen und Zerstörungen (405 v. Chr.
von den Karthagern eingenommen und zerstört, dann, nach-
dem es 338 v. Chr. von Timoleon neu besiedelt worden war,
262 v. Chr. von den Römern belagert und erobert, 255 wieder
von den Karthagern, 210 endlich von den Römern dauernd
erobert und unter die civitates decumanae der Provinz Sicilien
versetzt, unter Augustus scheinbar römische Colonie vergl.

J. Schubring, Historische Topographie von Akragas, Leipzig
1870, 77; CIL X p. 737; Holm III 229 —, 828 n. Chr. von den
Saracenen erobert, 1068 von den Normannen befreit) ist Akragas
immer bedeutend geblieben und noch heute übt sein erstaun-
lich grofses und landschaftlich prächtiges Stadtgebiet, das sich
vor dem kleinen Girgenti weithin ausdehnt, mit seinen zahl-
reichen Tempelruinen eine Wirkung aus, die Pindars Bezeich-
nung xalliaia ßqoitav noliuw [Pylh. XII 1 veigl. Polyb. IX 27)
verständlich macht.

Auf die Topographie zurückzukommen haben wir nach
Schüblings ausführlicher Darstellung, der eine schöne Karte
beigegeben ist (darnach der Plan auf Tat'. 29 gezeichnet), keine
Veranlassung mehr (vergl. auch Holm I 138. 395. Cavallari,
Sulla Topograjia dt /ahme ciffd greche di Sicilia = Archivio storico
sie. n. s. IV 1879, 73 ff. Freeman I 371). Nur was die Lage
der Tempel betrifft, müssen wir daran erinnern und hier aufser
den speciellen Angaben bei der Besprechung der einzelnen
Ruinen im allgemeinen bemerken, dass das Innere der Stadt
auffällig wenig Reste von Heiligtümern enthält - - nur das sog.
Oratorium des Phalaris liegt hier, dass vielmehr, abgesehen von
dem Asklepieion draufsen vor der Stadt, alle anderen Tempel
so nahe wie möglich an den Mauerring gesetzt worden sind,
dessen Trace sich ja den günstigen Verhältnissen der Boden-
gestalt anschmiegte.

Das springt besonders an der Südseite von Akragas in die
Augen. Hier erstreckt sich von dem Flusse gleichen Namens
(San Biagio) bis zum Hypsas (Drago) ein schmaler ringsum
nach aufsen steil abfallender Felsrücken, der durch eine Ein-
senkung von dem inneren Stadtterrain geschieden ist. Auf
seinem äufseren Rande trug er die Stadtmauer, und inmitten
seiner westlichen Hälfte wird er an der Stelle eines alten
Thores, der sog. Porta Aurea, die den Verkehr von der See zum
Forum vermittelte (vergl. Schubring 18 und Freeman II 196),
von einer modernen Chaussee durchschnitten. Dieser Rücken

trägt nun auch dicht hinter der Mauerlinie auf besonderen nie-
drige]] Erhebungen sechs Tempel, einen gewissermafsen zur
Markierung der SO.-Ecke des Stadtgebietes, ein wohl zusammen-
gehöriges Paar nahe bei der SW.-Ecke, rechts und links von
der Porta Aurea' die beiden gröfsten Heiligtümer (man sieht
ihre Ruinen auf der von S. Nicola aus aufgenommenen Vedute
Abb. 134), endlich den letzten inmitten der langen Mauerstrecke
von dem Thor bis zur SO.-Ecke der Stadt — alle in ausge-
zeichneter Lage, wobei wir Modernen wohl an den freien Blick
auf die Ebene zu Füfsen des Felsrückens denken, während den
antiken Besuchern der Tempel die hohe Stadtmauer wahr-
scheinlich alle Aussicht nach Süden verdeckte. Dafür präsen-
tierte sich aber diese südliche Tempelreihe ganz vorzüglich
allen Teilen des nach N. und NO. ansteigenden Innern der Stadt.
An der Westseite (in deren nördlichen Hälfte der Mauer-
lauf nicht sicher reconstruiert werden kann) ist nur ein Tempel
an der Mauer — nicht weit von der SW.-Ecke — nachweisbar,
ebenso nur einer an der Ostseite, aber der in ausgesuchter
Lage hoch oben fast geradezu auf dem felsigen Kamm über
dem Flusse 6'. Biagio. Dass von hier aus die Stadtgrenze eine
grofse Strecke weit keine sicheren Spuren von Heiligtümern
aufzuweisen, also wohl gröfsere kaum wirklich besessen hat,
kann man angesichts des grausigen Absturzes nach NO. wie
angesichts des steilen und öden Abhanges der Rupe Atenea
nach dem Stadtinnern zu begreiflich finden. Wir stimmen trotz
des neuesten Anwaltes der Rupe Atenea (Dott. Salvatore Bon-
figlio, Sil l'Akropoli Akragantina. Girgenti 1897) denen bei,
die es für unwahrscheinlich halten, dass sie die Akropolis von
Akragas gebildet habe. Diese wird vielmehr mit der etwas
niedrigeren Kuppe identisch sein, worauf sich die moderne
Stadt beschränkt. Hier tritt uns dann auch wieder in der
charakteristischen nur (buch die modernen Hausbauten etwas
verwischten Lage am Stadtrande als sicher wenigstens ein
grofser Tempel (S. Maria dei Greci) entgegen und ein zweiter
würde, wenn die Kathedrale wirklich seine Stelle einnimmt,
sogar unmittelbar an der Mauer gestanden haben.

Zur Erhaltung der nicht in Kirchen verwandelten Tempel
hat gewiss der Umstand beigetragen, dass sie von der mittel-
alterlichen und modernen Stadt ziemlich entfernt liegen; an-
dererseits wird die Zerstörung und Verschüttung der Heilig-
tümer, die ihren Platz im Innern der antiken Stadt hatten,
durch die Abschüssigkeit grofser Partien des Bodens befördert
worden sein.

An besonderen Heiligtümern kann es ja in der Nähe ge-
meinnütziger x\nlagen, wie der Agora, nicht gefehlt haben; so
erwähnt Cicero Verr. IV 94 wenigstens den unweit des Forum
 
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