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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 9.1895-1896

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Heft 14
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Dresdner, Albert: Von der Schauspielkunst
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11730#0227

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Nachbeter seiner Worte zu machen, der Darsteller
hingegen das Drama als bloßes Spielwerk seiner
Virtuosität zu benutzen, wahrend doch jeder durch den
andern seine eigene Kunst unendlich heben könnte.
Jeder sucht der Persönlichkeit des Andern den Raum
möglichst zu beschrünken, mahrend er von Natur aus
ihre zweckmäßige Verwertung angewiesen ist.

Die praktische Folgerung aus diesen Erwägungen
ist, meine ich, die, daß im Organismus der Bühne
eine Persönlichkeit von nöten ist, die sür die theatra-
lische Darstellung die durch die Teilung der Thätig-
keiten gesprengte Einheit des dramatischen Werkes
wieder zur Geltung bringt. Diese Persönlichkeit ist der
Regisseur. Wie sieht aber die Thätigkeit des Re-
gisseurs bei uns in der Praxis, und zwar mit ge-
ringen Abwandlungen durchgängig, aus? Er setzt
die Austritte, Abgänge und Stellungen sest und be-
sorgt Dekorationen und Ausstattung. Allensalls
mischt er sich einmal, mit mehr oder weniger Glück,
in die „Auffassung" ein oder verbessert einen hahne-
büchenen Aussprachesehler. Jm allgemeinen aber
läßt er die Schauspieler, und besonders natürlich die
hervorragenderen, sich ihren Kram zurechtmachen, und
hat keinen Sinn dasür, ob dann die Teile zusammen-
passen. Daher kommt, wie ich glaube, die Stimmungs-
losigkeit zumal der klassischen Aufführungen, über die
heut so viel geklagt wird; daher schreibt es sich, daß
die theatralische Kunst heut so selten mit der ganzen
Wucht und Krast wirkt, die ihr gegeben ist. Die
Thätigkeit des Regisseurs müßte aber darin bestehen,

daß er sich das Stück, wie es sich aus der Bühne
darstellen soll, von der Hauptrolle bis zu den letzten
Einzelheiten der Ausstattung anschaulich vorstellt, und
diese Anschauung dann verantwortlich, aber jedensalls
streng einheitlich, verwirklicht. Er müßte also iin
größten Sinne als ein Erzieher wirken. Eine Ver-
gewaltigung der Persönlichkeit des Schauspielers wäre
bei diesem Versahren insosern nicht zu befürchten, als
der Regisseur ja verstündigerweise die Jndioidualitäten
der Darsteller nach Möglichkeit benutzen und verwerten
wird. Eine gewisse Zimperlichkeit aber in der An-
fassung des Schauspielers könnten wir uns allerdings
abgewöhnen; in Frankreich wird längst der einzelne
Darsteller ungleich rücksichtsloser in den Dienst des
Ganzerr gestellt. Das dramatische Kunstwerk ist nun
mal Eins, und darum muß das Thenter autokratisch
sein, oder es ist nichts.

Jch meine also, daß die vielerörterte Frage der
^ Bühnenresorm (ich rede hier nur von der inneren
Bühnenreform) von dem Punkte aus mit Ersolg an-
! zugreifen sei, daß der Spielrnum der künstlerischen
! Willkür des einzelnen Darstellers beschränkt und die
Mncht und Stellung des Regisseurs gestärkt werde.
Entscheidend wird dabei sein, ob es gelingen kann,
geeignete Persönlichkeiten sür die so veränderte Thätig-
keit der Regie heranzubilden. Aus welchem Wege dies
vielleicht zu erreichen wäre, das hoffe ich demnächst
i nn dieser Stelle auseinandersetzen zu dürsen.

Albcrt Dresdner.

N u n d s ck 3 u.

DLcdtung.

* ^cböne Litcratur.

lvir Gebildeterr. Nnchdenksame Geschichten von
Hnns Schliepmnnn. (Berlin, Schuster nnd Löffler.
Preis brosch. Mk. 2.—, geb. Mk. 3.— )

„Und der Zöllner schlug an seine Brust und sprach:
Gott, sei mir Sünder gnädig" — Schliepmann durfte sich
das Wort zum Motto nehmen; diese seine „nachdenksamen
Geschichten" sind Bekenntnisse des sozialen Gewissens, wie
wir wenige haben und viele brauchten. „Unsre Nernen
erschauern vor dem »Armeleutegeruch« und sind doch
stark genug, unsre Herzen gegen den Anblick des Elends
fest zu machen; und doch wieder auch schwach genug, alle
dem aus dem Wege zu gehen, was uns in unsrer soge-
nnnnten höheren Bildung erröten machen müßte. Nicht-
Verstehen-Wollen und Vertuschen ist unsre ganze moderne
Gesellschaftskunst. Das Schlimmste aber ist dabei vielleicht
noch, daß selbft die Bedrückten solcher schnöden Kunst
noch Ehrfurcht bezeugen". Der Hauptwert der füns ernsten
kleinen Geschichten (die sechste gibt ein heiteres Bild,
wennschon aus ernstem Hintergrund) liegt in dem tief
sittlichen Drange nach Ehrlichkeit und Wahrhastigkeit, in

dem Widerwillen gegen unsre soziale Heuchelei, in dem
rückhaltlosen Besprechen der Schwächlichkeit und Wert-
losigkeit von so vielem, was „uns" als „Bildung" heilig
ist. Mit künstlerischem Maße gemessen, bleibt manches
auf der Höhe eines guten Feuilletons, einiges aber, wie
z. B. die Charakterzeichnung der „Marie Kunze", erhebt
sich weit darüber. Jedenfalls dürften gerade unter unseren
Lesern wenige sein, die diesen gehaltreichen kleinen Band
nicht mit entschiedener Teilnahme läsen.

F e u e r u n d S ch w e r t i m S n d a n. Von Rud 0 lph
Slatin Pascha. (Leipzig, F. A. Brockhaus. Mk. 9.—,
geb. Mk. w-"-)

Slatin Pascha ist bekanntlich jener frühere öster-
reichische Offizier, der lange der Provinz Darfur nls
ägyptischer Gouverneur vorstand, dann während els Jahren
Gefangener der Mahdisten war, diesen durch eine kühne
Flucht entkam und jetzt im ügyptischen Generalstabe an
der Bekämpfung seiner früheren Herren arbeitet. Das
Werk ist bekanntlich höchst wertvoll in vielen Beziehungen,
deren Erörterung weitab von unserem Stoffgebiete liegt.
Den Kunstwart geht nur seine künstlerische Seite, geht es
gleichsam nur als Erzählung an. Aber auch als solche
 
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