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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 19.1908

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Graul, Richard: Neue Organisationen: zur Förderung von Kunst und Gewerbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.4882#0049

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NEUE ORGANISATIONEN

ZUR FORDERUNG VON KUNST UND GEWERBE1)
Von Richard Graul

EINE auffällige Erscheinung in unserer Zeit sind
die Versuche, die verschiedenen Kräfte, die in
der modernen Entwickelung von Kunst, Ge-
werbe und Industrie bestimmend hervortreten, in
neuen Bündnissen zusammen- und neuen Zielen zuzu-
führen. Offenbar genügen die mannigfachen privaten
Vereine und Verbände und auch die offiziellen Organe
zur Pflege des Kunstgewerbes nicht mehr den An-
forderungen, mit denen die fortschrittlichen Elemente
in Kunst und Gewerbe an sie herantreten. Die in allen
größeren Städten Deutschlands rührigen Kunstgewerbe-
vereine können wohl im lokalen Interesse sich nütz-
lich erweisen, besonders wo sie in ihrer Zusammen-
setzung aus Vertretern bestimmter zusammengehö-
riger Geschäftszweige bestehen oder einen ausge-
sprochen handwerklichen Charakter zeigen. Wo sie
aber wie in den meisten Großstädten aus einer zu-
fällig zusammengelockten Mitgliedermenge mit sehr
verschiedenartigen Interessen bestehen — aus Hand-
werkern, Fabrikanten, Kunstfreunden, Künstlern und
bloßen Vereinsmeiern —, aus einer vielköpfigen Menge
also, in der in der Regel die Nichtfachleute über-
wiegen, da treten zu oft Bestrebungen zutage, die
mit den großen künstlerischen Fragen unserer Zeit
nichts zu tun haben oder sich gar dagegen stemmen.

Für alle, die vorurteilslos der jüngsten Entwickelung
des Kunstgewerbes unter künstlerischer Führung ge-
folgt sind, hat die Dritte Deutsche Kunstgewerbe-
ausstellung von 1906 in Dresden bewiesen, daß nur
in der Zusammenarbeit von freien Künstlern mit dem
Gewerbe und mit der Industrie ein gedeihlicher Fort-
schritt möglich ist. Keine Kritik am Einzelnen wird
diesen Erfolg des Bündnisses von Erfinder und Aus-
führendem im Ganzen zu verkleinern vermögen. Und
dieser Erfolg ist nicht ein bloß künstlerischer ge-
wesen, sondern auch ein wirtschaftlicher.

Daß er das in der Tat gewesen ist, beweisen
große Unternehmungen wie die Dresdener und Mün-
chener Werkstätten, die auf Grund der Interessen-
gemeinschaft von Erfinder und Ausführendem sich

1) Auszug aus einem Vortrage, den der Verfasser
am 12. November 1907 im Leipziger Kunstgewerbeverein
gehalten hat.

Kunstgewerbeblatt. N. F. XIX. H. 3

gebildet und geschäftlich gut entwickelt haben. Und
das beweisen nicht zum wenigsten auch noch die
Stimmen jener Opposition, die sich im »Fachverband
für die wirtschaftlichen Interessen des Kunstgewerbes«
zusammengefunden haben. Gerade die nicht mehr
zeitgemäße Hervorhebung des einseitig merkantilen
Standpunktes, dann die Spekulation auf die Unmündig-
keit des Publikums in künstlerischen Fragen, — kurz
das bedenkenlose Geschäftsinteresse, wie es oft genug
auf den Verbandstagen der Kunstgewerbevereine ver-
treten worden ist, gerade das zwingt dazu, die Kräfte,
welche durch die technische Entwickelung eines Jahr-
hunderts einander entfremdet worden sind, wieder
zusammenzuführen.

Gewiß war eine Trennung von Hand und Ma-
schine im Betriebe und eine weitgehende Teilung
der Arbeit notwendig, aber der erfindende Künstler
und der ausführende Fabrikant sind deshalb noch
keine notwendigen Gegensätze, sondern notwendige
Ergänzungen. Sie müssen miteinander auskommen,
müssen zusammengehen, wo es sich um die künst-
lerische und wirtschaftliche Hebung von Gewerbe und
Industrie handelt. Sie müssen das erst recht in einer
neuen Zeit, der neben der Wissenschaft und Technik
gerade die Kunst wieder ein allgemeines Kultur-
bedürfnis zu werden beginnt. Man sollte meinen,
daß so einfache Wahrheiten allgemein einleuchteten,
daß gutwillig alle an dieser Kulturfrage Interessierten
einander die Hände reichten.

Weit gefehlt! Gerade dieses Zusammenarbeiten,
diese Interessengemeinschaft von Künstler und Fabri-
kant hat die heftigsten Proteste hervorgerufen. Von
gewissen Seiten ist der Künstler als eine Art Betriebs-
störer hingestellt worden, gerade so wie man die
Museumsleiter, welche die moderne Richtung be-
günstigen, oft als recht unbequeme Verführer des lieben
Publikums ansieht. Aber dergleichen Einwürfe, wie
sie unrühmlich genug auf der Düsseldorfer Tagung des
»FachVerbands« laut wurden, haben der guten Sache
nicht geschadet, sie haben vielmehr die Gründung
der neuen fortschrittlichen Organisationen wesentlich
erleichtert.
 
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