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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 12,2.1899

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Heft 17 (1. Juniheft 1899)
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Lose Blätter
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7958#0175

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Nein: ihre Jugend muß ich nur recht fassen,

Ganz eins mit allem Schönen ist auch dies,

Und diese Hast steht diesem Wesen so,

Wie schönen Blumen ihre stummen Mienen.
(Pause.)

Jch glaube, was ich that, ist einer Art
Mit dem, wie ich den Laus der Welt erkenne:

Jch will nicht andere Gedanken haben,

Wenn ich die hohen Sterne kreisen seh',

Und andre, wcnn ein junges Weib vor mir steht.
Was dort die Wahrheit, muß es hier auch sein.
Auch ist zu sagen, wenn es diese Frau,

Wenn dieses Kind es nicht ertragen kann,

Zwei Dinge gleichzeitig in sich zu halten,

Von denen eins das andre Lügen straft,

Soll ich es können, mit der That verleugnen,
Was ich mit der Vernunft und dumpfer Ahnung
Dem Ungeheuren abgelernt, das draußen
Sich auftürmt von der Erde zu den Sternen?

Jch nenn' cs Leben, jenes Ungeheure,

Und Leben ist auch dies, wer dürft' es trennen?
Was ist denn reif-sein, wcnn nicht: ein Gesetz
Für sich und sür die Sterne anerkennen!

Jetzt gab mir also mein Geschick den Wink,

So einsam fortzuleben, wie bis nun,

Und — kommt einmal das Letzte, ohne Erben,
Und keine Hand in meiner Hand, zu sterben.
(Verwandlung.)

Nundscbsu.

Literatur.

*Kolportage-Lyrik. Nun ist
ein alter Gedanke verwirklicht worden,
der unsrcs Wissens zum erstcn Mal
in der Wicner Flugschriftcnsammlung
„Gegen den Strom" in die Oeffent-
lichkeit gebracht und damals, vor
einem guten Jahrzehnt, sehr viel er-
örtert wurde. Jacobowski, der gegen^
wärtige Leiter der „Gesellschaft", hat
„Neue Lieder der besten neueren Dich-
ter fürs Volk" zusammengestellt, um
sie (von dem Verlage M- Liemann
in Berlin) sür ,o Pfennige durch
Kolportage oertreiben zu lassen.
Dic Auswahl hättcn wir andcrs ge-
macht, abcr es ist ja selbstverständlich,
daß jedem scine Auffassung von Lyrik
als die richtige erscheint, und zudcm
wirds keinem bcnommen, cine Samm-
lung nach seinem Geschmack neben

diese zu setzen. Grundsätzlich ver-
schiedener Meinung sind wir mil
Jacobowski nur darin: wir halten es
nicht für richtig, bei volkstümlichen
Ausgaben mit einer Sammlung allein
aus den Neuen anzufangen, zumal
wenn darunter so viele Neueste sind.
Will man's thun, so verhehle man sich
wenigstens nicht, daß man damit mehr
im Privatinteresse von uns neuen
Poeten handelt, als in dem allgemeinen
unsres Volks- Unser Volk braucht von
allem Unveralteten, was es aufnehmen
kann, zunächst schlichtweg das Allcr-
beste, ohne Rücksicht auf sein Geburts-
jahr. Und die echte Poesie, die „sättigt
und nährt", ist nicht so dicht gesäet,
daß man allein vom Felde der Neuen
einen Band mit bcste m Korne füllen
könnte. Möge wenigstens ein ergän-
zendes Heft aus älteren Dichtern recht
bald nachfolgen.

Iuniheft ,8gs
 
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