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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 9.1895-1896

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Heft 6
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Avenarius, Ferdinand: Das "Prachtwerk"
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11730#0097

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doch so viele verschenken, des Blendeffekts wegen, !
den er beim kurzen Akte des Gebens selber aus Un- !
ersahrene, den er eine slüchtige halbe Stunde lang
macht! Wie viel Quellen mehr wirklich erquicken- ;
der, lange erquickender und die Herzen bereichernder
Freude könnten sür das Geld eröffnet werden, das !
hier alljahrlich verschleudert wird!

Vom Buchhandel als solchem ist ja da nichts
zu hoffen. Manche der größten Firmen schämen sich
bei uns nicht, literarische Flittergoldpyramiden zu-
sammenzuleimen und zu vertreiben. Wahrhaft vor-
nehme Firmen dagegen — es gibt ihrer, und auch
unter den „unberühmten" — sehen dem Treiben ver-
ächtlich aber machtlos zu, denn Schofelware erträgt
ja die höchsten Spesen, die meiste Reklame. Und die-
selbe Presse, die in den Leitartikeln moralisch biedert,
druckt hinten vergnügt Waschzettel aus Waschzettel
ab, von denen der eine begeisterter als der andere
klingt, als seien den Rezensenten bei der Bewunderung
öer buchhändlerischen Herrlichkeiten plötzlich Pegasus-
slügel aus den Sitzbücken gewachsen.

Nein, von Buchhandel und Tagespresse können
wir nichts erwarten. So lange der künstlerische Ge-
schmack ties steht, wird überhaupt die Prachtwerk-
Flora blühen, und mit dem Heben dieses Geschmackes
geht's bekanntlich langsam, langsam. Ein großer
Protektor der „Prachtwerke" ist auch die Bildungs-

N llnd

DLcdtung.

» Hcböne Literatur.

Träu m e. Von Karl Buss e. (Leipzig, A. G. Liebes-
kind. Mk. 2.60.)

Karl Busse hat alle Aussicht, „Lieblingsdichter der
deutschen Frauen und Jungfrauen" zu werden, und der
Platz Emanuel Geibels wäre mit ihm vielleicht nicht un-
glücklich wiederbesetzt. Daß er ein schönes lyrisches Talent
hat und durch eine gute Schule gegangen ist — man merkt
bei ihm namentlich den Einfluß Theodor Storms —, läßt
sich anf keinen Fall bestreiten; mangelt ihm das schwere!
nationale Pathos Geibels, so hat er dafür eine hübsche,
leichte, kecke Manier der Jronisierung, und die ist nnserer
Zeit auch sicher angemessener als jenes, das unser Publikum ^
höchstens langweilt. Eigentlich neue Töne sinde ich bew
Busse nicht, aber doch neue Variationen, und das ist immer-
hin etwas; der Reiz der äußeren Form ist in hohem
Grade da, wie er bei Matthisson da war und bei Geibel,
wie ihn die Poeten, die Mode werden können, stets haben,
Busse erscheint reicher als seine Vorgänger, eben weil er
spüter kommt als sie, doch gehört er der Art nach zu den
genannten, ist Eklektiker und Epigone. Das beweist auch
seine neueste Veröffentlichung, der Band lyrischer Skizzen,i
den er „Träume" betitelt hat. Es steckt viel Stimmung,
es steckt sogar einiges Gestaltete darin, aber nichts, was
wir nicht anderswo schon hätten, wenn auch nicht ganz

heuchelei: man schenkt Prachtwerke, wo einem Sekt
oder Kaoiar, Damen gegenüber, zu „materiell" schei-
nen. Wir können nur uns und die llnsern vor die-
sem Unsuge schützen. Und wie wir alltäglich einsach
aus Gedankenlosigkeit That- und Unterlassungssünden
begehen, so wird's hier not thun, die heute bespro-
chene Erscheinung einfach einmal ins Auge zu sassen,
um zu sehen: wie steht's mit ihr? Der und jener
unserer Leser (und diese und jene unsrer Leserinnen)
hat das vielleicht doch noch nicht gethan, die an-
dern, hoffe ich, werdcn dem Kunstwart auch verzeihen,
daß er jetzt zur Zeit der Weihnachtseinkäuse sich ein
bischen zudringlich in das, was jedes Einzelnen Sache
ist, einmischt. Er muß die Bitte anbringen:- kaust
zum Segen unserer Kunst und Kunstpslege nichts, was
nur mit dem Aeußern blendet, kaust, was eine edle
Seele in sich hat, kaust, was dauernd ersreuen und
erheben kann, mag's auch in schlichtem Rocke kom-
men. Gebt es auch, schenkt es auch, selbst aus die
Gesahr hin, daß euch der beste Dank sür eure Gn-
ben erst dann und dann vielleicht nicht mal mit
Worten gespendet wird, wenn die Beschenkten wirk-
lich wissen, was sie erhalten haben. Bedenkt auch,
daß in der That unsre Literatur, unsre Musik und
unsre vervielsältigende Kunst zum großen Teile aus
die Weihnachtseinkäuse des deutschen Volkes geradezu
angewiesen sind. A.

s cl) a u.

so. Variationen ist auch hier das richtige Wort. Einiger-
nmßen erscheint Busse hier von Heine beeinflußt; Reise-
bilder und Florentiner Nächte haben ähnliche Partien, die-
selbe Manier. Allerdings ist die moderne Bewegung auch
für Busse dagewesen, seine Naturschilderung vor allein
verrät, daß er die neue Technik beherrscht, obwohl ihn
diese doch nicht immer vor Trivialität behüten kann.

Adolf Bartels.

?er Agitator. Roman von August Niemann.
Zwei Bände. (Dresden, E. Piersons Verlag. Mk. 6.—.)

Seit dem Romane „Voll Dampf voraus" hab ich von
Niemann nichts mehr gslesen, — das war Familienblatt-
süllsel einer Gattung, die in all ihren Darbietungen zu
verfolgen wir nicht nötig hattcn. Seitdem sind ein paar
Jahre ins Land gegangen, und nun kommt vonNiemann
ein Buch, das unsre Teilnahme durch seinen Titel füngt:
Der Agitator. Aber nnrklich, um der deutschen Literatur
willen hätte Lassalle auch dort bleiben dürfen, woher ihn
ja schon früher gelegentlich Romanschreiberfedern üeschworen
haben. Niemanns Roman ist ganz durch die alte Schablone
gemacht; Lassalle, der in der That sür den ernsten Dichter
einen höchst lohnenden Gegenstand zu Studium und Ge-
staltung böte, Lassalle hat hier keinen rechten Körper und
keine rechte Seele, er ist weder anschaulich klar noch psycho-
logisch sein geschildert, und alle Versicherungen des Ver-
fassers, daß sein „Sternseld" (so lautet Lassalles Pseudo-
 
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