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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 9.1895-1896

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Heft 16
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Rundschau
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Sprechsaal
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https://doi.org/10.11588/diglit.11730#0267

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Na, denkt der Leser, das langt ja zu. Jch bitte sehr, in
diesen 50i Preisbewerbungen war, soviel ich sehe, keine
„einfach", die rneisten waren dreifach und manche Nummern
hatten noch mehr „Preise". Sagen wir: für die 380
Nussteller standen 1500 Preise zur Verfügung, die aber alle
als „erste", „zrveite", „dritte" Preise für dies und das be-
zeichnet waren, so unterschätzen wir wohl noch die Summe
des hier osfenbarten Wohlwollens. Bei einer ganzen
großen Menge von „Preisbewerbungen" waren mehr Preise
da als Wettbewerber, wührend es anderseits so viele
Preisbewerbungen gab, daß die Möglichkeiten, irgend
etwas zu erwischen, nicht einmal alle benutzt werden
konnten, weshalb so und so viel Hundert Preise schließlich
doch nicht nnterzubringen waren. Schicken spüter die
bepreisten Herren ihre Geschüftsempfehlungen in die Welt

mit schönen Abbildungen von Ehren- oder ersten, oder
zweiten, oder dritten Preisen der „internationalen Garten-
bauausstellung" — wer weiß dann, daß von Auszeich -
nungen durch diese Preise gar keine Rede sein kann?
Wirklich, man kann sich nicht bequemer Reklamen uer-
schaffen -- „Wirtschaft, Horatio, Wirtschaft!"

Freilich, e i n Gutes haben ja dergleichen Vorkommnisse
sie helsen mit, nach und nach die Prümiirerei über-
haupt iu Verruf zu bringen. Mir soll noch einmal ein
Gürtner mit zwanzig Preismedaillen aus dem Briefkopfe
imponieren wollen! tlnd ein Zerrbild erinnert immerhin
auch nns Original; die Dresdner Gartenbaupreisverteilerei
wird die Augen kritischer machen auch sür die Aledaillen-
verehrung bei unsern Kunstausstellungen. A.

Sprecbsaal.

Gemäldea u

Die einseitige Entwickelung der Staffeleimalerei in
unserer Zeit hat zu der Einrichtung der Kunstausstellungen
geführt und der fortwührend sich steigernde Zudrang zu
denselben und die gegenseitigen Überbietungen der sie ver-
anstaltenden Künstlergruppen zu einer ins Ungemessene
wachsenden Ausbildung dieser Bildermürkte. Auf eine
künstlerische Reaktion gegen diese ist zum Teil das Ent-
stehen der Sezession zurückzuführen. Aber auch hierbe-
merken wir von dem Augenblick an, wo der Widerstand,
der sich der neuen Künstlergruppe anfänglich entgegen-
gesetzt hat, überwunden war, ein Zurücksinken in die alten
Zustände. Mit der wachsenden Anerkennung und dem
Ersolge mehrt sich auch der Zudrang, allerlei Rücksichten
müssen genommen werden, die stolze Unabhüngigkeit aus
der Zeit des Kampfes geht verloren. Heute unterscheiden
sich die Sezessionsausstellungen kaum wesentlich mehr von
anderen großen Ausstellungen, und nur durch die größere
Menge jüngerer Kräfte, die hier ja noch überiviegen, be-
wahren sie eine gewisse Überlegenheit. Wie lange noch?
Die Neigung zu kleineren Gruppenbildungen wüchst, und
ihr kommt das Geschäftsinteresse der Kunsthündler ent-
gegen. Diese hatten sich von Ansang an in Gegensatz zu
den jährlich wiederkehrenden großen Ausstellungen gesetzt.
Man konnte von ihnen häufig die Klage hören, daß durch
diese großen Ausstellungen der Kunsthandel zu Grunde
gerichtet, und daß damit indirekt auch die ernsteren künst-
lerischen Bestrebungen geschüdigt würden, indem das Pub-
likum, verstündiger Vermittler beraubt, von dem Wege
einer ruhigen Geschmacksbildung abgelenkt, unmittelbar in
den wilden Konkurrenzkampf hineingezogen werde und
den Lärmmachern und Reklamehelden in die Hände salle.
Eine gewisse Berechtigung hatte ja diese Klage, sie
blieb nber unfruchtbar, weil ihr keinc Thaten zur Seite
standen. Den neuen Forderungen gegenüber verharrten
die Kunsthündler im alten Schlendrian: sie waren ent-
weder auf ein paar Berühmtheiten eingeschworen, die sie
ausschlachteten, oder sie dienten dem Vertrieb von „Kitsch",
oder derVorführung reisender Sensationsbilder; Förderung
des Neuen, Verheißungsvollen, zumal wenn es in vor-
nehmer Zurückhaltung auftrat, traf man bei ihnen selten
und noch seltener das Verstündnis für künstlerische An-
ordnung des Vorzusührenden. Auch heute noch bestehen

