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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 9.1895-1896

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Heft 23
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Avenarius, Ferdinand: Volkstümliche Katologe
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11730#0369

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er braucht, schon durch eine Vorstelluug von jenen
Grundlagen. Zum mindesten: es wäre schon viel
gewonnen, wenn er eine solche von den hauptsäch-
lichsten Techniken hätte, denn in Wahrheit versteht
unser Publikum von ihnen alles so gut wie nichts.
Man nehme als Veispiel die Photographie — wie
viele haben denn ein Bild von den einsachen Vor-
gängen, die ihr zu Grunde liegen? Oder den Stein-
druck, die Glasmalerei, die Glasformerei, das Email,
die Keramik, die Techniken der Eisenbehandlung.
Wie wird ein Draht gemacht? Wie entsteht eine
Fensterscheibe? Wie ein Blatt Papier? Es ist wohl
zweiselhast, ob unter hundert Ausstellungsbesuchern
zwei auch nur diese drei Fragen richtig beantworten.
Ein guter Katalog könnte hier aus je einer halben
Seite Antworten geben, die zutresfende Vorstellungen
vom Sachverhalte vermittelten und mit dem dämmern-
den ersten Verständnis eine Teilnahme nn den be-
trefsenden Techniken, die ihre Produkte mit anderen
Augen ansehen läßt und sür weitere Belehrung
empfänglich macht. Wer des Näheren sehen will,
wie ich mir die Sache denke, dem nenne ich als ein
Beispiel die knappen Erläuterungen über die ver-
schiedenen Techniken der graphischen Künste, mit denen,
irr ich nicht, Köpping den kleinen Katalog der gra-
phischen Werke eingeleitet hat, die von der Ber-
liner Kunstakademie im Herbst 1894 ausgestellt
waren. Aber sür unsere Zwecke genügte z u n ä ch st
eine noch gedrängtere Behandlung.

Nur das Aller wesentlichste dieser Art brauchte
im allgemeinen Katalog vor die Aufführung der ein-
zelnen Gruppen gestellt zu werden. Wäre z. B. im
diesjährigen Dresdner Ausstellungskatalog die Auf-
zählung der einzelnen Firmen kleiner und enger ge-

druckt, man hätte mühelos den nötigen Raum ge-
wonnen. Bei beschränkteren Äusstellungen liegt d a
sicherlich keine Schwierigkeit. Wenn sich aber irgend-
wo räumliche Schwierigkeiten zeigen, so ist ihnen
leicht abzuhelsen durch das, was ich hier einmal,
mnngels eines besseren, mit einem vorläusigen Aus- -
druck „Platzkataloge" nennen möchte. Jch meine:
durch geschriebene oder gedruckte Erläuterungen, die
an Ort und Stelle, die am Platze der betreffenden
Ausstellungsgegenstände oder an den Thüren der sie
bergenden Säle zu sinden sind. Sie müßten dem
Wißbegierigen zu näherem Eingehen auf die Technik,
ihre Hilssmittel, ihre Ausgaben, ihre Leistungen unter
Hinweis auf ausgestellte Gegenstände behilslich sein
und mit ein paar Zeichnungen Handwerkszeug und
allmühliches Entstehen der Sachen selbst erläutern.
Kann einiges Handwerkszeug und können ein paar
Gegenstände in den verschiedenen Zustünden ihres
Werdens daneben gelegt werden, so wird das freilich
das Beste sein. Und will man noch andersartige be-
lehrende Notizen beisügen, etwa solche geschichtlicher
oder kommerzieller Art — nun, hier mangelt's ja
keineswegs an Raum.

Möge die Aussaat trefflicher Männer, die vor-
lüuffg nur nahe einigen großen staatlichen Samm-
lungen ausgegangen ist, sich ausbreiten übers Land,
wo immer die Erzeugnisse deutscher Arbeit gesammelt
dem Volke gezeigt werden. Streben wir dahin, den
Ausstellungs^atalog aus einer trockenen Registrierung
oder einer unerquicklichen Marktschreierei zu einer
Gabe zu machen, die lebendige Anschauung von der
Arbeit des Volksgenossen und damit Verständnis und
Liebe für sie verbreitet. Es ist wohl klar, daß auch
das „Geschäst" dnbei schließlich am besten sühre. N.

N u u d

Dtcdtung.

* Pcböne Ltteratur.

A u s d e m e r st e n U u i v e r s i t ä t s j a k r e. Roman
in Briefen von Peter N a n s e n. Autorisierte Uebersetz-
ung von M. Mann. (Berlin, S. Fischer. Mk. z.—.)

Man sieht auf dem Umschlage dieses Romanbandes
drei Pastoren oder Professoren mit müchtigen Allongepe-
rücken, von denen der eine ein zerbrochenes Ei hält, aus
dem sich soeben ein junger Adler emporgeschwungen hat;
erstaunt, ja, entsetzt blicken die drei dem stolzen Vogel
nach. Dieses Bild soll den Jnhalt des Romanes symbo-
lisieren, nur schade, daß der Held, der Kopenhagener stuck.
snr. Emil Holm doch nicht so ohne weiteres dem Konige
der Vögel gleicht. Er ist aus einer dänischen Provinzstadt
in die Hauptstadt gekommen, der Sohn eines konservativen
Gymnasiallehrers, ohne Mittel, auf Freitische bei Ver-
wandten angewiesen, doch schon heimlich verlobt. Jn
Briesen von ihm und an ihn spiegelt sich nun, wie er

s c!) a u.

sich allmählich von seiner Heimat und seiner Familie, aus
dem engen Kreis ihrer Anschauungen loslöst und ein
moderner Mensch wird; ein sehr moderner, denn er ver-
führt eine Tochter des Volkes, verkehrt mit der Jeunesse
doree und der Demimonde und macht Schulden wie ein
Baron. Zum Schlutz, als er mit seinem herrschsüchtigen
Vater vollstündig zersallen und auch „entlobt" ist, will er
unter die Journalisten gehen und veröffentlicht den Brief-
wechsel, der seine Entwicklung darlegt, eben den Brief-
wechsel, der den Roman bildet. Nun, das ist ein natu-
ralistischer Trick Peter Nansens, der gerade so viel Wert
hat, wie die Tricks, die die alte Kunst liebte; so modern
Erich Holm geworden ist, sich prostituieren wird er doch
nicht gleich, lieber erst versuchen, irgend ein Werk zu
schreiben. Oder wäre er wirklich ein Lump geworden?
Der Verfasser glaubt, wie der letzte Bries verrüt, die Ent-
wicklung Emils zu einer selbstbewußten, sicheren Persön-
lichkeit dargestellt zu haben, die der Zeichner des Umschlag-
bildes denn gar als Adler verkörpert, aber die Handlungs-
 
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