Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 12,2.1899

DOI Heft:
Heft 24 (2. Septemberheft 1899)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Sommerfrischen
DOI Artikel:
Bartels, Adolf: Wilhelm Weigands Renaissancedramen
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.7958#0404

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
daß wir sie schön finden, schöner, als diese ihre neumodischen „städtischen"
Häuser, und daß wir Stadtleute überhaupt mehr Freude an allem haben,
was im Boden selber wurzelt, als für noch so teuer hertransportierte
Kübelpflanzen,

Es liegt ja zunächst in unscrem, der Sommerfrischler, Jnteresse,
daß die schünen Dörfer nicht verhäßlicht werden, auf denen wir der
Frau Natur unsren alljährlichen Bcsuch machcn. Aber die Sommer-
frischen sind wichtige „Jnfektionszentren" für das umgebende Land, weil
in ihnen mehr gebaut wird, als anderswo, und sind es im guten, wie
im schlechten Sinne. Und schließlich: gewännen wir schlicht-schöne Sommer-
häuser, werden sie in manchem ihrer Gäste auch wieder den Sinn für
einfache Vornehmheit stärken, und diese werden den so gestärkten Sinn
zum Herbst in die Kladderadatsch-Zinshäuser der Großstädte tragen. Es
hängt eben alles zusammen in solchen Dingen. Und wir müssen an
allen Enden anfassen, wollen wir die „ästhetische Kultur" unsres
Volkes wirklich „heben". A.

Mtlbelm MetgAnds MenAtssAircedrAmen.

Wilhelm Weigand hat vor einiger Zeit cinen Dramenzpklus „Die Nenais-
sancs" veröffentlicht (München, Oermann Lukaschik, G. Franzschc Hofbuchhand-
lung). Jch entschloß mich, als ich ihn empfing, ihn zugleich mit Gobineaus be-
rühmtem gleichnamigen Werke zu lesen.

Gobiueaus „Renaissance" ist, wie im Kunstwart auch seiner Zeit ange-
zeigt wurde, bei Reclam in einer Uebcrsetzung von Ludwig Schemann erschienen
und von dem Uebersetzcr ganz begeistert eingeleitet worden. Jch meinerseitS bin
zu einem elwas anderen Ergebnisse gekommen, als er und auch als der
Kritiker des Kunstwarts, der Gobineau auch als Dichter anerkannte. Zwar
erscheint auch mir die „Renaissance" ohne Zweifel als ein sehr bedeutendes
Werk, aber sie ist meines Erachtens nicht mehr dichterisch, als es ein
hervorragendes Geschichtswerk auch sein muß. Gobineau schasst mit einem
sehr feincn Berstande auf Grund historischer Anschauung, aber er schafft nicht
wic der Dichter, aus dichterischer Phantasie gcbürend. So werden seine Ge-
stalten weder vollindividuell noch erhält seine Darstellung den Hauch und den
Reiz unmittelbaren Lebens; überall setzt sic geschichtliche Keuntnisse voraus,
immer empfindet man die Berechnung, die den Dialog so odcr so lcitcte. Das
Werk ist das Ergcbnis ausgebreitcter erfolgreicher Studicn unü einer hohcn
schriftstellerischen Formbegabung, glücklichcr Reslexion und eines starken Kom-
binationsoermögens, aber nicht eine Schöpfung großen dichterischen Talents
oder gar Gcnies. Vergleichen wir's also liebcr nicht mit Shakespere! Es hat
einmal ein gewisser Walter Savage Landor gelcbt, der in den zwanziger Jahren
„ImuAinar^ couver8Ltiuns bstcveeu littsrar/ msa aml statssman" horausgegeben
hat — mit dem lietzo sich Gobineau recht wohl vergleichen. Und weiter hätte
ich auch nichts dagegen, ihn mit Ludovic Vitet zusammcnzustellcn, der,
ebenfalls in den zwanziger Jahren, in seinen ,8csnes llistorigues" die Liga
behandelnd, als erster in der französischen Literatur den Versuch machte, Zcit-
bilder aus dcr vatcrläudischen Geschichte dramatisch darzustellen, ohne zur
lluustwart

ZI0
 
Annotationen