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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 9.1895-1896

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Heft 15
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Bie, Oscar: Tageskritik über bildende Kunst
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11730#0241

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B-


ungskraft, die aus einer Ausstelluug etwa eine Ver- !
sammlung von Menschen und aus einem Bitde etwa
ein Gedicht in Prosa macht, den Ernst seiner Meinung
in voller Deutlichkeit durchbticken läßt.

Doch diese Frage hängt zu eng mit unserer letzten
zusammen, als daß man sie ganz getrennt behandeln
könnte. Die K ü n st l e r merden ost jene Auszählungen
mehr lieben, die ganz im Stoffe stecken bleiben und
in der Besorgnis um Vollständigkeit ihnen die Gewähr
bieten, daß ihr Name wahrscheinlich nicht ausgelassen
wird. Das Publikum wird sich durch schriststellerisch
selbstündigere Erzeugnisse, auch wenn sie nicht alle
Namen auszählen, eher sür das Kunstwerk interessieren
lassen, zumal sür das einzelne, wie es doch sein soll
— und wird die Gänsemürsche der Namen ermüdend
und unwichtig sinden. Schreibt nun der Kritiker sür
die Künstler oder sür das Publikum? Ich bin immer
mehr zu der Ansicht gekommen,' daß er nur sür das
Publikum schreibt, d. h. zu schreiben hcck, wenn er
eine wirkliche Frucht seines Schreibens sehen will. Jn
den seltensten Fällen wird ein Künstler durch eine
Kritik aus andere Bahnen gebracht werden. Jm Ein-
zelnen mag er hier und da eine Anregung schöpsen,
im Ganzen werden ein paar gedruckte Zeilen ihn in
seinem Naturell nicht ändern, das dazu viel zu ties
sitzt. Eher knnn ein persönlicher Verkehr mit ihm
sruchtbar werden. Wenn sich Mensch zu Mensch ge-
sellt, erschließen sich die Naturen viel tieser, als in
hundert Worten mit der Scheinheiligkeit der gedruckten
dlutorität. Wenn man sich srei aussprechen kann und
nicht um einzelne Sachen seilscht, ist ein Eingehen,
eine Beeinflussung, eine Verständigung eher möglich.
Wenn der Künstler den Kritiker unter vier Augen
sieht und sein redliches Bemühen, seine weiten Gesichts-
punkte, sein begründetes Urteil über jede Einzelheit
jedes Vildes kennen lernt, wird er, wenn er guten
Willens ist, eineir Berater in ihm sinden. U»cd um-
gekehrt, wenn der Kritiker den Künstler in seiner ganzen
Umgebung kennen lernt, den Geist seiner Werkstatt

begreist, seine Werke unter seiner Anleitung studiert
und vergleicht, wird er gerechter werden, als wenn
er im geschästlichen Schritt die Wärrde der bunten
Ausstellungen abläuft. Eine solche Verständigung
zwischen Künstler und Kritiker wird in der gedruckterr
Besprechung niemals möglich sein.

Wohl aber ist ein sruchtbares Ziel zu erkennen,
wenn sich der Kritiker ans Publikum wendet. Er wird
die Kritik der Bilder selbst, die ja sein Amt ist, darum
nicht vermeiden, er wird sie nur an eine andere Adresse
richten, und so auch in eine andere Forin bringen.
Er wird in erster Linie sördern, wo es etnms zu sör-
dern gibt; er wird liebenswürdig im Tadel sein, wo er
nicht durch die Macht des gedruckten Wortes alle Keime
ersticken will; er wird schweigen, wo ihm Schweigen
die beste Kritik erscheint; er wird nur dort scharf und
bitter werden, wo er Gefahr wittert und Falschheit
entdeckt. Jn Nllem wird er sich bemühen, das große
Publikum, welches heute die Kunst zu erhalten hat,
nachdem Fürsten und Adel aus der ersten Reihe zurück-
getreten sind, in der sruchtbarsten Weise sür den Gang
und die Ereignisse der künstlerischen Zeitgeschichte zu
interessieren. Jn der wirtschaftlichen Frage der Kunst,
die vielleicht noch brennender werden wird, als sie
heute schon ist, nimmt er dann eine der wichtigsten
Vermittlungsstellen ein. Bei dem imnrer größer
iverdenden Abstand zwischen echtem Angebot und ka-
pitalistisch kräftiger Nnchsrnge unter dem Einsluß
unserer allenthalben industriellen Kultur, hält er, wenn
er sein Amt klug verwaltet, das große Buch in der
Hand, in dem Soll und Haben der Kunst geregelt
wird. Und hat er einmal ein großes Kunstwerk er-
kannt und in seiner Bedeutung dargestellt und, wenn
es seinen Mäzen ffndet, dem Künstler dadurch den
Boden geebnet, so kann er sich wenigstens sagen, daß
er auch für diesen etwas geleistet hnt. Dann sind
es nicht mehr blos Wortc, dnnn ist es eine Wirk-
samkeit.

Gskar Kic.

N u n d sck a u.

DLcktung.

* Scbönc Litcratur.

Der dumme Teufel oder die G e n i e s u ch e.
Komisches Epos iu zwülf Gesängen von Adolf Bartels.
sDresden, Dresdner Verlagsanstalt V. W. Esche).

Die Hölle ist hernntergekommen; faßweise zwar wie
Heringe werden die Seelen hereingerollt, aber es ist
schlechte Ware: des Teufels Großmama sehnt sich nach
Kerlen wie Fanst einer war, nach einem Genie, das
Leben in die Bnde bringe, nach einem Gewaltigen, „be-

stimmt, die Wahrheit neu zn ofsenbaren, daß alle Großen
doch znm TeufelLsahren". Wer kann ansgeschiekt werden,
zu verhnten, daß wenigstens der n ä ch st e Große nicht
wiedcr der Hölle weggefangen werde? Alle drücken sich
um den Anftrag, bis anf einen, den dummen
Teufel, der will's unternehmen, im Lande der Dichter
nnd Denker noch das Genie zn finden. Seit er anf der
Oberwelt in den deutschen Schwänken gespnkt hat, sind
dreihnndert Jahre verflossen, die hat er benntzt, sich wacker
mit den Dentschen zn beschäftigen: er hat ihre ganze
Bildnng genossen „und initgetränmt anch ihren dnmmsten
 
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