st e l l u u q e n.

im Allgemeinen dieselben Verhültnisse, obgleich bei der,
den größten Ausstellungen gegenüber sich geltend machendcn
Ausstellungsmüdigkeit und der oben erwühnten Neiguug
zu kleineren Gruppenbildungen, für die Kunsthündler eine
günstige Lage geschaffen ist; es liegt nun an ihnen, sie
auszunützen. Was ein verständiger und feinsinniger Kunst-
hündler zu leisten vermag, selbst unter ungünstigen Ver-
hültnissen, an eineni Ort, dessen drei große jührliche Aus-
stellungen alles künstlerisch Bedeutsame zu absorbieren
scheinen, das bczeugen die Ausstellungeu des Kunsthündlers
Littauer iu Alünchen, deren große Anziehungskraft in dem
intimen Reize liegt, den sorgfältig ausgewühlte und mit
künstlerischeni Geschmack harmonisch augeordnete Samm-
lungen bieten. Man verstehe mich recht: unter sorgfültiger
Auswahl verstehe ich nicht klingende Namen und unter
künstlerischer Anordnung nicht Dekorationskunststücke.
Maßhalten im besten Sinne zeichnet diese Ausstellungen
aus, inhaltlich wie räumlich, und mnchl sie zu kleinen
Musterausstellungen. Ob sie Nachahmungen finden werdeu,
ist allerdings sraglich. Zunüchst gehört zu ihrer erfolgreichen
Durchführung nicht nur feines Verstündnis und Geschmack,
sondern auch ein sicherer Takt, verbunden mit einer ge-
wissen Kühnheit, die, tortlter io i-e siiavitei' in mollo, vor
manchem Gewagten uicht zurückschreckt. Dann aber würe
es mit einem bloßen Kopiereu dieser Ausstellungeu keiues-
wegs gethau, souderu es müßte in ihrem Geiste naeh
andern Richtungen hin Ähnliches geleistet werden. So
könnte eine Dezentralisation des Ausstellungswesens er-
reicht werden. Es wäre gewiß kein Unglück, wenn die
großen Massenausstellungen von dcr Bildslüche ver-
schwünden.

Soll ich uoch vou deu Kuustvereinen sprechen? Es
ist nicht erfreulich, von ihuen zu sprechen. Auch sie köunteu
zur Entlastuug der großen Ausstellungeu beitrageu uud,
besouders da wo große Mittel vorhanden sind, wie z. B.
beim Münchener Kuustverein, Vortreffliches wirken. Atan
muß aber ihnen gegenüber jede Hoffnung aufgeben. Sie
sind, mit wenigen Ausnahmen sHamburg), in ihrer heutigen
Verfassung nur Sportplätze für spießbürgerlichen Größen-
wahn und die surchtbarsteu Brutstätten des Stümper-
tums. llber sie eiue Satire nicht zu schreiben, würe schwer.

I »i m c r q r ii n.



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