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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 11.1900

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Obrist, Hermann: Hat das Publikum ein Interesse daran, selber das Kunstgewerbe zu heben?, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4360#0103

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Kopfleiste, gezeichnet von DANIEL BÜCK, Berlin.

HAT DAS PUBLIKUM EIN INTERESSE DARAN, SELBER
DAS KUNSTGEWERBE ZU HEBEN?

Von Hermann Obrist

(Schluss.)

WAS sollen wir denn aber thun, so wird wohl
mancher denken. Wir sind doch nicht alle
reiche Leute, die sich ihr Haus bauen können.
Wir müssen doch kaufen was da ist, wir können uns
doch nicht darauf einlassen, extra zu bestellen. Über-
haupt, was sind denn das für phantastische und para-
doxale Pläne. Nun, schon bei den kleinen, alltäg-
lichen Einkäufen in den Läden, wo es sich darum
handelt, unter vielem etwas hübsches, auch dauerhaftes
zu wählen, kann vom Käufer ein Einfluss ausgeübt
werden. Freilich, wenn man das Geschäft eilig be-
tritt und verwirrt durch die grosse Menge der Gegen-
stände und geniert durch die Gegenwart und die Blicke
so vieler Angestellten ziemlich ratlos sich von den
Verkäufern herumführen und beeinflussen lässt, dann
kommt man nicht dazu, etwas zu kaufen, was einem
wirklich und ganz persönlich gefällt. Es steht ausser
allem Zweifel, dass wenn jemand nur suchen will,
in mehreren Geschäften suchen will, er sehr oft etwas
wirklich gutes, geschmackvolles finden kann. Thäte
man das, so würde es sich herausstellen, dass sehr
viele Leute im Grunde einen ganz richtigen Geschmack
haben. Doch wollen wir diesem Mittel nicht mehr
Bedeutung zumessen, als es wirklich hat. Der wirk-
liche Einfluss jedoch, den das Publikum auf die Pro-
duktion ausüben kann, fängt dann an, wenn grössere
Bestellungen derselben Art von Gegenständen erfolgen
müssen. Und dahin gehören in erster Linie die Aus-
stattungen. Und hier ist eine Wandlung nur mög-
lich, wenn die Frauen uns helfen. Und diese Hilfe
muss eine bewusste, ausgebildete werden. Bis jetzt
ist das Kunstgewerbe von den Männern gemacht und
beherrscht worden. Und die Frauen sind nur auf
denselben Wegen nachgefolgt, die die Männer be-
schritten hatten. Sie beschränkten sich darauf, alles
das, was die Männer produzierten, zu kaufen und im
Hause zu verteilen. Die Frauen sind nie gefragt
worden, ob man denn alle diese alten Stile neubeleben
sollte und wir getrauen uns zu behaupten, dass sie,
befragt, davon abgeraten hätten. Nein, sie haben sich
diesen ganzen Geschmack wie so vieles andere auf-
drängen lassen, ohne auf den Gedanken zu kommen,

zu widerstehen und etwas neueres vorzuschlagen. Von
Natur liebt die Frau all das Alte nicht. Ihr ganzer
Instinkt treibt sie zum Neuen, zum Heitern, zu dem
was anregt und die ästhetische Neugier befriedigt.
Nicht nur zieht sie die Gegenwart der Vergangenheit

Kinderzimmer-Möbel von K. BERTSCH.

Ausgeführt von den Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk,

München. (Ges. gesch.)

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